16.07. – 22.07.2011, 254 km. Nach längerer Zeit gibt’s wieder mal einen Blogeintrag. Und weil doch einiges passiert ist in dieser Zeit und wir einige Länder durchquert haben, teile ich ihn in zwei Teile. Erstens, damit ihr was zu lesen habt, während ich immer noch schreibe und zweitens, dass es nicht so einen Rieseneintrag gibt. Folgend gibt’s mehr über die Reise von Granada über die Kolonialstadt León, durch bergige Vulkanlandschaften nach Somoto. Dort verbringen wir einen Tag im Cañon de Somoto, mit Canyoning light. Einmal eine etwas andere Fortbewegsungsart.
Nicaragua soll gemäss Wikipedia das zweitärmste Land Lateinamerikas sein. Bis jetzt habe ich nicht den Eindruck, dass dem so ist. Klar, ich kenne nur die Strecke entlang der Hauptachse, einige Touristenorte und diverse kleine Dörfer dazwischen. Um Managua herum sieht’s sehr modern aus. Riesen LCD-Leuchtreklamen, Mc Donalds, Burger King und wie sie alle heissen. Auf der Strasse doch viele teure Autos. Solche habe ich z.B. in Perú nie gesehen. Aber nun kenne ich auch das ganze Hinterland Nicaraguas nicht. Dort sieht die Situation vielleicht anders aus. An der Strasse stehen auch hier viele Tafeln, die auf Entwicklungshilfe hinweisen, es wird sicher an der Verbesserung gearbeitet. Aber z.B. in Perú habe ich so etwas nie gesehen, und mir scheint doch, dass Perú um einges ärmer ist. Eines fällt trotzdem auf, es wird wieder viel mehr gebettelt, am Strassenrand, in den Städten. Die Armut ist sicher höher als in anderen Ländern. Und in einem armen Land würde man eigentlich erwarten, dass die Preise ein bisschen tiefer sind, doch Nicaragua ist nicht günstig. In den kleinsten, untouristischsten Käffchen kostet ein Zimmer noch fast 20 $. Und die Qualität ist nie und nimmer 20 $ wert. Da waren Unterkünfte in Ecuador und Kolumbien noch billiger, bei besserer Leistung.
Die Leute hier sind wirklich nett, vor allem Frauen und Kinder. Sie winken und und grüssen oft fast schon überschwenglich. Aber die Männer erreichen doch eine andere Primitivitätsstufe. Immer wird gepfiffen, sie geben Knutschlaute von sich, rufen uns „I love you“ und andere teilweise unverständliche, aber sicher nicht anständige Dinge nach. Und oft in einem doch eher unangenehmen Tonfall. Dies kommt vom Strassenrand, von fast jedem Laster, aus den Autos. Und schon kleinen Jungs machen es. Kein Wunder, bei den Vorbildern. Und wirklich fast alle Hombres sind so drauf. Das wird langsam etwas mühsam. Der Machismo scheint in Mittelamerika noch viel intensiver zu sein, mal abgesehen von Panamá und Costa Rica. Mal sehen, wie sich das bis Mexico entwickelt. Da soll es ja am Schlimmsten sein…
16.07.2011. Doch nun zu der eigentlichen Reise. Schon als wir Granada verlassen, regnet es leicht. Raus aus der Stadt, vorbei an einer weiteren, zerfallenen Kirche.
Rauf auf die Hauptstrasse, rauf auf einen kleinen Hügel. Der Verkehr hält sich noch in Grenzen, es ist Samstag. Und am Wochennde sind ja bekanntlich die Rennradler unterwegs. Wieder passiert und ein Rennteam. Und gleich vor unserer Nase erfolgt eine Massenkarambolage. Für die steilen Boardkanten hat man eben doch besser Mountainbikereifen…
Wir passieren Masaya, dann geht’s in Richtung Managua. Die Strasse läuft fast fadengerade auf den Volcán Momotombo zu, davor die Smogglocke der Capital. Wir fahren auf die Stadt zu, davor soll eine Abzweigung aussen herum nach Ciudad Sandino führen. Mittlerweile regnet es ziemlich heftig und wir verpassen die Abzweigung. Also wieder zurück, dann klappt’s. Nun nimmt der Verkehr zu, wir fahren irgendwo durch die Suburbs Managuas. Kurz nach Ciudad Sandiono machen wir in einem trockenen Bushäuschen Mittagspause. Wir sind total durchnässt und werden von hunderten Fliegen belästigt. So macht Pause machen keinen Spass. Nun lässt der Regen nach, der Himmel zeigt sogar einige blaue Lücken. Ich erneuere die Sonnencreme. Doch kaum sind wir wieder auf der Strasse, setzt der Regen wieder ein. Nun tut sich der Blick auf den Lago Nicaragua auf, im Hintergrund die Volcanos El Hoyo und Momotombo.
Und auch hier gibt es Tiere. Ein riesiges Gürteltier und einige Leguane. Alle kopfüber von den Händen Einheimischer hängend und wohl für den Kochtopf bestimmt. Lecker. Auf einem Restaurantschild sehe ich auch noch Boafleisch und sonstige Spezialitäten. Fremde Länder, fremde Esssitten. Nach weiteren 17 km erreichen wir Nagarote. Hier gibt’s sogar Bomberos, wir dürfen dort auch übernachten, auf 2 total durchgehangenen Metallgestellen. Da würde ich wohl meine Matte nicht drauflegen, wollte ich sie ganz durch die Nacht bringen. Der eine Bombero begleitet uns zu einem Hostal, dem günstigeren. Sie haben nur Einzelzimmer, das Zimmer für 200 Cordobas (8.75 $). Aber das Bett ist gross, da könnten wir auch zu zweit darauf schlafen. Bisher haben wir nie mehr bezahlt, wenn wir zu zweit ein Einzelzimmer belegten, hier würde das Zimmer Für beide 350 Cordobas kosten (15 $). Wo sind wir denn? In Costa Rica? Ich hatte gehofft, Nicaragua würde etwas günstiger werden. Denkste. Wir fahren gleich noch weiter nach La Paz. Dort das gleiche Bild. Schlechte Betten, teuer. Aber die einzige Option. Wir hoffen, dass es im Touriort León wieder besser wird. Aber immerhin ein Dach über dem Kopf, nach einem Tag im Dauerregen. Das soll hier normal sein, es ist ja Winter. Die Ortlieb-Taschen sind wieder mal nass. Rosten tut ja schon alles, wenn das so weiter geht, beginnt bald alles zu schimmeln, inklusive mir selbst.
17.07.2011. In La Paz ist Fiesta, die Nacht ist laut. Gegen 3.30 Uhr trällert noch einer ein „Feliz Cumpleaños“, es wird das Sandinisten-Jubiläum gefeiert, dann wird’s ruhig. Doch nur für ein paar Minuten, dann beginnen die ersten Hähne zu krähen. Und zwar non-stop. Heute stehen wir nicht um 5 Uhr auf, bis León sind es nur noch 30 km. Doch kurz nach 5 Uhr stehe ich wieder fast im Bett, eine Guggenmusik beginnt lautstark zu spielen. Alles in allem eine eher unruhige Nacht. Doch als wir kurz nach 8 Uhr aufbrechen, ist es trocken. Und oh Wunder, die ersten 10 km haben wir Rückenwind. Auch heute überholt uns wieder eine Truppe Rennradfahrer. Wir biegen nach rechts ab, nun kommt der Wind von seitlich-hinten und es wird minim hügelig. Die Landschaft ist eher flach, grün, Kuhweiden und ein par Bäume. Dann ein Rehazentrum für Personen mit dem Down-Syndrom, später eins für Autisten. Nicaragua scheint ja wirklich fortschrittlich zu sein. Gegen 10 Uhr erreichen wir León, machen uns auf die Hostalsuche nach Footprint. Moni schaut sich die Casa Vieja an. Dort hat es ein günstiges Zimmer, doch der Señor zeigt Moni auch noch das Hotelito Casa Vieja, das noch nicht offen ist. Dort können wir ein grosses Zimmer belegen. Der Señor bringt noch ein 2tes Bett, und zwar pronto. Sehr aufmerksam. Wir bezahlen 200 Cordobas (8.75 $) für unser eigenes Hostal, so quai. Es hat noch einen überdachten Hof, ideal zum Wäscheaufhängen und Biciteile von Rost zu befreien. In einem Comedor essen wir für je 35 Cordobas (1.50 $) eine grosse Portion, dann ist eine lange Siesta angesagt. Wie schön ist doch das Leben. Mittlerweile regent es auch. Abends wagen wir uns wieder raus, es gibt hier sogar ein Kino. Und der neue Harry Potter ist angelaufen. Nach der langen Siesta können wir uns auch in die 21 Uhr Vorstellung wagen, ohne im Kino einzuschlafen. Und den letzten Teil finde ich um Weltern besser als den vorletzten.
18.07.2011. Wir verbringen einen Tag in León. Am Morgen laufen wir etwas durch die Stadt und schauen uns ein paar Kirchen an. Zuerst die in mexikanischem Baustil errichtete „La Recolección“. Dann weiter zur von Piraten gebauten „La Merced“ mit schönem, holzigem Innenbau. Weiter geht’s zur grossen Catedral. Diese sieht von aussen ziemlich heruntergekommen aus, innen wurde sie aufwändig renoviert.
Anscheined sollen die von einem guatemaltekischen Architekten erstellten Baupläne mit denen der Catedral von Lima verwechselt worden sein. Die leónsche Catedral sollte in Lima stehen. Andererseits könnte der grosse Bau auch gerechtfertigt sein, denn León war lange Zeit Hauptstadt Nicaraguas. Auch heute ist León immer noch Hauptstadt, Hauptstadt der Revolution, was man an vielen Wandmalereien erkennen kann.
Wir steigen aufs Dach der Catedral, von dort hat man einen tollen Blick auf die Stadt und die Vulkane. Heute sogar bei Sonnenschein.
Als letzte schauen wir uns noch die renovierte Iglesia „San Francisco“ an, dann gibt’s ein Sandwich in einer Panaderia Francesa. León ist auch eine sehr schöne Stadt, aber meiner Meinung nach reicht es, wenn man sich entweder Granada oder León anschaut. Der Routenplanung kann dies unter Umständen behilflich sein. Und wer’s glaubt, heute regenet es den ganzen Tag nicht. Der Regen wird wahrscheinlich für unsere morgige Weierfahrt gespart.
19.07.2011. Doch auch der Morgen danach ist wolkenlos mit blauem Himmel. Wir starten zur gewohnten Zeit in die aufkeimende Hitze des Tages. Über eine Stein-Schotterpiste geht es auf die Interamericana in Richtung Chinandega. Nach ca. 10 flachen Kilometern biegen wir rechts ab. Wieder einmal zeigt kein Wegweiser die Richtung an, obwohl auch Nicaragua meist sehr gut ausgeschlidert ist. Links zeigt sich nun der Volcán San Cristóbal mit seiner rauchenden Spitze.
Die Strasse führt flach durch Wiesenlandschaften, links und rechtes erheben sich immer wieder Vulkankegel. Wir fahren zwischen den Vulkanen Telica und Roto durch, dann wird’s wieder flach, bis in der Ferne wieder El Hoyo und Momotombo zu sehen sind. Nun hat es sehr wenig Verkehr, es ist richtig angenehm, bis auf die Hitze natürlich. Und im Nirgendwo plötzlich eine Ciclovia. Nicht schlecht.
Dann kommt uns eine von Polizeiwagen eskortierte Kolone von ca. 40 Bussen entgegen. Fast alle mit Parteifahnen ausgestattet. In Nicaragua sind auch bald Präsidentenwahlent. Die Busse produzieren ganz schönen Gegenwind. Kurz nach der Znünipaiuse hat sich wieder mal ein Drähtchen in Monis Hinterreifen gezwängt. Schlauchwechselpause. Doch ich habe keine Ruhe, diese lästigen kleinen Fliegchen umschwirren mich zu hunderten. Ich glaube, sie stechen nicht, aber sie sind extrem lästig. Beim Wiedereinsetzen und Anziehen der Radachse von Monis Hinterrad bricht die Achse. Tja, was nun? Zurück nach León hitchen? Halt, ich habe ja noch eine Achse, da mein Hinterrad seit dem Getriebewechsel eine Schraubachse hat. Glück für Monika. Ich setze die Achse ein und bald fahren wir wieder in die Hitze. Langsam wird’s bergiger, die Steigung beginnt. Aber endlich mal wieder etwas Abwechslung in der Landschaft. Kleine, grüne Berge, saubere Bäche, ein grosser Fluss. Das tut gut. Es geht etwas flach weiter, dann beginnt eine längere Steigung. Ein Teil der Strasse wird gerade asphaltiert, die Chicos sind gerade am Teeren. Zuerst ist die Fahrbahn einspurig. Da brettert so ein Lastwagen an mir vorbei, schleudert Steine auf. Einer trifft mich mit voller Wucht am Kinn. „Arschloch!“ Später stelle ich fest, dass die Stelle aufgeschürft ist. „Nochmals Arschloch.“ Dann wird die zweite Spur geteert. Und kaum geteert, ist die Strasse wieder befahrbar. Hört sich etwas komisch an, der eine oder andere Teerklumpen bleibt hängen. Und es wird hart. Mittagshitze, runterbrennende Sonne, Steigung und frischer, schwarzer Asphalt. Puh, mein Kopf will platzen. Und es geht weiter rauf. Unser erhofftes Tagesziel San Isidro erreichen wir heute nicht. Einzige Chance bleibt La Cruz de la India. Doch da gibt’s keine Unterkunft. Halt, der Señor der Bar „Victor“ hat ein Cuarto. Wir fragen danach. Da gibt’s einen Raum, ein „Bett“ eine Latrine, Wassertonne zum sich Waschen. Doch im Moment hat’s gerade kein Wassser, Corte de Agua. Das ganze für 150 Cordobas. Was? Ich kann noch auf 120 Cordobas runterhandeln, weniger nicht. Nicaragua ist ein komisches Land. In den Touriorten hat’s gute, günstige Unterkünfte, im Hinterland verlangen sie horrende Preise für nichts. Eine verkehrte Welt. Aber so werden Gringos in so-quasi-Notlage ausgenutzt und in den Touriorten hat es zuviel Konkurrenz um die Preise hoch zu halten. Tja. Wenigstens gibt’s hier gute Unterhaltung, die kleine Tochter des Señors ist eine richtige Plaudertasche und sehr amüsant, wenn man sie denn versteht. Da kommt schon mal aus heiterem Himmel ein:“San Isidro no sirve para nada.“ Auf die Frage warum, meint sie nur, es gäbe wenigstens eine schöne Kirche da. Ok. Und es sind auch icht alle Nicas Abzocker, ein Señor mit einem Truck schenkt uns eine Gallone Trinkwasser. Zudem lädt er uns ein, bei ihm zu übernachten, wenn wir in Estelí bleiben wollen. Mal sehen. Die Señora kocht extra für uns, Reis, Rührei, Käse und eine Tortilla, aber auch das Esen ist teuer. In Nicaragua bleibt man am besten in den Touriorten oder sucht sich in den Dörfern besser eine Schule, Kirche oder einen sicheren Garten zum Zelten.
20.07.2011. In der Nacht geistet irgend ein Tier auf dem Blechdach herum, am Morgen liegen kleine Früchte in der Zimmerbodenmitte. Interessant. Zudem wird es gegen Morgen kalt. Wir sind doch auf ca. 500 m.ü.M. Auch in dieser geringen Höhe sind die Nächte schon merklich kühler. Als wir losfahren ist der Himmel bedeckt, doch es tut langsam auf. Die Chica in La Paz meinte ja, es würden bald 15 Tage ohne Regen folgen. Vielleicht jetzt? Es geht noch ein wenig rauf und runter, dann wird’s flach. Aber mit einem recht heftigen Gegenwind. Und die Sonne brennt bereits. Mein Magen ist wohl immer noch nicht ganz über den Limón-Bug hinweg, ich bin überhaupt nicht fit. Nach 23 km erreichen wir die Interamericana, nach weiteren 3 km San isidro. Und so unnütz ist der Ort doch nicht, an der Tankstelle können wir alle Wasserflaschen füllen. Dann geht’s weiter in die wolkenlose Hitze. Rein in die erste kurze Steigung, dann geht’s eine Weile flach weiter, um nochmals 10 km anzusteigen. Auf dieser Strekce sehe ich viel Gauchos oder Cowboys, oder wie auch immer sie sich hier nennen, Männer mit grossen Hüten und Lederstiefeln, oft auf gut genährten Pferden. Es hat ja auch wieder viele Kühe hier. Und noch etwas fällt auf. Immer wieder weisen Tafeln auf Entwicklungshilfeprojekte hin. Viele Länder sind hier am Unterstützen: USA, Canada, Japan, EU, Luxemburg, Norwegen, Deutschland und natürlich auch die Schweiz. Und immer wieder rufen die Kinder:“Dame un peso!“ Fast schon peruanisch hier. Wir erreichen ca 1’000 m.ü.M., dann geht’s runter nach Estelí auf 800 m.ü.M. Auf der Plaza essen wir zu Mittag. Bald sind wir natürlich von neugierigen Männern umzingelt. Einer setzt sich so nahe neben mich, dass ich mich eindeutig bedrängt fühle. Der Typ will Limonen verkaufen, ich will keine Limonen kaufen. Zudem richt er ziemlich streng. Einige sagen ihm, er solle gehen, aber er will nicht. Ich bin für Aufbruch. Wir fragen bei den Bomberos nach einer Übernachtungsmöglichkeit, doch das ist hier nicht so üblich. Oder vielleicht nicht, wenn es sich um zwei Frauen handelt. Dann schauen wir in der Tienda des Truckfahrers von gestern vorbei, doch der ist nicht da und der Dueño scheint jemand anderes zu sein. Na dann, Hostalsuche. Wieder eher teuer hier. Wir quartieren uns im Hostal Miraflores ein, es gibt mal wieder einen Strom- sowie Wasser-Corte.
Mein Ständer ist ja schon lange ziemlich überfordert, gestern ist er nun fast durchgebrochen oder -gerostet. Ich suche also einen Taller de Soldadura, eine Schweisserei. Die finde ich, aber es gibt ja gerade keinen Strom. Sobald der wieder kommt, fahre ich nochmals hin. Während zwei Jungs ca. 40 Minuten runwerkeln, schweissen und anpassen, werde ich fast von Mücken aufgefressen. Dann ist der geschweisste und sogar lackierte Ständer wieder montiert. Das ganze kostet mich 30 Cordobas (1.30 $). Es geht also auch anders. Ich frage noch nach einer Bicicleteria, denn das Vorderrad lodert auch etwas und ein Anziehen der Radachse brachte nichts. Doch nun schüttet es in Strömen, ich warte noch eine Weile. Als der Regen kurz etwas nachlässt, fahre ich durch Sturzbachstrassen zur Bicicleteria. Ich finde sie nicht gleich. Kein Wunder, es ist einfach ein Holzschüppchen, wo ein paar Chicos Bicis reparieren. Der Mecánico hat bald Zeit, meint dass der Hub gereinigt und gefettet werden müsste. Dann nimmt er den Hub auseinander, die Kugellager sind durch. Solche hat der Chico nicht, doch er ruft gleich einen Freund an, fährt gleich selbst mit dem Velo los, um sie zu holen. Zudem meint der Mech, dass die Speichen nachgezogen werden sollten. Macht er auch gleich, vorne und hinten. Und während der ganzen Zeit schauen immer wieder Typen in den Taller, schwatzen ein bisschen und wollen ihre Räder mit meinem tauschen. Wohl eher nicht. Danke der Nachfrage. Zurück im Hostal würde ich nun wirklich gerne duschen, aber es hat wieder kein Wasser. Manchmal ist in Nicaragua Geduld gefragt, andere Dinge gehen ganz schnell und unkompliziert, wie man sieht.
21.07.2011. Auch heute Morgen ist der Himmel bedeckt, als wir aufbrechen. In schöner Morgenstimmung geht’s eine Weile flach weiter, dann in 3 Steigungen hoch.
Es beginnt leicht zu nieseln, ich blicke vor mir auf einen ziemlich schwarzen Himmel. Doch als die Abfahrt beginnt, wir in ein Tal hineinfahren, verziehen sich die Wolken in eine andere Richtung. Die Landschaft ist bergig grün, eigentlich ganz schön.
Dann kommt uns ein Radler entgegen, Pedro aus Madrid. Er ist unterwegs von Vancouver nach Brasilien. Wir schwatzen eine ganze Weile, dann machen wir uns auf den Weiterweg. Nach weiteren 10 km erreichen wir Condega. Es geht weiter hoch und runter, nach weiteren 23 km kommt die Kreuzung Somoto – Ocotal. Es geht nochmals rauf, nun in vollem Sonnenschein. Am Strassenrand wieder einige bettelnde Kinder: „Dame un lapizero!“ „Dame un peso!“ Dame moneda!“ „Dame la bicicleta!“ Soweit kommt es noch. Die Kleinen nerven fast noch mehr als die „I love you“ und „Amor“ rufenden Männer. Heute zumindest. Doch es wird noch mühsamer, in einer Kurve betteln noch 3 ältere Chicos nach Kohle. Ich muss mich beherrschen, nicht eine unfreundliche Geste zu artikulieren. Das käme wohl eher schlecht an. Gegen 13 Uhr erreichen wir Somoto, wo’s auf Hostalsuche geht. Im Hostal Oriental lassen wir uns nieder, wieder mal gibt’s kein Wasser. Um 16 Uhr erscheint dort wie gerufen Guía Osma, bei ihm buchen wir für den nächsten Tag einen Trip in den Cañon de Somoto oder die Estrechura de Namancambre, wie er auch noch heisst.
22.07.2011. Kurz nach 8 Uhr holt uns Osma im Hostal ab. Das Taxi ist noch nicht da, kommt aber auch bald. Wir fahren 15 km bis zum Infocenter, dort zieht sich Osma um, dann geht’s per Taxi weiter. Bei einem Haus holt unser Guía noch zwei Schwimmwesten, in einem anderen eine wasserdichte Box. Das Taxi bringt uns noch etwas weiter, dann laufen wir eine Weile zum Río Tapacalí runter. Über Stock und Stein geht’s dem Flussufer entlang, dann über grosse Felsen. Vor mir öffnet sich die Schlucht.
Wir ziehen die Schwimmwesten an, unsere Sachen kommen in die Box. Dann ab ins Wasser. Ganz schön kühl. Es geht rein in die Schlucht. Tolle Landschaft, einzigartig in Zentralamerika. An den Felswänden nativer Wald, an den Steilhängen Bromelien und Orchideen. Diese Blühen zur Zeit leider nicht. Es geht weiter in die Schlucht, mal gehen wir, dann lassen wir uns treiben.
An den Felswänden schrecken wir Fledermäuse auf, die uns um die Köpfe schwirren. Das Ganze macht unheimlich viel Spass. Wir erreichen eine Flussgabelung. Hier entspringt aus den dem von Honduras her kommenden Rio Comalí und dem von uns gefolgten Rio Tapacalí der Rio Coco, grösster Fluss Zentralamerikas.
Das Wasser wird plötzlich ganz warm, doch bald ist’s wieder kühl. Osma gibt uns viel Infos zu Pflanzen und immer wieder dürfen wir Beeren oder wilde Früchte probieren. Er legt sich richtig ins Zeug, um an die Früchte zu gelangen, klettert auf Bäume. Ich muss dann einfach nur noch rauflangen. Weiter geht’s, im Wasser und zu Lande.
Wir klettern auf einen Felsen, dort essen wir unsere Sandwiches. Osma begibt sich wieder in den Fluss und wird in die Stromschnellen gerissen. Verlieren wir nun unseren Guía? Nein, mit einer Schramme am Bein steigt er auf der anderen Seite aus dem Wasser, um uns noch mehr Früchte zu holen. Was für ein Guía, bringt einem unter Einsatz seines Lebens etwas zu Essen. Da er selbst nichts dabei hat, bekommt er dafür Cracker und Kekse. Es geht weiter, Osma lotst uns durch den FLuss, bei Untiefen meint er jeweils: „Cuidado, esta seco“. Na ja, trocken ist wohl etwas übertrieben.
Osma kennt den Fluss wie seine Westentasche, der junge Guía ist ja auch direkt am Cañon aufgewachsen. Die Schlucht wird enger, bei wilderen Flussstellen klettern wir den Felsen nach oder der Wand im FLuss entlang. Dann stehen wir auf einer Platform. Hier heisst es nun 5 Meter runterspringen. Aber zuerst will Osma noch ein Foto machen. Er öffnet den Deckel der Box und ups, der Deckel jagt davon, in den Fluss, in die Stromschnellen. So ein Pech. Doch da kommt er wieder raus. Moni springt, schwimmt dem Dekcel nach. Osma klettert die Felswand hoch und lässt ein Seil hinunter. So kommt der Deckel wieder zu seiner Box. Zum Glück für unsere Sachen.
Die ganze Box wird nun mit Deckel abgeseilt, dann springe ich, Osma folgt. Hier ist die Schlucht nur noch ca. 10 Meter breit, die Wände 250 Meter hoch. Und wir mittendrin. Eindrücklich. Überall hat es Höhlen, viele Bunte Schmetterlinge begleiten uns.
Es ist alles ruhig hier, nur wir und die Natur. Echt toll. Dann eine Stromschnelle, hier heisst’s Arsch einziehen, ein grosser Stein ist gleich unter der Wasseroberfläche. Dann gerate ich in einen Wirbel, werde einfach zurückgetrieben. Mit etwas Krafteinsatz komme ich raus. Nun wird das Wasser ruhiger. Noch 5 Cuadras, gemäss Osma, oder 500 Meter, können wir uns treiben lassen oder schwimmen. Dann ist der Spass schon vorbei. Wie schade.
Wir leeren mal den Sand aus den Turnschuhen, dann laufen wir noch ca. 30 Minuten zurück, überqueren den Fluss noch einige Male. Osma zeigt uns, wo sein Elternhaus steht, oder zumindest die Richtung, dann sind wir auch schon wieder beim Infohäuschen. Wir laufen zur Panam, per Bus soll’s zurückgehen. An der Strasse wartet schon ein Franzose, der in Nicaragua hängen geblieben ist. Im Sammeltaxi geht’s schlussendlich zurück. 7 Personen und ein Bici in einem kleinen Auto. Osma begleitet uns zum Hostal. Wir geben ihm ein gutes Trinkgeld. Er ist ein Superguía und der Ausflug war spitzenklasse. Nur zu empfehlen. Und 20 $ für 6 Stunden, da kann man nichts sagen. Im Hostal gibt’s sogar Wasser. Ich repariere noch meine Vordertasche, dann duschen, Kleider waschen. Und irgendwie hat das Ganze doch müde gemacht. Es bleibt noch Zeit für eine Siesta. Bald schon schüttet es aus Kübeln, die Kleider werden gleich nochmals gewaschen. Nun, lieber jetzt Sturzbachregen als im Cañon. Der Regen hört wieder auf, wir gehen zum Parque. Hier ist nun 3 Tage Fiesta, überall hat’s Foodstände und Karusselle für die Kleinen. Diese Gefährte stammen auch aus etwas anderen Zeiten. Ein Wunder, dass sie mit Strom funktionieren.
Wir essen an einem Stand Gallo Pinto und ein frittiertes Teil, dann ein Stück Schoggikuchen. Später gibt’s noch einen Pio V (Pio Quinto). Ein interessantes Dessert aus Kuchen, Milch, Vanillecreme, Eiern und ein bisschen Rum. Schmeckt auf jenden Fall lecker. Und wie Pedro richtig sagte, man reist ja auch, um fremdes oder eben lokales Essen auszuprobieren. So ist es! Zurück im Hostal springt eine Maus in einer Tüte im Zimmer herum und flieht in die Weitern des Raumes.
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