12.08. – 26.08.2012. 723 km. Das erste Mal, dass wir mit jemandem zusammen fahren wollen, stellt sich als nicht ganz so einfach heraus. Nach Anfangsschwierigkeiten klappt es dann aber doch und wir geniessen Gesellschaft und Entertainment von gleich zwei Clowns. Definitiv mal was anderes. Zusammen geht’s nach Jasper und dann auf dem wundervollen Icefields Parkway in Richtung Banff. Wir geniessen Wetterglück, sind auf der Flucht und fahren durch wirklich atemberaubende Landschaften. Ein kanadisches Highlight.
Route: Prince George – McBride – Dunster – Jasper – Saskatchewan River Crossing – Lake Louise – Banff
12.08.2012. Die nächste Etappe nimmt einen späten Start. Grund: Wir wollen heute nur ca. 35 km fahren und uns bei der Willow River Recreation Site mit Alvaro und Pablo treffen und morgen gemeinsam weiterfahren. So der Plan. Gemütlich stehen wir auf und Richard möchte uns bei einem Frühstück im A&W noch seinem Freund Bob vorstellen. Normalerweise lösen die beiden einmal pro Woche ein kryptisches Kreuzworträtsel, heute verzichten sie darauf. Danach ist es Zeit die Bikes zu beladen. Man könnte wieder einmal meinen, es sei eine Hungersnot ausgebrochen, so vollbeladen mit Food sind wir. Und dann kommen noch die drei Brote dazu, die Richard extra für uns gebacken hat. Gegen 12 Uhr rollen die zwei Foodtrucks auf dem Highway 16 aus Prince George aus. Der Schweiss rinnt bald an diesem weiteren sonnigen Tag, zumal es auch noch oft raufgeht. Nach guten 35 km folgt die Willow River Rest Area. Nun, das ist keine Recreation Site, aber mal sehen, ob die Jungs hier sind. Wir fahren den steilen Hang runter. Nette Site, aber keine Clowns. Nun, wir sind jetzt auf jeden Fall hungrig und schneiden unser erstes Sauerteigbrot an. Eigentlich wollten wir es mit den Jungs teilen, wir haben auch sonst noch Extras gekauft, aber dann essen wir heute eben alleine. Danach pumpe ich noch Wasser aus dem klaren Willow River. Wir fahren wieder hoch auf den Highway und fahren in eine andere Seitenstrasse. Keine Jungs. Etwas weiter, da hat es eine North Willow River Forrest Service Road. Die wird es ja nicht sein. Was für ein Start für die gemeinsame Etappe, zumal die beiden ja unbedingt mit uns fahren wollten.
Na ja, wir fahren weiter, wollen noch ein paar Kilometer gutmachen. Nach weiteren ca. 30 km folgt die Bowron River Rest Area. Wir pumpen nochmals Wasser. Eigentlich ist es hier wirklich hübsch und es ist doch schon fast 18 Uhr. Bleiben wir doch einfach. Wir kochen zuerst, dann stellen wir das Zelt auf, denn eigentlich ist campen hier nicht erlaubt. Aber einen älteren Herrn mit Wohnwagen scheint dies auch nicht zu interessieren. Morgen werden wir mal sehen, ob wir auf die Jungs treffen und was für eine Ausrede sie bereit haben.
13.08.2012. Bei etwas verhangenem Himmel starten wir. Wenn wir Dunster in 2 Tagen erreichen wollen, müssen wir etwas Gas geben, zweimal ca. 95 km. Doch schon nach guten 6 km folgt das Purden Lake Resort mit Restaurant, Kaffee inkl. Refill. Danach geht’s zur Sache. Hügelig, manchmal fast flach und mit einigen längeren Steigungen. Bei der folgenden Baustelle dürfen wir heute durchfahren, dort folgt auch die Steigung auf den Sugarbowl Hill. Der Vorteil dieser Baustelle ist nun, dass der Verkehr danach schubweise kommt und dazwischen Ruhe herrscht. Doch ganz allgemein hat es hier sowieso viel weniger Verkehr als vor Prince George, die ganzen Logging- und Pellettrucks fuhren nach Prince George und der Seitenstreifen ist sehr gut.
Nach knappen 60 km der Ancient Forest, doch den lassen wir aus Zeitgründen aus. Nach guten 60 km folgt die Slim Creek Rest Area, eine 5* Anlage. Hier essen wir zu Mittag und pumpen danach noch Wasser aus dem klaren Fluss. Nun sollten wir nochmals etwa 30 – 35 km fahren. Es folgen weitere lange Steigungen und irgendwie kein guter Campplatz. Der Himmel ist schon den ganzen Tag grau-diesig verhangen. Seltsam. Nach 107 km die Lasalle Rest Area. Steil geht’s den Hang hinunter zum See. Wir stellen das Zelt auf uns schon beginnt’s zu regnen. Tja. Nun meint ein Herr, hinter uns wären noch 2 Ciclistas, einer mit einem Argentinien-Shirt. Hinter uns? Que pasó? Etwas später fahren die beiden tatsächlich ein. Total erschöpft. Die Stimmung ist gespannt. Was ist passiert? Die beiden waren bei der Willow River Recreation Area, die aber am Highway nicht signalisiert ist. Und sind heute 140 km gefahren, weil sie noch in jeder Seitenstrasse nach uns gesucht haben. Dumm gelaufen. Jeder verzieht sich in seine Ecke, die Friedensgespräche verlaufen nach dem Nachtessen. Was für ein guter Start für das gemeinsame Fahren.
14.08.2012. Es regnet die ganze Nacht über, auch um 7 Uhr tropft es noch. Gegen 7.30 Uhr wird der Regen schwächer, wir packen zusammen. Doch bald regnet es wieder.
Alvaro ist schon fröhlich pfeifend am rumwuseln, von Pablo’s Site ist noch keine Bewegung zu erfassen. Kurz vor 10 Uhr sind wir startklar. Wir sollen vorfahren, spätestens in McBride wollen wir uns beim Visitor Center treffen. Wir fahren den steilen Hang wieder hoch, was fast zu einem Hitzekollaps führt. Im strömenden Regen fahren wir lange einen Hügel runter, Brücke überqueren und lange wieder rauffahren. Da ist auch schon ein Ciclista hinter uns. Alvaro. Er passt jetzt wohl auf, dass wir nicht wieder abhauen. So fahren wir eine Weile vor uns hin, Alvaro voraus. Nun hört der Regen langsam auf, Zeit für eine Pause. Nach einer Weile überholt uns Pablo, er wird in McBride auf uns warten. Gut. Das bis anhin enge Tal öffnet sich nun langsam und wird besiedelter. Nach 50 km erreichen wir McBride. Beim Visitor Center kein Pablo. Alvaro will ihn suchen gehen. Wir warten. Und warten. Lange Zeit später kommt Alvaro zurück, ohne Pablo. Wird Alvaro das ganze Zusammenfahren überstehen? Doch dann taucht Pablo auf. Alle 4 Schäfchen wieder beisammen. Weiter geht’s durch das nun weite Tal, fast flach, mit Rückenwind und immer mehr Sonne. Herrlich. Gegen 17 Uhr biegen wir nach Dunster ab. Steil geht’s runter. Nach längerer Suche finden wir Warmshower Bonnie’s und Curtis‘ Haus. Was für ein wundervoller Ort. Grosszügig, viele Blumen, und auf der grossen Wiese stehen drei Planwagen aus Montana. Diese dienten früher als Unterkünfte für die Schafhirten, nun sind sie als originelle Schlafkabinen hergerichtet.
Zudem hat’s noch eine kleine Cabin mit Dusche. So bekommt jeder eine eigene Bleibe. Was für ein Luxus. Zum Abendessen bäckt Bonnie 4 riesige Pizzas, die selbst 4 hungrige Ciclistas nicht essen können. Wow!! Bonnie braut auch noch ihr eigenes Bier. Einfach genial. Und so gemütlich, dass wir kurzerhand beschliessen, hier einen Tag zu bleiben.
15.08.2012. Ich schlafe im Haus. Mit dem Klo. Um 8 Uhr höre ich die Türe aufgehen. Alvaro. Frühaufsteher. Kurze Zeit später stürzt auch Pablo rein. Das ist der Nachteil an der Cabin. Na ja. Selbst ausgewählt. Dann stehe ich eben auch auf. In Bonnie’s Haus gibt’s Kaffee. Hmmm! Bonnie hat auch noch selbstgemachte Brötchen bereitgestellt. Die müssen nur noch gebacken werden. Was für eine sensationelle Gastgeberin. Nun ist Zeit für etwas Arbeit, dann für Nichtstun. Ich liege faul in der Gartenschaukel, als auch Curtis auftaucht. Ein interessanter Mann mit einem ganz speziellen Hobby. Er fängt und markiert Kolibris. Jedes Jahr kennzeichnet er so ca. 200 – 300 Kolibris, die in dem bunten Garten nisten. Die meisten der hier geschlüpften Vögel sind schon auf dem langen Weg nach Mexiko, doch einige Spätzünder sind noch hier. Curtis fängt den kleinen Vogel, legt ihm sozusagen eine Minizwangsjacke an, wiegt und vermisst ihn, bestimmt Geschlecht und Art und bestückt ihn mit einem winzigen Fussring mit einer Kennnummer. Dann darf ihn einer von uns halten. Eine total beeindruckende Erfahrung, wie der winzige Vogel ihn der Hand liegt.
Die guten 3 Gramm spürt man nicht, doch das kleine Herz pocht rasend schnell und spürbar. Dann mit einem Mal ist er weg. Und macht sich auf den Weg nach Mexiko. Ein Wunder, dass der winzige Vogel, von Blume zu Blume fliegend, seinen weiten Weg findet. Später gibt es wieder ein totales Luxusnachtessen. Curtis brät auf dem Grill drei Hühnchen, Bonnie macht Kartoffeln, Gemüse, Salat und Brötchen.
Was für ein Ort und was für herzliche Gastgeber. Ich bin doch immer wieder baff, wie grosszügig Leute sein können. Und die beiden interessieren sich extrem für unsere Geschichten, stellen neugierig Fragen und haben in dieser Zeit wohl doch nicht die Chance, alles zu erfahren, zumindest nicht von Alvaro und Pablo. Die zwei haben ja wirklich unendlich viele Stories auf Lager
16.08.2012. Bonnie zaubert am Morgen nochmals ein Wahnsinnsfrühstück auf den Tisch. Ich kann nur wiederholen, was für tolle Gastgeber die beiden sind. Ganz herzlichen Dank!!! Gegen 10.30 Uhr sind dann auch alle startklar und wir verabschieden uns von Bonnie und Curtis an diesem wunderschönen Spätsommertag. Steil geht’s wieder auf den Highway rauf, dann weiter in dem breiten Tal. Nach ca. 40 km beginnen die Steigungen. Soviel habe ich schon lange nicht mehr geschwitzt. Dann öffnet sich der Blick auf den gewaltigen Mount Robson, mit 3’954 Meter der höchste Berg der kanadischen Rockies. Was für ein Anblick. Kein Wölkchen trübt die Sicht.
Bald folgt eine weitere, schweisstreibende Auffahrt auf ca. 1’000 m.ü.M. Gegen 16 Uhr essen wir zu Mittag. Nun, Alvaro, Monika und ich, Pablo ist vorausgerast. Doch ironischerweise sehen wir ihn dann nur ein paar hundert Meter weiter bei einer Seitenstrasse auf uns warten. Wir testen gleich mal, ob sich da evtl. ein Campplatz befindet. Gleich neben den Bahngeleisen. Zwei Bahngeleisen. Zum Glück kommt gerade einer der ewig langen Züge. Da will man nicht daneben schlafen. Also wieder rauf zum Highway und weiter entlang des Moose Lakes. Gegen 19 Uhr finden wir einen geeigneten Zeltplatz beim Moose River Trail Head. Wir hatten ja noch in Prince George vereinbart, dass die Jungs, wenn sie mit uns reisen wollen, nicht beim Zelt kochen dürfen. Wir machen das aus Bär-Sicherheitsgründen seit Alaska. Alvaro hat keine Probleme damit und sogar Pablo hält sich daran, aber ihr Essen lassen sie dann doch an den Bikes hängen. Na ja. Wir machen es wie immer, die Bär-Routine wollen wir beibehalten. Und sollte einer kommen, dann fällt er wohl sowieso das Smelly-Gepäck der Jungs an.
17.08.2012. Die Nacht ist kühl, d.h. am Morgen gibt’s Kondenswasser. Doch bald scheint die Sonne und wir lassen das Zelt etwas antrocknen. Dabei stelle ich fest, dass eine Seite Flecken hat. Und Löcher. Hm? Nicht gut. Gestern bemerkte ich schon eklige Ölflecken. Das Zelttrockenen in Bonnies Werkstattschuppen in Dunster war wohl eine schlechte Idee. Es windete ziemlich stark und das ganze muss mit Öl und einer Säure in Kontakt gekommen sein. Da muss ich wohl das Aussenzelt auch bald ersetzen. Nun, kurz nach 9 Uhr fahren wir vor den Jungs in einen weiteren heiteren Tag. Vorbei am türkisfarbenen Fraser River und tollem Bergpanorama. Schön. Bald folgt ein leichter Anstieg auf den Yellowheadpass auf 1’225 m.ü.M., dann die hügelige Abfahrt in Richtung Jasper.
Kurz vor dem Ort das erste Nationalpark Gate. Wir sagen, wir fahren nach Hinton und weiter nach Edmonton und sparen uns eine Tagesgebühr. Dann die Einfahrt in Jasper. Oder Disneyland? Es wimmelt von Touristen und alles sieht wie geschleckt aus. Total fremd. Im Park vor der Visitor Information wollen wir zu Mittag essen. Pablo fühlt sich etwas gestresst von den Blicken der vorbeilaufenden Leuten. Von einem kanadischen Biker, der an einem Stand für MS-Kranke sammelt, bekommen wir einen Hamburger spendiert. Danach wollen wir uns Infos zum Nationalpark holen. Zudem wollen wir wissen, wie wir in den Park kommen. Normalerweise zahlt ein Erwachsener 9,80$ pro Tag. Wir würde also gute 40$ für einen Tag bezahlen. Ich frage mal nach, ob wir auch als „Familie“ reinkommen. Denn ein Auto mit bis zu 7 Personen bezahlt nur 19,80$. Ist das Gerechtigkeit gegenüber dem Fahrradfahrer? Nach einigem Herumfragen dürfen wir dann als „Familie“ eintreten, wenn wir nahe zusammenbleiben. Das ist sicher das kleinste Problem… Dann stocken wir noch den Proviant auf und nun folgt der interessante Teil. Wir wollen nämlich gleich nach Jasper „wild“ campen. In einem Nationalpark natürlich illegal. Kurz nach dem Dorf checken wir einen Hiketrail. Weiter hinten können wir gut drei Zelte versteckt aufstellen. Doch erst später. Zuerst gibt’s nun ein Bad im eiskalten Athabasca River. Das tut gut. Danach folgt der totale Moskito-Angriff. Wie war das jetzt? Im August soll es weniger von den Blutsaugern haben? Dann möchte ich nicht vorher hiergewesen sein. Langsam wird’s Zeit zum kochen und in der Dämmerung können wir dann auch die Zelte aufstellen.
18.08.2012. Wir sind kurz nach 9 Uhr startklar, Pablo hat noch nicht einmal gefrühstückt. Etwas suboptimal, denn wir wollen ja als „Familie“ durchs nächste Nationalpark Gate. So bezahlen wir knappe 5$ pro Person anstelle von 9,80$. Nun, für einen Tag. Mehr wollen wir nicht bezahlen. Monika und ich fahren schon mal los, wir wollen uns beim Gate treffen. Wir verfahren uns noch kurz und beim Gate wartet Alvaro dann schon. Von Pablo noch keine Spur. Dann erscheint dieser auch noch und wie geplant geht’s dann ohne Probleme durchs Gate. Pablo bezahlt schlussendlich überhaupt nichts, denn er verkauft der netten Dame eine seiner Muñequitas im Wert von 5$. Nach dem Gate folgen noch ein paar flache Kilometer, dann steigt die Strasse langsam aber stetig an. Vorbei am graublauen Athabasca River und tollem Bergpanorama. Pablo rast wieder voraus, Monika und ich wollen es im Park gemütlich nehmen und uns die Sehenswürdigkeiten anschauen. Wie die Athabasca Falls.
Doch da werde ich von dem Touristenstrom fast erschlagen. Noch mehr Disneyland. Und Hunderte von Japanern und Koreanern die stundenlang Fotos von sich selbst in zig Positionen schiessen müssen. Als normalerweise einsamer Ciclista ist man sich ein solches Szenario nicht mehr gewohnt. Danach geht’s weiter. Pablo wartet bei einer hübschen Rest Area und ist wohl etwas genervt, weil wir so lange brauchen. Nun, wenn er rasen will, dann soll er. Alvaro hat mit unserem Tempo wohl keine Probleme. Und schlussendlich war es die Idee der Jungs, mit uns zusammenzufahren. Nun, bei der Sunwapta Lodge füllen wir Wasser auf. Dann schauen wir uns die Fälle an und danach ist Campsuche angesagt. Einige Meter weiter führt eine Strasse zum Fluss runter. Doch da unten stehen Rafting Busse. Wir fahren weiter. Da fahren die Busse hoch und der hintere Fahrer schliesst das Gate. Ha, was für ein Timing. Wir fahren noch ein wenig weiter, bis die Busse ausser Blickweite sind, dann geht’s zurück und zum Fluss runter. Ein wunderschöner Ort direkt am Sunwapta River gelegen.
Es war ein weiterer heisser Tag und ein Bad im eiskalten Fluss belebt Körper und Geist und wäscht das Salz von der Haut. Herrlich. Danach wird im Quartett gekocht und mit grosser Wahrscheinlichkeit wird uns Pablo morgen verlassen. Er will Kilometer machen, wir geniessen. Alvaro wird sich entschieden müssen, ob er mit uns oder Pablo weiterfahren will. Das Zusammenfahren ist keine einfache Sache.
19.08.2012. Heute Morgen geht alles schnell, die Rafter könnten ja kommen. Pablo stellt heute sicher seinen Startrekord auf. Er wird uns heute definitiv verlassen. Monika und ich fahren schon mal voraus, Alvaro und Pablo holen uns bald ein. Pablo verabschiedet sich und ist bald nur noch als kleiner Punkt am Strassenhorizont zu erkennen. Es geht noch eine Weile geradeaus, weiter dem Sunwapta River entlang. Mit einem Mal weitet sich das Tal, in der Ferne sieht man einen ersten Gletscher des Columbia Icefields. Im weiten Tal spiegeln sich die Berge im klaren Wasser. Was für ein Anblick.
Bald folgt eine steile, lange Steigung. Wohl die erste „richtige“ Stimmung seit Ewigkeiten. Der Schweiss läuft mir in Strömen runter. Doch nach einer Weile sorgt ein Wasserfall für eine Atem- und Erfischungspause. Dann ist der höchste Punkt erreicht und es geht steil den Berg runter. Plötzlich steht was in der Strassenmitte. Ein grosser Mountain Sheep Bock. Ein gewaltiges Tier, das geschickt den losen Steilhang hochklettert.
Es folgt eine weitere Ebene, nun mit starkem Gegenwind. Wir nähern uns dem Columbia Icefield. Es wird kühl. Beim Icefield Center essen wir zu Mittag, danach geht’s nochmals leicht rauf auf den Sunwapta Pass auf 2’030 m.ü.M. Dann die rasante Abfhart zum Nigel Creek Parkplatz. Dort beginnt ein Hiking Trail. Hier ist Backcountry Camping nur mit Wild Permit erlaubt. Wir folgen demselben eine Weile lang und finden einen netten, versteckten Campplatz. Wir fahren noch etwas weiter und neben einer Warden Cabin!! mit Feuerstelle und Tisch lassen wir uns schlussendlich auch ohne Wild Permit nieder. Alvaros Idee. Im nahen, eiskalten Bächlein waschen wir uns den Schweiss vom Körper. Heute ist das Wasser wirklich eiskalt. Zudem sind wir hier auch relativ hoch oben, auf ca. 1’800 m.ü.M., so wird es bald kalt und bei einem Lagerfeuer lassen wir den Tag gemütlich ausklingen.
20.08.2012. Die Nacht auf 1’850 m.ü.M. ist kühl. Endlich kann ich mich mit dem ganzen Schlafsack zudecken. Nur der Buckel der schon wieder geplatzten Matte ist eher unbequem. Ich würde also sagen, dass Exped-Matten nicht viel taugen. Die dritte, die geplatzt ist. Nach nur ca. 4 Monaten. Der Morgen ist auch noch kühl, doch bald wärmt die Sonne etwas auf. Wir frühstücken und packen zusammen, als ein Pick-up vorfährt. Ein Ranger. Oder wie man hier sagt, Warden. Der ist überhaupt nicht begeistert, uns hier zu finden. Monika steht am nächsten beim Weg, weiss nichts zu sagen. Alvaro hat gerade die Zahnbürste im Mund, versucht dann aber mit dem Warden zu reden. Doch Howard lässt nicht mit sich reden, macht kehrt und meint, er rufe die Polizei. Dann braust der Pick-up davon. Wir packen schnell zusammen und machen uns auf den Weg. Auf die Flucht. Zurück auf den Highway. Nun, wenn sie uns finden wollen, dann tun sie dies sowieso. Wir können uns nicht verstecken. Die Strasse fällt nun steil runter, vorbei an einer gewaltigen Felswand. Immer weiter fahren wir runter und erreichen das noch im Schatten liegende Tal, zuerst ist es noch eng, dann öffnet es sich wieder und der türkise North Saskatchewan River kann seine Arme ausbreiten. Ein toller Anblick.
Diese Strecke ist schon ein absolutes Highlight, selbst wenn man auf der Flucht ist. Langsam legt sich die Nervosität ein bisschen, zumindest bei Monika und mir. Alvaro hatte mit dem Ganzen sowieso weniger Probleme. Später wird es wieder hügelig und das Bergpanorama wechselt ständig. Nach 40 km erreichen wir Saskatchewan River Crossing. Auf einem Parkplatz weit hinten machen wir Pause, gut versteckt, falls der Ranger kommt. Bis jetzt ist noch nichts passiert. doch ein zweites Mal wollen wir nicht beim illegalen Campen erwischt werden – man merke sich deshalb, nie neben einer Warden Cabin ein illegales Lager aufschlagen – daher steuern wir heute einen offiziellen Campground an. Alvaro entdeckt auf seiner Karte den Silverhorn Campground, der auf den anderen Karten nicht erscheint. Nun, hier soll es auch eine Warden Station geben, fragen wir doch da nach. Ha! Da ich am Morgen am weitesten weg stand, werde ich fragen gehen, falls Howard da ist. Doch die Station ist erst am Fluss unten. Wir fahren also runter zum North Saskatchewan River. Wieder öffnet sich das Tal mit fantastischem Blick auf die Flussarme. Danach folgt die Warden Station. Wir fahren hin, kein Howard da, dafür zwei andere Wardens. Beide sehr nett, doch auf die Frage, was man als Ciclista mache, wenn ein Campplatz voll ist, haben beide keine wirklich Antwort. Der eine meint zwar, man könne dann auf dem nächsten Ausstellplatz übernachten, aber das ist ja auch keine Lösung. Aber heute seinen die Campgrounds sowieso nicht voll und der Silverhorn Campground, ein Overflow Campground des Waterfowl Lake Campgrounds, sei offen. Den Silverhorn Campground werden wir in dem Fall ansteuern, denn beim Waterfowl Lake wohnen die Ranger. Und Howard wollen wir jakein zweites Mal begegnen. Nun wird die Strasse hügeliger und es kommt starker Gegenwind auf. Bald folgt der Waterfowl Lake. Wieder ein atemberaubender Anblick. All diese verschiedenen Blautöne.
Wir essen zu Mittag, dann machen wir uns auf den Weg zum Silverhorn Campground. Der ist auf, aber es gibt kein Trinkwasser. Das kann man sich beim 5 km entfernten Waterfowl Lake Campground holen. Ein Witz. Immerhin hat es ein klares Flüsschen in der Nähe und eine eher zerfallene Walk-in Campsite. Und bezahlen ist ja immer noch optional. Zumindest für Alvaro und mich. Wir nehmen mal ein Couvert mit. Wir machen es uns zusammen mit ein paar Tausend Mücken gemütlich und nach einem Bad im nicht so kalten Flüsschen fühle ich mich gleich viel besser. Immerhin hat es hier Aufhängevorrichtungen für den Food. Wenigstens etwas.
21.08.2012. Am Abend donnert und blitzt es, aber es regnet die ganze Nacht über nicht. Der Morgen ist bewölkt und diesig. Bald folgt der Anstieg auf den auf 2’067 m.ü.M. gelegenen Bow Pass. Wir haben gestern wohl schon gut an Höhe gewonnen, denn wirklich anstrengend ist diese Auffahrt nicht. Angenehmerweise ist es auch nicht allzu heiss. Auf dem Pass biegen wir rechts zum Peyto Lake ab. Den blauesten Sees Kanadas wollen nicht verpassen. Nun geht’s steil rauf zum Busparkplatz. Der ist natürlich voll und bei der Aussichtsplatfom kommt mir wieder fast das Grauen. Total überfüllt mit Japanern und anderen Touristen und alle wollen sie natürlich Millionen von Fotos von sich und dem Gewässer. Rein ins Getümmel und schnell wieder raus.
Wir verbringen trotzdem noch eine ganze Weile da oben, dann folgt die Abfahrt zum Bow Lake. Leider ist der Himmel mittelrweile ziemlich diesig verhangen, das Licht schlecht, die blauen Farben des Sees kommen nicht zur Geltung. Vorbei an weiteren Hängegletschern führt die Strasse nun hügelig weiter. Ein Beeren fressender Bär verursacht fast einen Verkehrskollaps, ansonsten ist das Wildlife hier nicht besonders aktiv. Bei der Hector Lake Rest Area machen wir Mittagspause, nun fehlen noch 3 km bis Lake Louise. Der günstigste Campingplatz kostet dort 27,50$. Der totale Rip-off. Wir wollen uns in die Büsche schlagen. Vor Lake Louise fahren wir eine Strasse rauf zum Beginn des Pinewood Trails. Dazu geht’s erstmal hoch. Dann ein Gate. Das ist offen, wir fahren durch und auf einem Schottersträsschen steil hoch. Nach einer Weile folgt ein flaches, offenes Stück Wiese, doch der Fluss ist weit unten und wir brauchen noch Wasser. Also wieder runter und es beim Hiking Trail versuchen. Vor dem Trail kommt uns ein Herr mit Windhund entgegen. Alvaro spricht ihn natürlich gleich an, ob er den Weg kenne, ob es Wasser gäbe und ob man zelten könnte. Der Herr gibt Auskunft und meint, dass Ranger patrouillieren würden. Und ich kriege nicht ganz mit, ob der Herr nun auch ein Ranger ist. Dann gehen wir doch lieber. Da ruft uns der Herr nochmals zu. Wir könnten in seinem Garten übernachten. Wow! Das nehmen wir gerne an. Wir fahren zum Haus, im Garten hat es Tisch und Bank. Zudem dürfen wir die Dusche benutzen. Ein Glückstag. Noch viel mehr, denn später beginnt es zu regnen. Aber wir können uns bei mit vorhandenem und eigenem Tarp einen guten Unterschlupf bauen. Was will man mehr.
22.08.2012. Am Morgen ist der Himmel wieder klar und es ist ziemlich kalt. Wir packen zusammen und verlassen unser legales Rangercamp. War perfekt. Wir fahren zum Lake Louise Visitor Center und holen uns Infos zum Weg nach Banff. Der bis anhin strahlend blaue Himmel bedeckt sich immer mehr. Eigentlich wollten wir zum Morraine Lake hochfahren, doch bei dem Licht lohnt es sich fast nicht. Zudem sind es 14 ziemlich steile Kilometer. So beschliessen wir als Kompromiss zum nur 4 km entfernten Lake Louise zu fahren. Steil führt die Strasse den Berg hoch. Beim Parkplatz zuerst eine Platzanweiserin, dann eine Nationlpark Passkontrolle. Alvaro spricht den Ranger an. Er wolle den Lake Louise ohne Japaner sehen. Eisbrecher. Und klar müssen wir einen gültigen Pass haben, doch der sei beim heutigen schnellen Packen tief im Gepäck verschwunden. Der Ranger meint nur, wenn wir einen hätten, sei alles ok. Nichts wie durch und zum See. Dort erwartet uns wieder Disneyland mit all seinen Besuchern. Klar, schön ist der Lake Louise auf jeden Fall.
Wir verbringen eine lange Weile beim türkisblauen Wasser, dann sausen wir den Berg wider runter nach Lake Louise. Auf dem Highway 1A oder dem Bow Valley Trail geht’s nun in Richtung Banff. Der Highway 1A hat wenig Verkehr und führt schön durch den Wald. Sehr angenehm. Bis auf ein paar Hügel geht’s flach voran. Wir machen Kilometer gut. Bei der Johnston Canyon Lodge holen wir Wasser und ca. 20 km vor Banff verziehen wir uns in eine Seitenstrasse. Gleich neben dem Bahngeleise mit Sicht auf den Bow River stellen wir unser Camp auf. Glücklicherweise fahren in der Nacht nur 4 der ewig langen Züge vorbei. So komme auch ich zu ein paar Stunden Schlaf.
23.08.2012. Der Morgen ist kühl und im Schlafsack ist es gemütlich. Das Aufstehen dauert ein wenig. Als wir endlich aus dem Zelt kriechen, ist bei Alvaro noch absolut keine Aktivität zu erkennen. Ganz was Neues. Normalerweise wuselt er schon aktiv herum. Nun, wir packen zusammen und machen uns schon auf den Weg. Ups, da steht ein Pick-up auf dem Strässchen. Schnell zurück auf den Highway. Es ist immer noch kühl, doch in der Sonne wird es bald wärmer.
Bei einem Viewpoint auf den Bow River holt uns Alvaro auch schon ein. Weiter geht’s. Da ruft Alvaro. Ich kehre um, Monika hört nichts und fährt weiter. Alvaro hat einen Platten. Nun, ich werde mal Monika nachfahren und wir treffen uns in Banff vor dem Safeway wieder. Wir treffen wieder auf den verkehrsreichen Highway 1, doch es führt auch ein ruhiger Radweg nach Banff. Und kaum im Dorf angekommen, holt uns Alvaro auch schon ein. Bei ihm dauert Platten flicken 20 Minuten. Nicht schlecht. Monika und ich dürfen uns zuerst ins Konsumparadies stürzen. Wow, was es da alles gibt… Wir kaufen uns jene Goodies und etwas fürs Abendessen. Nun steht ein kurzer Besuch beim Visitor Center an, danach geht’s steil den Berg hoch zum Tunnel Mountain Village Campground. Dort gibt’s eine Campsite für 27,50$. Günstigste Option in Banff. Immerhin können wir durch drei teilen. Nun ist erst einmal essen und geniessen angesagt, dann natürlich eine lange heisse Dusche. Später fahren ich und Monika zur Lavanderia und ins HI-Hostel. Monikas Zelt ist angekommen, doch sie muss es auf der Post in Banff abholen. Unsere Wege werden sich hier in Banff für kurze Zeit trennen, darum braucht sie ab hier ihre eigene Hütte. Danach nutze ich die Gunst von mehrere Pfannen und zwei Kochern und koche für alle Pasta Carbonara. Lecker. Und weil es so schön ist, beginnt es genau jetzt zu regnen. Zudem bekommen wir noch Besuch von einem Supervisor. Alvaro hat sein Zelt natürlich zuvilisationsscheu in den Busch gestellt, das darf man hier nicht. Wie immer lässt er das nicht so einfach auf sich beruhen, mit dem Resultat, dass wir eine Nacht zurückerstattet bekommen, weil er sein Zelt zügeln muss. Das ist gut, denn aus den zwei in Banff geplanten Nächten werden wohl drei werden.
24. – 26.08.2012. Am ersten Ruhetag fahren wir ins Dorf runter. Es ist bewölkt, teilweise regnet es. Monika holt ihr Zelt auf der Post ab, dann setzen wir uns eine Weile in die Bibliothek mit Wi-fi. Dort treffen wir auf Jörg und später schaut auch noch Etienne rein. Die beiden wohnen in einem Haus auf dem Weg zum Tunnel Mountain. Da können wir uns abends gegen 19.30 Uhr ja noch auf ein Bier im HI-Hostal treffen. Wir machen uns nun noch auf den steilen Bergaufweg zum Sulphur Mountain und den Upper Hot Springs. Die sind natürlich rappelvoll, aber wir lassen uns trotzdem eine Stunde im heissen Wasser schrumplig kochen. Dann wieder runter und rauf auf den Tunnel Mountain. Es ist 19.30 Uhr und wir haben noch nichts gegessen. Beim Hostal treffen wir auf Jörg. Immerhin klappt das Treffen. Wir bessern uns gewaltig. Die beiden sollen doch noch auf dem Camping vorbeischauen. Tun sie dann auch und wir unterhalten uns lange in die kalte Nacht hinein. Vor dem Zubettgehen stellt Monika noch fest, das sie zwar ein Zelt geschickt bekommen hat, aber keine Stangen und Heringe. Das Problem lösen wir morgen.
So machen wir uns wieder auf den Weg den Berg runter nach Banff, heute bei schönstem Sonnenschein. Zuerst fahren wir zu einem Camping Equipment Rental Store. Und was für ein Glück, dort findet Monika gleich neue Stangen. Nun, Überbrückungsstangen. Das war eine superschnelle Problemlösung. Nun geht’s wieder in die Bibliothek. Dort buchen wir mutig einen Flug von Vancouver nach Madrid. Am 1. Oktober soll es also zurück nach Europa gehen. Nun ist es definitiv. Danach fühle ich mich überrumpelt, irgendwie gefangen. Bis anhin war alles offen, ohne Plan, ich frei. Nun rückt das Ende tatsächlich langsam näher.
Weil die Zeltstangenaktion etwas Unruhe in das ganze Prozedere gebracht hat, hängen wir noch eine Nacht im Banff an. Das sehr touristische Dorf ist ja ganz nett, aber man hat es dann bald gesehen und günstig ist hier ja sowieso nichts.
Alvaro ist auch immer noch mit von der Partie, was den Vorteil hat, dass das Kochen so viel interessanter ist. Eine Pfanne ist schon eine Kreativitätsbremse. Aber vier Nächte in Banff sind dann definitiv genug. Morgen geht’s weiter, auf vorübergehend getrennten Wegen. Monika fährt nach Vancouver, Alvaro nach Calgary und ich mache mich auf den Weg nach Edmonton.
[…] Schlagbaum durch und auf die Strasse. Sehr gut, kein Ranger in Sicht. Da kommt mir ja gleich die Story aus Kanada und dem Warden Hut in den Sinn… Auch die Laguna Chiguay ist gefroren, es herrschen noch […]