14.02. – 20.02.2014. Schon wieder gilt es den Darien Gap zu überqueren. Auch diesmal geschieht dies auf einem Boot, der Independence. Nach zwei Tagen in den wunderschönen Islas San Blas geht es auf das offene Meer. Zu dieser Jahreszeit ist die See sehr rau, die Independence muss gegen Wind, Wellen und die Strömung ankämpfen. Aber dann ist es geschafft, wir sind wieder in Südamerika.
Route: Panama City – Carti – Isla El Elefante – Coco Banderos – Cartagena
14.02.2014. In der kleinen Auszeit in Panama City bei Maria und David lernen wir Luigi kennen, einen etwas verrückten Bike-Shop-Cafe-Besitzer. Maria ist eines Tages einfach in seinen Shop getreten, ob er jemanden wüsste, der uns nach Carti fahren könnte. Luigi bietet sich denn auch gleich selbst an. Denn nach Carti werde ich nicht fahren. Eigentlich wollten wir ein Boot von Portobelo nach Cartagena nehmen, doch das Angebot zu dieser Jahreszeit ist gering. Unsere einzige Option ist schlussendlich die Independence, die am 15. Februar von Carti aus ablegt. Sie ist das grösste Boot, ausser der Stahlratte, das nach Cartagena fährt. Da die See zu dieser Jahreszeit sehr rau ist, empfiehlt sich ein grosses Boot. Zudem müssen für uns natürlich die Fahrräder gut verstaut werden. Drinnen ist es nicht möglich, aber die Independence ist sehr hoch gebaut, der Kapitän schwört, dass da oben nichts nass wird. Aber die Independence legt von Carti aus ab. Die Strasse nach Carti kenne ich, 40 km brutalste Steigungen und Abfahrten, die meiste Zeit wäre Schieben angesagt. Und das ist bei unserer Beladung eine Tortur. Doch Luigi ist auch nicht wirklich vertrauenswürdig. Alvaro rennt ihm per Facebook-Nachrichten 3 Tage nach, ohne konkrete Antworten zu erhalten. Gleichzeitig entwickeln wir Plan B. Und zur Sicherheit wollen wir schon am 14. Februar nach Carti fahren. Irgendwann sagt Luigi dann doch tatsächlich zu, gegen 8 Uhr soll es schon los gehen. Mitten in der Nacht verschiebt er dann auf 10 Uhr und gegen 11 Uhr steht er tatsächlich mit dem Pick-up vor Marias Haus. Mit dabei Kollege Fruti und Minischnauzer-Dame Eva. Diese wird während der ganzen Fahrt kreuz und quer durchs Auto klettern. Die Räder passen mit quergestellten Lenkern genau auf die Ladefläche des Pick-ups, gepolstert durch das ganze Gepäck. Dann geht’s los, die Durchquerung von Panama City dauert ewig, kaum draussen machen wir bei einer Fuente Mittagspause. Luigi hat Hunger. Zum Menu vertilgt er zwei Packungen Oreos (süsse Kekse) und zwei Packungen Chips. Wie gesagt, ein etwas schräger Typ. Die Fahrt geht weiter, bald folgt der Abzweig nach Carti. Gleich die erste Steigung ist brutal, was sogar Alvaro eingestehen muss. Lange zieht sie sich dahin, dann folgen Abfahrten und Steigungen im Autominutentakt. Bei der Kontrollstelle bezahlen wir den Kunas, den hiesigen Indigenas, 29 $. Ausländer je 10 $, Panamesen je 2 $, und 5 $ fürs Auto. Immerhin bezahlt Eva nichts. Es folgen weiter Berge, bis wir nach 3 Stunden schliesslich den Hafen von Carti erreichen.
Dort stehen bereits zwei bepackte Motorräder. Mit den Fahrern kommen wir bald ins Gespräch. Wendy aus den USA wird wie wir die Independence nehmen, ihr Landsmann reist per Cargoschiff nach Kolumbien. Wendy soll mit ihrem Motorrad heute um 16 Uhr schon auf die Independence und dann auf einer nahen Insel übernachten. Da gehen wir doch mit. Für 30 $ wollen uns die Kunas rausfahren. Zu teuer. Irgendwann hat Alvaro dann den Kapitän der Independence am Handy eines der Lanchafahrer. Wir können die Räder auch bringen und auf dem Boot übernachten. Zudem warten wir im falschen Hafen. Schnell machen wir uns auf den Weg nach Puerto Barsuku. Im Gegensatz zu Carti viel sauberer und angenehmer. Schlussendlich finden wir eine Lancha, das uns für je 5 $ zur Independence fährt, Rad inklusive. Wendy nimmt die selbe Lancha. Das Einladen des Motorrades gestaltet sich als etwas komplizier, da haben wir es mit den Fahrrädern leichter. Zuerst geht es durch einen Kanal, dann raus aufs offene Meer. Das gibt die ersten Salzwasserspritzer. Dann erreichen wir die Indpendence. Zuerst wir das Motorrad per Seilwinde aufs oberste Deck gebracht, dann folgen die Räder. Zudem lernen wir die Crew kennen. Kapitän der Independence ist der 73-jährige Slowene Michel, mit dabei seine 22-jährige Frau Majo, sowie die beiden Jungs Ryan und Joe. Das Motorrad wird auf Deck festgezurrt, unsere Räder landen im Rettungsboot und werden mit Tarps zugedeckt und festgemacht. Aber auf der Independence können wir doch nicht übernachten. Da hätten wir besser im Hafen von Bazuka gecampt. Aber der Kapitän lässt mit sich reden und bezahlt uns schliesslich den Kuna-Homestay auf der nahen Insel. Auch eine interessante Erfahrung. Wie viele Gässchen sich zwischen den Hütten verstecken. Unser „Hotel“-Besitzer spricht sogar einige Worte Deutsch und das Scheisshaus steht gleich über dem Meer. Fischfutter. Die Dusche ist eine halbe Kokosnussschale und eine Regenwassertonne. Auch ein Restaurant ist auf der Insel zu finden. Dort gibt’s ein Bier und unser Vorräte. Dann geht’s zurück ins „Hotel“. Die Betten in der Hütte sind ganz ok, die Bambusstangenwände sind etwas dünn. so erfüllt bald synchrones Kuna-Schnarchen die ganze Hütte.
15.02.2014. Frühstück ist inbegriffen in unserem Homestay. Am bestem schmeckt mir die Nutella! Aber unser Lanchafahrer ist verschwunden. Er hätte uns um 8.30 Uhr auf die Independence bringen sollen. Da ist bald ein anderer gefunden. Gegen 9 Uhr sind wir auf unserem neuen Heim auf Zeit.
Wir beziehen unsere 3-er-Kabine zusammen mit Wendy. Nun müssen wir das Gepäck von 2 Radfahrern und 1 Motorradfahrerin sinnvoll verstauen. Auch das klappt irgendwie. Dann beginnt das lange Warten auf die anderen Passagiere. Da gibt’s Probleme mit den Taxis nach Carti. Um 10 Uhr sollte es losgehen, um 13 Uhr sind dann alle Passagiere an Board. Wie üblich auf diesen Trips mit guter Alkoholladung. Am beeindruckendsten 3 Kanadier, die zusammen neun(!) 1,75 Liter-Flachen Vodka und keine Ahnung wie viele 12-er Packungen Bier mitschleppen. Krank! So wird dann aber auch gleich nach Abfahrt mit der Alkoholeinflössung begonnen. Nun, Alvaro hat sich auch 6 Bier geleistet, mein Mitbringsel ist ein Gatorade. Immerhin gibt es nun auch Mittagessen. Das ist gut so, ich bin hungrig. Der Lunch ist sehr lecker. Das Essen auf der Independence ganz allgemein ist sehr gut. Frühstück immer mit frischen Früchten, mittags und abends kocht Majo. Und es hat immer genug, ein Nachschlag ist immer möglich.
Erster Stopp ist dann El Porvenir. Immigration. All unsere Pässe wurden bereits eingesammelt, nun fährt der Kapitän zur Insel. Bald heisst es, wir müssen alle unser Gesicht zeigen. Also mit einer Lancha auf die Insel ins Immigrations-Büro. Doch jetzt heisst es, es wäre nicht nötig. Was für eine Organisation. Also fahren wir wieder auf die Independence. Diese fährt weiter zu einer Inselgruppe namens El Elefante. Dort verbringen wir die erste Nacht. Zuerst aber gibt es auf der Insel frischen Fisch vom Grill, daneben braten die Kunas ein Iguana inklusive dessen Eier.
16.02.2014. Zum Frühstück gibt es Kaffee, frische Früchte, Eier, Toast, Käse, Fleisch, richtig luxuriös. Gegen 10 Uhr legt die Independence wieder ab, Kurs Coco Banderos. Die See ist hier schon sehr rauh. Mein Magen fühlt sich immer flauer an, obwohl ich mir die SeaBands – Armbänder, die einen Akupunkturpunkt gegen Übelkeit pressen – angelegt habe. Also immer schön den Horizon fixieren! Nach 4 Stunden erreichen wir endlich Cocos Banderas. Die Inseln kommen mir bekannt vor, hier ankerte schon die Stahlratte im Jahr 2011. Dem Magen geht’s auch gleich besser und schon bald schnorcheln wir durch ein Riff. Nicht sehr spektakulär. Das ganze macht aber trotzdem hungrig. Mit neuer Energie machen wir uns danach mit den Kanus auf den Weg zu Inselerkundungen. Abends verzichte ich zur Freude von Alvaro auf die Languste, ebenso wie einige andere auf das Lagerfeuer inklusive Trinkgelage.
17. – 18.02.2014. Wir verbringen noch einen gemütlichen Tag in Coco Banderas, hören den Story des Kapitäns zu und geniessen das karibische Inselfeeling. Mental bereite ich mich schon auf die Weiterfahrt vor. Der Kapitän meint, so rauh hätte er die See hier noch nie gesehen. Das kann ja heiter werden. Bevor es dann losgeht, gibt es auf der Brücke ein Meeting. Verhaltensregeln für die stürmische offene See werden erklärt. Er meint, er werde sich Mühe geben, damit wir um Mitternacht des nächsten Tages in Cartagena ankommen. Mit dem Tipp, dass man jetzt noch was kleines Essen sollte, endet das Meeting und bald steht das Nachtessen auf dem Tisch.
Die Independence hat schon abgelegt und bald verlässt sie den Schutz der Inseln. Die Wellen werden höher, alle fliehen vom Bug in die Höhe. Ich setze mich auf die eine Bank oben bei der Brücke, SeaBands sind angelegt und eine Pille gegen Erbrechen ist eingeworfen. Ich betrachte den Horizont, bis dieser langsam in der Dunkelheit verschwindet. Doch der Mond war erst kürzlich voll und taucht die See bald in ein helles Licht. So habe ihn wieder, den Horizont. Die Independence schaukelt durch die hohen Allen, kippt hin und her. Immer wieder spritzt das Wasser bis zur Brücke hoch. Ich kralle mich an der Bank fest, der Wind ist kühl. Fast alle sind verschwunden, der Kapitän bietet mir an, auf der Bank zu schlafen, sofern ich nicht auf ihn runterfalle. Er schläft am Boden, wenn er nicht gerade das Steuer in der Hand hat. Aber ich müsste unten noch ein Leintuch besorgen, denn mittlerweile ist es kalt. Ich hangle mich zu Kabine runter. Probeliegen. Fühlt sich ganz gut an, der Magen ist ok. Sobald ich mich jedoch aufrichte, wird mir mulmig. Also am Besten hier unten liegen bleiben. Das mache ich für die nächsten 30 Stunden, ohne mich ein einziges Mal an Deck zu begeben. Auf Essen verzichte ich auch den ganzen folgenden Tag. Die einzige Beschäftigung ist das Festhalten, um nicht aus dem Bett zu fallen. Aber so geht es mir ganz gut. Die Wellen schlagen heftig an den Rumpf der Independence, es knallt und kracht. Einmal gibt es einen so heftigen Stoss, dass alle Bücher aus dem seesicheren Regal fallen. Unter mir öffnen sich die Schubladen und diverse Gegenstände rollen durch den Gang. Alvaro kehrt nicht mehr in die Kabine zurück, ihm ist es liegend im Salon am Wohlsten.
19.02.2014. Aus um Mitternacht ankommen wird nichts, gegen 6 Uhr morgens laufen wir in Cartagena ein. Schön, wie die Bewegungen des Bootes ruhiger werden. An Deck hingegen erwacht das Leben. Der Kapitän musste die ganze Nacht über alleine am Steuer stehen, sogar die Crew kollabierte. Nun meint er, dies sei der schlimmste Trip seit einem Jahr gewesen. 5 Meter hohe Wellen, Gegenwind vom 40 Knoten. Heftig.
Aber es ist geschafft, nun müssen wir nur noch auf die Immigration warten und hoffen, dass wir nicht persönlich dort erscheinen müssen. Doch Majo macht einen super Job und bald haben wir unsere Pässe inklusive Einreisestempel wieder. Es gibt ein letztes gutes Frühstück auf der Independence, das ich mit gutem Appetit zu mir nehme. Als zweitletzte kommen wir mit unseren Rädern an Land. Diese haben die Strapazen tiptop überstanden. Eigentlich fast ein Wunder. Und nun bin ich also wieder in Cartagena. Auch hier ein komisches Gefühl. Es kommt mir vor, als sei ich gerade erst hier gewesen. Nun, so falsch ist das ja auch nicht. Aber es fühlt sich komisch an. Ebenfalls sind wir nun in Kolumbien uns somit in Südamerika. Das muss sich noch etwas setzen. Wir schauen uns in Getsemani einige Hostales an, doch die Preise sind zu hoch. Ich hatte Alvaro gewarnt, dass Cartagena teuer ist, er muss das jetzt auch einsehen. Langsam haben wir Hunger, doch ohne Pesos geht nichts. Wir fahren zu den Wechselstuben im Casco Viejo, dort finden wir dann im „Sol de la India“ auch ein einigermassen günstiges, sehr ruhiges Hostal. Nach einem vegetarischen Mittagessen folgt die lange ersehnt Dusche und eine Siesta. Später spazieren wir noch etwas durch die engen Gassen des Casco Viejo. Wow! All die verschiedenen Früchte! Viel mehr Vielfalt als in Mittelamerika. Langsam komme ich an…
20.02.2014. Heute müssen die Fahrräder gereinigt werden. Auf der Lancha-Fahrt auf die Independence wurden sie nassgespritzt, ebenso hat die Seeluft das Ihrige beigetragen. Salzwasser ist Gift für sämtliche Teile. Am Vorabend hatten wir beim Spaziergang durch die Gassen einen Fahrradverleih mit Werkstatt gefunden, der uns die Räder im Hinterhof waschen lässt. Mit feiner Stahlwolle lassen sich die rostigen Stellen wunderbar reinigen. Meine Kette hat nicht ein Fleckchen, aber die Bremsscheiben brauchen einiges an Arbeit. Ansonsten ist alles in Ordnung. Den Schlüssel für mein Tretlager hat der junge Mechaniker nicht, das kommt später dran, denn es gibt seit Beginn der Reise knarzenden Geräusch von sich. Am Nachmittag muss das Gepäck wieder sortiert werden und abends bleibt noch etwa Zeit, um nochmals durch die Gassen des Casco Viejo von Cartagena zu schlendern. Das war es dann auch schon mit Cartagena. Diesmal ein kurzer Besuch.
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