16. – 18.11.2012. 214 km. Es fehlen nur noch ein paar Tage bis nach Hause. Diese gestalten sich etwas unerwartet, ein allererstes Mal in den ganzen 2,5 Jahren, die Monika und ich zusammen reisen, verlieren wir uns. Ausgerechnet an der Schweizer Grenze. Doch wir finden uns auch wieder und nehmen die letzten Hügel in Angriff, bevor die Wege sind endgültig trennen, das Abenteuer sein Ende findet.  

16.11.2012. Nun starten wir also zur wirklich allerletzten Etappe. Der Morgen ist neblig, die Luft so feucht, dass der Boden überall ganz nass ist. Im Warm-Trockenen frühstücken wir gemeinsam mit Kathrin, dann schnappen wir erste Nebelluft und beladen die Bikes. Dann heisst es auch schon wieder Abschied nehmen. Ich verspreche, bald wiederzukommen. So fallen Abschiede leichter…

Mein letzter Radschmuck aus Mahlberg. Made by Amélie. Danke!

Dann fahren Monika und ich in die Nebelsuppe. Wieder zurück nach Kappel-Grafenhausen, von dort geht’s nach Süden, erstes Dorf Rust. Der Europa-Park ist im Moment geschlossen, es ist ruhig. Wir fahren auf kleinen und ruhigen Strassen, alle 3 – 5 km ein Dorf. Meist führt sogar ein asphaltierter Feldweg parallel zur Strasse, ein perfekter Fahrradweg. Das ist ein grosser Fortschritt hier in Deutschland. Ausgeschilderte Fahrradwege. Da sieht man auch immer wieder die uns mittlerweile bekannte Jakobsmuschel. Wir sind wieder auf dem Jakobsweg. So ist Fahrrad fahren viel angenehmer als auf der Strasse. Trotz eher unangenehmem Wetter. Die Luft ist so feucht, dass bald alles nass ist. Hosen, Jacke, es tropft von Helm und Kinn. Etwas eklig. Doch es weht kein Wind, es ist flach und wir kommen gut voran. In den meisten Dörfern sehe ich nett aussehende Stehcafés. Als es Zeit für die Pause wird, passieren wir Sasbach. Genau hier hat’s nun natürlich kein Café. Aber im nächsten Dorf Jechingen sehe ich eine Bäckerei mit Café. Es ist kalt und nass und wir haben noch Euros. Da sitzen wir doch kurz ins Warme, zu einer Laugenbrezel und etwas Süssem. Backen können die Deutschen, definitiv! Der Nachteil an so einem netten Café ist, dass man früher oder später wieder raus muss. Wieder in die Kälte, weiter in Richtung Süden. Vorbei am Kaiserstuhl nach Breisach, immer weiter in Richtung Basel. In Hartheim machen wir Mittagspause, die Luft ist schon etwas weniger feucht. Und gegen 15 Uhr löst sich der Nebel langsam auf. Wir erhaschen ein paar wenige Sonnenstrahlen, bevor die Sonne auch schon wieder verschwindet und es kalt wird. Langsam wird’s Zeit fürs Wassertanken. In Steinenstadt fragen wir einen Herrn, der vor seinem Haus Blätter zusammenwischt. Er erklärt uns den Weg zu zwei Brunnen, zudem meint er, bei einem Hof könnte man günstig übernachten. Für ca. 35 Euro. Wir wollten eigentlich Wasser holen und einen Campplatz suchen, aber wir können uns den Hof ja mal anschauen. Der erste Brunnen ist schon mal abgestellt, so suchen wir den Hof. Nach etwas Rumfahren und -fragen finden wir ihn. Eine Dame zeigt uns ein riesiges Zimmer, eigentlich eher eine Wohnung, mit Sofa, Tisch, etc. 48 Euro mit Frühstück. Hm, das sprengt unser Budget eindeutig. Doch die Dame meint, in Schliengen gäbe es günstigere Unterkünfte, für 20 Euro. Fahren wir doch dort auch noch hin. Obwohl die 20 Euro ja wahrscheinlich pro Person gedacht sind. Nun, im erden Gasthaus kostet das Zimmer 68 Euro, im zweiten 56 Euro. Puh! Viel zu teuer. So frage ich im zweiten, ob wir Wasser haben dürfen. Etwas mürrisch und unwillig füllt die gebrochen Deutsch sprechende Dame die Behälter und wir machen uns so schnell wie möglich aus dem Staub. Diese Aktion hätten wir uns extrem schenken können. Na ja, wir fahren in Richtung Bad Bellingen, es wird langsam dunkel. Wir schauen uns eine Scheune an, zelten unmöglich. Links wird es hügelig, so fahren wir rechts runter zu einem Hof und verziehen uns vorher in die Büsche. In ein Naturschutzgebiet, wo man auf den Wegen bleiben sollte. Aber auf den Wegen campt es sich etwas  schlecht… Nun beginnt das alte Spiel, frieren und sich auf den Schlafsack freuen. Und auf das warme Haus, dass mich so bald erwartet. Ein attraktiver Gedanke. Absolut!

17.11.2012. Die Nacht in diesem Wäldchen ist nicht soooo kalt, ich muss sogar den Reisverschluss des Schlafsacks öffnen. Der Morgen jedoch ist gewohnt kalt, aber es hat keinen Nebel. Das sind doch Aussichten! Wir fahren nach Bad Bellingen, dort beginnt nun das weite Umfahren des Grossraumes Basel.

Auch im Schwarzwald herbstelt es

So kommen wir doch noch in den Genuss des Schwarzwaldes, gleich geht’s extrem steil den Berg rauf. Es folgen weitere ziemlich steile Hügel, Dorf um Dorf, bis wir in Haagen schliesslich wieder auf flachere Gefilde stossen. Dort wird’s auch Zeit für die Pause, inklusive Sonnenschein und einem Kaffee to go aus der gegenüberliegenden Bäckerei. Nun fahren wir auf der Hauptstrasse in Richtung Schopfheim, bis wir von der Strasse runter sollten. Fahrradverbot. So folgen 4 km auf einem Schottersträsschen, dann sind wir in Schopfheim. Ich navigiere uns durch die Stadt in Richtung Dossenbach und Schwörstadt. Dort können wir einem Radweg bis nach Bad Säckingen folgen. Der Weg folgt bald dem Rhein, auf er anderen Seite liegt die Heimat.

Dort drüben liegt sie, die Heimat

Dort wollen wir zu Mittag essen. Wir folgen dem Radweg, der gut ausgeschildert ist. Ein Foto hier, ein Foto da. Ich fahre weiter, immer den Pfeilen nach. Unter der Hauptzollbrücke durch in Richtung Bad Säckingen, wo eine schöne Holzbrücke in die Schweiz führt.

Das wäre der schöne Grenzübergang gewesen. Für mich zumindest.

Dort warte ich mal. 5 Minuten. Mensch, wo bleibt denn Monika wieder? Ich warte heute nicht das erste Mal so lange. Ich fahre zurück, frage alle Leute, die mir begegnen, ob sie eine andere Ciclista gesehen hätten. Nein ist jeweils die Antwort. Mensch! Ich malte mir das Szenario oft aus, was passieren würde, wenn wir uns eines Tages verlieren sollten. Dass es aber ausgerechnet noch heute passiert, ist schon fast ironisch. Ich fahre etwa 3 km zurück, zu dem Ort, wo wir das letzte Foto machten. Nix. Ich fahre wieder nach Bad Säckingen. Ich versuche, mich nicht zu nerven, aber es klappt nicht so ganz. Das Blöde ist nun, dass ich keine Ahnung habe, wo Monika eine andere Abzweigung genommen hat, es gibt mehrere. Sie hätte einfach den Pfeilen nachfahren müssen, bei signifikanten Abzweigungen wartete ich immer. Und es gab keine von denen. Ich fahre durchs Dorf zur grossen Hauptbrücke. Vielleicht ist sie da rübergefahren. Es hat viel Verkehr, ich schlage mich auf die linke Seite, wo die Zöllner stehen. Der eine fragt, was ich denn alles in meinem Gepäck habe. Ich antworte, ob er eine andere Radfahrerin in leuchtgelber Jacke gesehen hätte. Nein. Und was in den Taschen ist, will er nicht mehr wissen. Ich fahre rüber in die Schweiz, in den Kanton Aargau. Und halte diesen denkwürdigen Augenblick nicht mal bildlich fest. Zu genervt. Und was nun? Als letzte Möglichkeit fahre ich zur Holzbrücke. Tja, und dort kommt mir Monika entgegen. Keine Ahnung, wo sie da hingefahren ist. Nun, dann ist ja jetzt alles wieder gut und wir können weiter, aber meine Ankunft in der Schweiz wurde schon etwas vermasselt. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Es ist schon spät und ich habe wirklich Hunger. Wir essen kurz was, dann folgen wir dem schweizerischen Radweg in Richtung Frick, später geht’s in Richtung Brugg. Die Schweizer Radwege sind toll, ruhig führen sie auf Feldwegen und Nebenstrassen durch die Gegend. Bei einem Brunnen, von denen gibt’s hier übrigens ganz viele, tanken wir Wasser auf. Es ist schon 16.30 Uhr, nun sollten wir nach einem Nachtplatz Ausschau halten. In Effingen beginnt langsam die Steigung auf den Bözberg. Davor noch ein paar Häuser, bei einem wischt eine Frau Laub zusammen. Testen wir doch zum Schluss noch die Gastfreundschaft der Schweizer. Ich frage die Frau, ob wir in ihrem Garten zelten dürfen. Sie meint, es sei etwas nass. Egal. Dann meint sie, der Nachbar hätte mehr Platz. Der steht gegenüber vor seinem Haus und bietet uns die freie Rasenparzelle neben seinem Haus an. Perfekt. Und wenn wir etwas bräuchten, sollten wir klingeln. Die Schweizer bestehen den Test. Wir bauen ein letztes Mal das Zelt auf und verbringen einen schweigsamen letzten Abend. Ein etwas unwürdiger Abschluss.

18.11.2012. Der letzte Morgen ist feucht, neblig und nicht allzu kühl. Wir packen unser Zeug zusammen und nehmen die letzten Kilometer in Angriff. Als erstes geht’s rauf auf den Bözberg, eher Hügel als Berg, danach folgt die rasante Abfahrt nach Umiken und bald folgt Brugg. Wir folgen auch heute den gut ausgeschilderten Radwegen, die uns durch die schöne Stadt führen. Wir fahren weiter nach Baden, dann Wettingen.

In Brugg über der Aare

Ein Stadtturm von Baden

Immer wieder sind auf den Radwegen steile Auffahrten zu bewältigen, die letzte gemäss Aussagen von Einheimischen 16 – 17%! Und das mit vollbepacktem Bike. Wir fahren ins Dorf, bald werden sich Monikas und mein Weg trennen. Wir finden eine Bäckerei mit gemütlichem Café für einen letzten gemeinsamen Kaffee. Dieser findet leckere Begleitung in Form eines Laugengipfels und eines Vermicelles. Der erste heimatliche kulinarische Genuss. Lecker! Die Bäckerei ist gut besucht an diesem Sonntag Morgen und wir sind nicht lange alleine am Tisch. Ein älteres Ehepaar gesellt sich zu uns, er ehemaliger Radrennfahrer. Doch seine Frau scheint viel mehr an unserer Reise interessiert zu sein. So unterhalten wir uns eine ganze Weile. Irgendwie komisch, dies nun auf Schweizerdeutsch zu tun. Und schön zu erleben, dass die Landsleute genauso neugierig und nett sind. Die beiden schiessen dann auch noch unser Abschiedsfoto und bald folgt ein Radkreisel. Der Radkreisel. Und der letzte Abschied.

Unser letztes gemeinsames Foto

Hier trennen sich die Wege

Monika fährt weiter in Richtung Zürich, mein Weg führt mich nach Otelfingen. Ich fahre durchs Furttal und langsam lichtet sich der Nebel. Buchs, Adlikon und langsam nimmt auch ein altbekanntes Geräusch zu. Fluglärm. Ich nähere mich dem Flughafen.

Ein alt bekanntes Bild mit alt bekannter Geräuschkulisse

Ich fahre über einen Hügel nach Rümlang. Von dort schicke ich ein SMS nach Hause, dass ich in Kürze da bin. Und nun kenne ich mich aus. Ein komisches Gefühl. Linkerhand der Flughafen und bald folge ich der Glatt bis nach Glattbrugg. Mein ehemaliges Zu Hause. Dann noch den letzten Hügel hoch nach Opfikon, noch eine Kurve. Hah! Das stehen sie auf der Strasse. Mein kleines Empfangskomitee.

Die Zielgerade aus meiner Sicht…

… und aus der Sicht der anderen

Dann stehe ich vor meiner Familie. Eine Umarmung hier, eine da. Wow! Ich bin daheim, hab’s geschafft. Einfach so, zack bum, ist es geschehen. Seltsam. Wir schwatzen eine Weile auf der Strasse, dann entlade ich das Bike. Im Moment kommt es mir so vor, als ob ich hier ablade, aber wie gewohnt bald wieder auflade und weiterfahre. Aber nein, diesmal nicht. Dies ist das letzte Abladen. Den Gedanken muss ich definitiv noch verankern. Der ist noch nicht so ganz angekommen. Tja, nun gibt’s erstmal einen Kaffee und erste Geschichten. Danach hüpfe ich in die heisse Badewanne. Herrlich! Später kommt auch noch mein Bruder mit Freundin vorbei. Schön. Sie alle wiederzusehen. So findet diese letzte Etappe doch noch ein gutes Ende… Ende. Ende. Ende?