17.12. – 30.12.2012. Die Reise geht also per Bus weiter nach Rosario. Dort stehen unzählige Besuche der verschiedensten Leute an, es gibt immer mal etwas zu tun, dann geht die Welt fast unter, Rosario wird von einem Überfallkommando heimgesucht und wir verbringen schlussendlich geruhsame Weihnachtstage auf einer Insel im Rio Paraná Viejo.
17.12. – 22.12.2012. Bei leichtem Regenfall begeben wir uns vom schönen Hotel in San Telmo per Subte an den eher nicht so schönen Busbahnhof Retiro. Da werden wieder Erinnerungen wach. Von dort ging’s am 24. Dezember 2009 in einer 36-stündigen Busfahrt nach Rio Gallegos im südlichen Argentinien. Heute sind es nur 4 Stunden nach Rosario. Während der Busfahrt wird der Regen immer heftiger.
In Rosario werden wir bei immer noch strömendem Regen von Horacio, einem Freund von Alvaro, abgeholt. Er fährt uns nach Funes, einem Pueblo ausserhalb von Rosario, wo bereits eine grosse Horde Menschen auf uns wartet. Die dortigen Gastgeber Roberto und mit Frau Silvia und viele weitere Leute. Anlass des heutigen Besuches dort ist eine Fabada. Die Fabada ist ein Eintopf aus weissen Bohnen, eine asturiansiche Spezialität. Die Bohnen werden stundenlang gekocht, dann werden Schinken, Chorizos und Blutwürste hinzugefügt. Und so wie sich das Ganze anhört, ist dies sicher eher ein Wintergericht. Zum Glück ist es heute nicht allzu heiss. Die Bohnen sind gut und aus Anstand esse ich auch die Würste. Mit den regen Unterhaltungen habe ich etwas Mühe. Meine Konzentration lässt eindeutig nach, wenn alle Leute durcheinander sprechen. Und an den starken Accento Porteño muss ich mich erst wieder gewöhnen. Bei meinem ersten Besuch in Argentinien ist mir nicht aufgefallen, wie extrem doch die Betonungen hier sind. Aber da war das Spanische auch noch nicht sehr sattelfest. Nun amüsiere ich mich über die laaaaaaaaaanggezogenen Vokale und die manchmal sehr komische Betonung. Aber ich stelle fest, dass ich manchmal schon genauso spreche… So schnell geht das.
Nach der Fabada fahren wir mit Pablo und seiner Freundin Joana wieder nach Rosario. In der Wohnung von Pablo’s Tante, die vor einiger Zeit in ein Altersheim gezogen ist, dürfen wir die nächste Zeit wohnen. Die Wohnung stand lange Zeit leer und kaum sind wir drinnen, krabblen bald die ersten Kakerlaken hervor. Denen gefallen leerstehende Wohnungen. Die Vorstellung, nun auf einer Matratze am Boden zu schlafen ist nun aber nicht sehr berauschend. Wir sprayen mal so viel Anti-Cucaracha wie möglich rum, am nächsten Morgen gibt’s erste Todesopfer zu berichten. Doch viele Exemplare scheinen nicht besonders beeindruckt zu sein, fröhlich spazieren sie weiter durch die Wohnung. Zudem leckt die Klospülung. Aber typisch Latino repariert Pablo die Spülung gleich am folgenden Morgen. Zudem legt er Kakerlaken-Fallen aus. So liegen am folgenden Morgen noch mehr Tote rum.
Aber anscheinend gibt’s immer noch Überlebende. Denn eines Nachts wache ich auf, weil mich etwas in die Achselhöhle gepiekst hat. Dann spüre ich etwas an meinem Bein. Ahhhh, ich schalte das Licht ein, da spaziert eine Cucaracha über mein Kissen. Das erste Mal überhaupt, dass ich eine im Bett habe. Und hoffentlich auch das letzte Mal.
Seit der Ankunft in Rosario ist das Wetter nicht so toll, es regnet viel. Heute schreiben wir den 19. Dezember, in zwei Tagen soll die Welt ja gemäss unseren Maya-Kollegen untergehen. Vielleicht aber auch schon heute. Als ich aufstehe, donnert und blitzt es heftig, giesst aus vollen Kübeln. So geht’s den ganzen Tag weiter, Blitz und Donner halten den ganzen Tag an, der Regen lässt nicht nach. So etwas habe ich noch nie erlebt. Ein heftiges Gewitter nach dem anderen zieht über die Stadt. So kommt es, dass ich das Haus nicht verlasse. An den Folgetagen zeigen die Nachrichten total überschwemmte Gebiete rund um Rosario, an einigen Orten soll das Wasser immer noch über einen Meter hoch stehen. Doch am 20. Dezember wird’s besser, langsam zeigt sich die Sonne und der 21. erstrahlt bei stahlblauem Himmel. Wir überleben den Weltuntergang bei einem Nachtessen mit Alvaros Freunden Pablo und Soledad.
An dieser Stelle ein kurzer Exkurs zu all den Menschen und Namen. Da viele gleich heissen, z.B. Pablo, werde ich hier eine kurze Beschreibung der wichtigsten Personen aufführen. Diese Namen werden sicher immer wieder mal vorkommen:
- Cristina und Horacio, ein älteres Paar. Horacio ist der Präsident des Centro Asturiano in Roasario, seiner Partnerin Cristina gehört eine Peluqueria im Herzen der grossen Stadt. Die aufgestellte 72-jährige steht immer noch jeden Tag selbst in dem Laden und betreut ihre langjährigen Kunden.
- Pablo und Horacio. Mit den beiden Jungs radelte Alvaro im Jahre 2001 durch Peru, Ecuador und Kolumbien. Beide waren auf dem Weg nach Alaska, kamen aber dort nie an. Horacio, oder el Negro, schaffte es bis Mexiko, Pablo, el Pelao, kehrte schon in Venezuela wieder um.
- Joanna, Pablos Freundin.
- Pablo und Soledad. Dieser Pablo ist Cristinas Sohn und Architekt. Er und seine sympathische Frau Sole haben erst kürzlich geheiratet.
All die netten Leute kennt Alvaro von seinem ersten Besuch in Rosario im Jahr 2001, wo ihn der Präsident des Centro Asturiano Horacio in seine grosse „Familie“ aufnahm.
Ansonsten geht Argentinien den Bach runter. Alvaro muss hier diverse Male zum Zahnarzt. Dessen Praxis befindet sich in einem etwas heruntergekommenen Viertel von Rosario. Normalerweise fährt in Pablo, der Pelao, dahin. Doch eines Nachmittags steht Pablo nicht zur Verfügung. So muss Alvaro ein Taxi nehmen. Ich habe die Bekanntschaft des Zahnarztes und seiner Belegschaft schon gemacht, so bleibe ich zu Hause. Ein guter Entscheid. Denn das Taxi landet in einer Strassensperre und passiert schlussendlich einen von der Polizei abgeriegelten Supermercado. Der wurde gerade ausgeraubt, die chinesische Besitzerin arg zugerichtet. Das ist gerade das neue argentinische Konzept. Grosse Banden überfallen Supermärke oder Elektronikgeschäfte, doch nicht aus Hunger oder Not, sondern des Raubens wegen oder weil sich nach den Überschwemmungen die Gelegenheit anbietet. In Bariloche wurde ein Supermarkt 5 Cuadras vom Zentrum von einer Gruppe von 100 Männern ausgeraubt, zuerst erschien das Fernsehen, nach zwei Stunden ein 20-Mann-Aufgebot der Polizei mit Steinschleudern. So berichteten es zumindest die Medien. Vielleicht gab’s beim Import von Waffen auch ein Problem. Die Señora Kirchner schlägt eine etwas schräge Importpolitik an. Viele Dinge können nicht mehr importiert werden, so soll der nationale Markt angeregt werden. Doch der produziert dummerweise vieles nicht. Diejenigen Produkte, die noch zugelassen werden, werden mit 50% Steuern belastet. Viele Geschäfte leiden jetzt schon darunter, wie z.B. das Zahnlabor, wo Alvaros neue Kronen hergestellt werden. Die benötigten Materialien gibt’s nur in den USA oder Europa zu kaufen, Argentinien stellt einzig die Brennöfen her. Damit kommt man nicht weit.
Am nächsten Tag wird das Geschäft von Pablo’s Eltern, gleich neben unserer Wohnung, von der Polizei zwangsgeschlossen, weil es erneut Überfälle geben könnte. Das ganze Barrio wir abgeriegelt. Was für ein Land. Was für eine Regierung. Mancherorts wird gemunkelt, dass die Überfalle von politischen Oppositionsgruppen der aktuellen Regierung organisiert wurden, um diese zu schwächen. Wer weiss. Ganz sicher ist, dass dieses Land so bald im Chaos versinken wird, wenn dies nicht schon lange geschehen ist.
23.12. – 26.12.2012. Nach all den Aufregungen kommt es mir ganz recht, dass wir die Weihnachtstage auf einer Insel im Rio Paraná Viejo in Pablo’s Häuschen verbringen dürfen. Dort hat es weder Strom noch Frischwasser. Das hört sich gut an. An die Mücken denke ich mal noch nicht.
Mit Pablo und Joana fahren wir am Morgen auf die Insel, später kommt auch noch Horacio, el Negro, per Kajak zu Besuch. Wir verbringen einen gemütlichen Tag mit Essen, Mate trinken und diversen Bädern im Fluss. Das braune Wasser lädt mich zu Beginn nicht gerade zum Baden ein. Doch es ist ganz ok, angenehm warm und obwohl mich ein Fisch ins Bein beisst, springe ich bei der Hitze immer wieder ins erfrischende Nass.
Gegen Abend fahren Horacio, Pablo und Joana wieder zurück aufs Festland und auch all die anderen Bewohner machen sich langsam auf den Heimweg. Bald wird es ruhig, bis ein alt bekanntes Geräusch beginnt: ein hochfrequentes Bssssssssss. Moskitos. Que sorpresa!
Den 24. Dezember starte ich mit einem Sprung in den Fluss. Eine schöne Art, so richtig aufzuwachen. Dann ist viel Nichtstun angesagt, denn viel zu tun gibt es hier nicht. Man kann ein paar Meter weit laufen, etwas gegen die Strömung anschwimmen oder lesen. Das schöne an dem Ganzen ist, dass wegen der Feiertage niemand auf der Insel ist,es ist total ruhig. Immer wieder muss ich mich im Fluss abkühlen, denn heute ist es heiss. 32° C im Schatten. Mit sicher ziemlich hoher Luftfeuchtigkeit.
Abends backe ich eine Pizza und bald entzündet sich unser spezieller Weihnachtsbaum. Hunderte von Glühwürmchen schwirren durch die langsam aufkommende Dunkelheit. Wunderschön. Doch lange hält man den tollen Anblick nicht aus, denn auch die Moskitos mögen diese abendliche Dämmerung. Und mein Blut. Und dieses Weihnachtsgeschenk möchte ich ihnen nicht machen.
Die Nacht ist extrem heiss, ich kann kaum schlafen. Das ändert sich, als gegen 6 Uhr morgens wie auf Knopfdruck ein heftiger, kalter Wind aufkommt. Schnell kühlt es im Haus ab und heute verzichte ich auf das Aufweckend im Rio. Ich muss sogar eine Jacke anziehen, so kühl ist es. Das Thermometer zeigt noch 18° C an, Wind nicht eingerechnet. Was für ein Temperatursturz. Der Wind lässt den ganzen Tag über nicht nach und bringt sogar einen Baum zum Einsturz. Aber schön warm eingepackt kann man gut draussen sitzen, Mate trinken, lesen oder die Vögel beobachten.
Von denen hat es viele und die meisten sind nicht wirklich scheu. Gegen Abend wird es etwas gemütlicher und wie soll es anders sein, zur Mückenstunde flaut der Wind total ab. Immerhin ist es nun schön kühl im Häuschen und in dieser Nacht schlafe ich bald ein.
Auch der letzte Tag auf der Insel ist windig-kühl. Am frühen Nachmittag werden wir von Pablo und Joana abgeholt und nach einem Mate fahren wir zurück in die Zivilisation, in den Lärm. Wie schon waren doch diese Tage auf der Insel…
Abends steht schon wieder volles Programm auf dem Plan. Mit Cristina und Horacio besuchen wir eine Milonga. Bei einer Milonga werden meist zuerst Tangolektionen abgehalten, dann kann jedermann tanzen. Heute wird nur getanzt. Wir schauen dem ganzen eine Weile lang zu, dann fahren wir zu einem netten Restaurant zu einer Pizza. Rosario soll ja bekannt für seine guten Pizzas und Glaces sein. Die Pizza ist wirklich lecker und das drauf folgende Glace auch. Vielen Dank, Cristina und Horacio.
27.12. – 30.12.2012. Die letzten Tage des alten Jahres vergehen wieder wie im Fluge. Wir müssen mal hierhin, mal dahin, immer wieder gibt es kleine Dinge zu tun. Und ich komme zu meinem ersten Asado. Argentinien ist ja bekannt für sein gutes Fleisch, das idealerweise auf einem Feuer gegrillt wird. Und jeder Argentino weiss ein gutes Feuer und einen guten Asado zu machen. Bei uns stellt man die Kleinen mit 3 Jahren auf die Skier, hier lernen sie einen guten Asado zu machen. Oder so. Dieser Asado findet in Begleitung eines Padel-Spiels statt. Padel ist wohl so etwas wie eine Mischung aus Tennis und Sqasch, ich kannte das Spiel nicht. Ich darf es in den Pause ausprobieren, ansonsten spielen die Jungs. Und diejenigen, die geraden nicht auf dem Feld stehen, bereiten den Asado zu. Mit dieser Technik steht bei Spielschluss das gegrillte Fleisch auf dem Tisch. Nicht schlecht.
Heute gibt’s Fleisch in Riesenmassen. Das Fleisch ist wirklich sehr lecker, doch ich vermisse Salat oder eine sonstige Ergänzung. Und auch typisch argentinisch dauert das ganze bis tief in die Morgenstunden hinein und als Abschluss darf natürlich das Glace nicht fehlen.
Am nächsten Tag steht schon der nächste Asado auf dem Programm. Alvaro wurde auf der Strasse von zwei Ciclistas erkannt und sie haben ihn spontan zum Asado eingeladen. Was sonst. So kommt es, dass wir innerhalb von 12 Stunden zwei Asados hinter uns bringen. Auch Alejandro beherrscht das Grillen des Fleisches perfekt, nur dreimal verlässt er den Tisch und beim vierten Mal bringt er das zarte Fleisch mit. Heute gibt es sogar Salat dazu, für mich eine richtige Wohltat. Wir unterhalten uns eine ganze Weile mit den beiden Jungs, dann müssen wir weiter. Und ich werde ganz sicher die nächsten Tag kein Fleisch mehr essen. Nicht nur der Asado gehört hier zu den Lieblingsbeschäftigungen, sondern bekantlich ja auch das Glace-Essen. So fahren wir am Abend mit Pablo und Joana noch zur Heladeria Catania. Sehr fein, das dortige Glace.
Ich glaube, ihn Argentinien kommen noch ein paar Extrakilos hinzu. Da muss ich dann in der Schweiz ein gutes Sportprogramm aufstellen. Denn hier ist das etwas schwierig. Joggen kann man am Besten im Stadtzentrum, und das ist weit von unserem Wohnort entfernt. Die dortige Gegend ist nicht gerade die Beste, und so bleibt es wohl in diesem Jahr bei dem einen Joggingausflug, den wir bisher unternahmen. Das Verbesserungspotential ist gross…
Auf jeden Fall wünsche ich euch allen an dieser Stelle nun ein ganz frohes neues Jahr. ¡Feliz Año Nuevo!
Weiterhin gute Zeit und vor allem wunderbare Reisen im Neuen Jahr!
Gruss aus Mexiko
Happy New Year and safe travelling from Alberta Canada
Colleen & Dan