23.03. – 14.04.2012. Der Besuch in der Schweiz ist ein ganz geheimer. Zumindest bis Ende März. Meine Mutter feiert ihren 60. Geburtstag und ich werde das Überraschunggeschenk sein. Da wir nun ja schon April schreiben ist das alles erfolgreich über die Bühne gelaufen und ich verbringe auch sonst eine ganz gemütliche Zeit „zu Hause“. Ich werde in dieser Zeit mit ganz leckern Dingen gemästet und Ostern mit den jeweiligen Schockoladeobjekten macht die Form-Situation auch nicht besser.
Zu diesem Besuch in der Schweiz gehört doch noch etwas Vorgeschichte. Das Jahr 2012 ist für meine Mutter und ihren Mann eines der runden Geburtstage. Er feierte im Januar seinen 70. Geburtstag, meine Mutter wird Ende März 60. Lange war klar, dass die beiden zu diesem Anlass ein Fest machen werden. Doch ich wusste lange nicht, wann und in welcher Grössenordnung. Denn der Gedanke, bei dem Fest zu erscheinen kreuzte immer wieder meine Gedanken. Auch Monikas Mutter feiert Ende April 2012 ihren 60. Geburtstag, zudem wurde Monika kürzlich Tante. Also auch für sie genug Gründe nach Hause zu fliegen. Immer wieder wiegten wir den Gedanken ab, bis wir uns schliesslich dazu entschlossen, nicht heimzufliegen. Das schlechte Gewissen nagte immer wieder und als mein Bruder ganz unerwarteterweise meinte, dass auch er mich liebend gerne wiedersehen würde, wurde die Idee wieder aktuell. Zu der Zeit fanden wir per Zufall einen günstigen Swiss-Flug und so war die Reise einen Tag später doch gebucht. Aber es war eine Geheimmission, denn wir wollten die Familien überraschen. Zu der Zeit, Ende Januar, befanden wir uns in Tijuana. Also hiess es nun, in zwei Monaten hoch nach Seattle zu fahren. Das bescherte uns einigen Stress und schlussendlich bleiben die Bikes dann in Seaside stehen. Wo sie immer noch warten.
23.03.2012. Und so startet die Reise auch wie vermutet in Seaside. Gegen 10.30 Uhr geht’s mit Chauffeur Neil bei schönstem Wetter los in Richtung Portland. Neil fliegt heute nach Las Vegas, so kann er uns gleich mitnehmen. Sobald wir vom Highway 101 in Richtung Inland fahren, beginnt die Strasse anzusteigen. Bis auf 1’309 Fuss geht’s hoch, auch hier immer noch winterlich verschneit. Zudem ziehen nun Wolken auf , doch als wir gegen 12.30 Uhr Portland erreichen, scheint wieder die Sonne. Wir treffen uns mit Neil’s Tochter Ann zum Mittagessen, dann will Monika noch in ein einen Buchladen. Gefährlich. Natürlich komme auch ich nicht mit leeren Händen raus. Dann fährt uns Neil zum Greyhound Terminal. Wir holen unser Ticket ab, dann heisst’s warten. Und weil man bei Greyhound zwar ein Ticket kauft, aber damit noch lange keinen Sitzplatz auf sicher hat, bleiben wir in Gatenähe. Dann eine abrupte Bewegung, einer steht vor die Türe und sofort bildet sich eine Schlange. Dann die Durchsage, dass der Bus mindestens 20 Minuten Verspätung haben wird. Aus 20 Minuten wird ein Stunde, doch dann öffnet sich die Türe und wir ergattern uns einen Sitz. Und bald geht die Fahrt in Richtung Seattle los. Der Himmel ist klar und bald kommt der Mount Hood in Sicht. Es folgen weitere schneebedeckte Riesen wie der Mount St. Helens und zum Schluss der Mount Rainier. Ein toller Ausblick. Pünktlich mit einer Stunde Verspätung kommen wir in Seattle an, wo wir auch gleich von unsrem Warmshower Vince und seiner Frau Kathy abgeholt werden. Was für ein Service.
24.03.2012. Noch ein Tag mit blauem Himmel. Was sonst. Wir hängen eine ganze Weile im Flagshipstore des REI herum. Ein guter Laden. Dann gibt’s noch etwas Sightseeing. Wir laufen zur Space Needle, einem Überbleibsel der Weltausstellung von 1962. Rauffahren auf die Aussichtsplattform kostet, 19 $. Wir betrachten das Teil also von unten und machen uns auf den Heimweg.
Schlussendlich finden wir auch noch die richtige Bushaltestelle. Der Bus kommt bald und ist voller Weirdos. Die Fahrerin ist selbst etwas seltsam, sie spricht die ganze Zeit übers Mikrophon, dann weist sie einen fluchenden Homeless ziemlich in die Schranken. Gibt’s in Zürich eigentlich auch so viele Weirdos? Ich werde es bald feststellen können…
25.03. – 27.03.2012. Wir verbringen noch 3 weitere Tage in Seattle. Es gibt noch einiges zu erledigen. Einen Tag verbringe ich bei Hilleberg in Redmond. Das Zelt hat in den letzten Jahren doch gut gelitten. Das Innenzelt wurde mir ja schon ersetzt, nun kommt das Aussenzelt an die Reihe. Dieses soll in die Reparatur. Shannon von Hilleberg nimmt mich am Morgen netterweise mit dem Auto mit ins Office. Dort wird das Zelt genauestens begutachtet und sie wechselt gleich mal die Gleiter der Reissverschlüsse aus. Ich bekomme Kaffee, dann notieren wir noch die Restlichen To-Do’s. Alles wird so schnell wie möglich erledigt werden, dann wird mir Shannon das Zelt nach Seaside schicken. Dort warten ja auch schon unsere Bikes auf uns. Dann fährt mich Shannon zum Busterminal in Redmond, wo mein Heimreiseabenteuer beginnt. Und ich muss wieder sagen, der Service bei Hilleberg ist wirklich klasse. Die Heimreise ist dann nicht so kompliziert wie angenommen und bald bin ich wieder „daheim“.
Auch die anderen Tage vergehen wie im Fluge und langsam kommt etwas Nervosität auf. Heimfliegen. Immer noch ein komischer Gedanke.
28./29.03.2012. Dann ist es soweit. Vince fährt uns netterweise zum Flughafen. Der Flug nach San Francisco wird von United Airlines ausgeführt, also lässt uns Vince da raus. Wir gehen zum Schalter, der nur interaktives Terminal ist. Das System erkennt die Flugnummer nicht. Die Angestellt meint, wir müssten bei Swiss einchecken. Wir laufen also durch das ganze Gebäude bis ganz ans Ende, dort hat’s einen Lufthansa-Schalter. Doch Lufthansa streikt. Also alles wieder zurück zu United. Pass scannen lassen, nix. Nun hilft uns ein Angestellter, das System findet unsere Namen und verlangt dann nach einem Angestellten. Die nächste Dame stellt uns ein Ticket aus. Von San Francisco nach Zürich. Unsere Buchung für Seattle – San Francisco findet sie nicht. Tja. Eine erste Suche plus Telefonat bleiben erfolglos. Dann hilft ihr ein Herr, es folgen weitere Telefonate und ca. 45 Minuten später ist unsere Buchung gefunden. Zum Glück. Nun dürfen wir durch die Passkontrolle, dann folgt die Gepächdurchleuchtung. Als mein Rucksack geröntgt wird, heisst’s „Baggage Check!“. Der Beamte ertastet meinen Rucksack. „What’s this?“ Der Beamte tastet weiter. „Carrots?“ Ja genau. Ich darf dann meine Kampfkarroten mitnehmen und nun geht’s in die Wartehalle. Dann Boarding und 1 h 40 min später sind wir in San Francisco. Dort ist alles ganz einfach, wir laufen einfach zum internationalen Gate. Der Swiss-Flug ist dann überpünktlich. Ein erster Schweizer Vorgeschmack? Alles ist perfekt, nur bestelle ich wohl nie wieder ein Veggie-Menu. Das wurde gleich ganz veganisch zubereitet und nun gibt’s nicht mal mehr leckere Dinge wie Butter, Käse, Joghurt oder Kaffeerahm. Dann gucke ich mir drei Filme an bis meine Augen schmerzen. An schlafen ist nicht zu denken. Die Landung in Zürich ist vor Plan, doch wir warten lange auf das Gepäck. Meine Tasche erscheint auf dem Band, doch auf Monikas Rucksack warten wir vergebens. Der ist anscheinend in San Francisco geblieben. Radfahren ist einfach so viel einfacher. Dann durch die Zollkontrolle. Und da ist er, mein kleiner Bruder. Wow, schön ihn nach 2,5 Jahren wieder in die Arme zu schliessen. Monika wird von ihrem Vater abgeholt und nun trennen sich unsere Wege. Christian und ich laufen zur Garage, ich nehme zielstrebig Kurs auf einen Audi mit österreichischem Kennzeichen. Hmm.
Wir fahren aus der Garage. Alles kommt mir so bekannt vor. Ein komisches Gefühl. Zu Hause? Obwohl ich die Gegend kenne, fühlt es sich einfach wie ein neuer Ort an, einen den ich kenne. Aber das Heimatfeeling bleibt aus. Komisch. Christian fährt mich heim, dann werde ich von ihm lecker bekocht. Nun, ist ja schliesslich mein Geburtstag.
30.03.2012. Oerlikon. Schweiz. Da sind wir also. Nach einer weiteren schlaflosen Nacht hänge ich zuerst einmal gemütlich in Christians Wohnung herum. Ein Kaffee, noch einer. Dann mache ich mich auf den Weg ins Zentrum von Oerlikon. Ich laufe durch die Strassen. Mit dem gleichen Gefühl wie gestern. Ein neuer Ort, den es zu erkunden gibt. Zumal ich die Gegend hier nicht besonders gut kenne. Im Stolz gibt’s neue Bremsbeläge, dann schlendere ich zum coop. Ich erschrecke gewaltig. Ein Fahrradfahrer sieht aus wie Walter, der Mann meiner Mutter. Vielleicht fährt er ja jetzt Rad? Nein, Glück gehabt. Ich bin ja auf Geheimmission. Ich gehe in den coop rein. Huch, der nächste Schock. Die Preise. So teuer ist die Schweiz also. Ich kaufe ein paar Schöggeli für unsere amerikanischen Gastgeber. Das reicht. Dann etwas Rumschmöckern im Bächli Bergsport. Ohne Erfolg. Nun, das kann man natürlich auch drehen. Erfolg fürs Portemonnaie. Langsam fallen mir fast die Augen zu. Ich laufe heim und mache es mir wieder bei meinem Bruder gemütlich. Später hüpfe in die Badewanne. Wie lange habe ich auf diesen Moment gewartet. Schööööön! Obwohl sie etwas kurz ist. Dann will ich Siesta halten, aber nun bin ich wieder hellwach. Elender Jetlag. Bald kommt mein Bruderherz heim und bekocht mich wieder. Ein perfekt gemütlicher Tag.
31.03.2012. Und nun ist er da, dieser 31. März, der grosse Tag. 60. Geburtstag meiner Mama. Ein bisschen nervös bin ich schon, muss ich gestehen. Christian hat am Vorabend einen riesigen Blumenstrauss besorgt. Hinter dem möchte ich mich verstecken. Zuerst aber lerne ich noch Tanja kennen, Christians Freundin. Eine nette Begegnung. Und dann geht’s los, nach Glattbrugg. Im Restaurant Mamma Mia findet das Fest an diesem wunderschönen Frühlingstag statt. Natürlich stehen alle draussen rum. Schlecht. Christian parkiert ganz hinten im Schutz des Gebäudes. Walter, der Mann meiner Mutter steht da, doch sie selbst ist nirgends zu sehen. Was nun? Da ist der Kücheneingang. Wir klopfen, sie lassen uns da durch. In die Vinothek. Alles leer. Wo ist denn die Mama? Ah, nun steht sie da draussen. Ab hinter den Blumenstrauss und neben Christian raus. Tanja wartet drinnen. Walter sieht mich und ruft natürlich gleich los. Also schnell die Mama umarmen. Sie freut sich riesig und dann kommt auch schon ein:“Ich habe fast vermutet, dass du kommst.“ Diesen Satz höre ich heute noch aus vielen Mündern. Nun, die Überraschung ist trotzdem gelungen. Alles gut. Nun gehen wir über zum Apéro und ich begrüsse Familie und Bekannte. Zum Schluss trifft Walters Tochter Patrizia mit den Zwillingen ein. Diese zwei sehe ich heute auch zum ersten Mal. Die beiden schauen noch etwas skeptisch drein.
Ab sofort ist das Nani total absorbiert und in ihrem Element. Wir werden reingebeten und das gemütliche Beisammensein geht weiter. Ich unterhalte mich sehr gut und sehe wirklich einen grossen Teil der Familie so ganz aufs Mal wieder. Götti, Tanten und Onkel. Ein schönes Fest.
Am späten Nachmittag nehmen die Leute langsam Abschied und später an diesem Abend ziehe ich zu meiner Mutter und Walter. Hier übernachten heute auch die Zwillinge. Da ist also noch länger Action angesagt.
01.04.2012. Für mich gibt es eine weitere schlaflose Nacht. Damn Jetlag. Die Zwillinge sind auch schon früh wach und sorgen für gute Unterhaltung am Frühstückstisch. Danach komme ich auf die wahnsinnig tolle Idee, joggen zu gehen. Nach mehr als drei Jahren das erste Mal. Kein Wunder bezahle ich dies später mit einem fiesen Muskelkater. Und wegen einer starken Erkältung, die schon auf dem Anmarsch ist, findet das ganze auch keine Fortsetzung. Die Erkältung wird mich fast zwei Wochen ausser Atemgefecht setzten.
02.04.2012. Diese Nacht kann ich wegen starken Halsschmerzen nicht schlafen. Aber ich habe ja Ferien. Da ist Schlafmangel kein Problem. Gegen Mittag mache ich mich auf den Weg nach Wädenswil. Heute besuche ich meine ehemalige Arbeitskollegin Berit mit ihrem Söhnchen Gian. Auf die zwei bin ich sehr gespannt. Im Zürcher HB gibt’s einen kurzen Zwischenstopp in Sprüngli. Im Auftrag von Berit darf ich was zum Dessert kaufen. Fein! Dann weiter nach Wädenswil. Dort treffe ich auf Berit und zum Esten Mal sehe ich Gian. Ein ganz herziger Bub. Natürlich ist es auch schön, Berit nach so langer Zeit wieder zu sehen. Es kommt mir überhaupt nicht so vor, als hätten wir uns 2,5 Jahre nicht gesehen. Wir unterhalten uns gut, natürlich auch über unsere alten Interbrand-Zeiten. Und ich werde mit leckeren Dingen versorgt. Selbstgebackener Zwiebelkuchen, danach gibt’s Kaffee und natürlich das Sprüngli Dessert. Vielen Dank liebe Berit!
03. – 08.04.2012. Die nächsten Tage verbringe ich mit diversen Besuchen in Zürich und Umgebung. So ein Ticket in die Stadt ohne Halbtax kostet ein halbes Vermögen. Wahnsinn! An das schweizerische Preisniveau werde ich mich in diesen zwei Wochen sicher nicht gewöhnen können. Zürich ist jeweils busy, auch mitten am Nachmittag schwirren die Leute sehr geschäftig umher, während ich gemütlich durchs Getümmel schlendere. Was für eine Welt. Und so viel Stress. Auch daran möchte ich mich im Moment nicht gewöhnen. Aber so bin eigentlich die ganze Zeit beschäftigt. Und dann geniesse ich natürlich das warme Haus in vollen Zügen. Mit so einer Erkältung schon etwas Nobles.
Über die Ostertage ist dann Familienleben angesagt. Den dicken Schneeflocken zuschauen, Blumen einkaufen mit Mama, spazieren gehen (das joggen versuche ich nicht mehr) und essen. Essen sowieso ein Thema für sich. Ich werde hier richtig gemästet und mit den leckersten Dingen bekocht und gefüttert. Die Waage wird nach diesen zwei Wochen ganz schön geschockt sein. Gut, dass es nun bald wieder aufs Rad geht…
Am Ostermontag bekomme ich noch hohen Besuch von meiner besten Freundin Katharina. Mensch freue ich mich sie wiederzusehen. Doch zuvor schaut noch jemand anderes vorbei. Vor der Terrassentür sehe ich eine kleine rote Katze. Ich öffne die Tür und schon ist sie reingehuscht, erkundet frech das ganze Haus und setzt sich dann auf den Stuhl vor meinem Computer. Freches Ding. Ich schubse sie raus und schliesse die Tür. Da sitzt sie dann lange davor und miaut kläglich. Du wohnst hier aber nicht, keines Ding. Dann fährt auch schon Katharina vor. Wir fallen uns um den Hals. Wow, wie schön das doch ist.
Bei Kaffee tauschen wir sofort alle wichtigen Neuigkeiten aus. Es ist so, als hätte ich sie erst gerade gesehen. Schon verrückt. So vergeht die Zeit wie im Flug und bald schon muss meine Freundin wieder zurück. Doch ich sehe sie ja nun bald wieder…
10.04.2012. Der letzte Tag in der Schweiz erstrahlt in schönstem Sonnenschein und mit ziemlichem Föhneinfluss. Das heisst die geliebten Berge erscheinen heute besonders nahe. Ein netter Abschied.
Abends kommt noch meine Cousine mit ihrem Freund zum Nachtessen. Sie ist ebenfalls radverrückt und will bald von der Schweiz nach Spanien und wieder zurück radeln. Zum Schluss schaut auch mein Bruder nochmals vorbei, um sich zu verabschieden. Es war wirklich schön, alle weiterzusehen. Vielen herzlichen Dank!
Nun hoffe ich, dass die Rückreise nach Seattle via Chicago ohne grosse Zwischenfälle verläuft. Denn unser Flug von Chicago nach Seattle wurde von der Swiss schon mal netterweise einfach umgebucht, nun kommen wir erst um 22.30 Uhr in Seattle an. Aber wir haben dort wirklich einen supernetten Warmshower. Vince wird uns trotz später Ankunft am Flughafen abholen kommen. Vielen Dank! Und dann geht’s per Greyhound wieder nach Seaside, wo unsere Bikes und Warmshower Neil auf uns warten. Und natürlich die nächste Etappe der Reise bis nach Bellingham.
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