18.05. – 16.06.2014. Die letzten Kilometer bis zur Grenze nach Ecuador haben es in sich, dann bleibt diese wegen den Präsidentschaftswahlen auch noch geschlossen. Der Übergang nach Ecuador ist in vieler Hinsicht spürbar. Es ist sauberer und strukturierter und es gibt mit einem Schlag keinen guten Kaffee mehr. Was bleibt ist der Regen. Aber das Schöne ist, dass wir auch in Ecuador immer trocken übernachten können. Und zum Schluss gibt es noch ein ganz besonderes Wiedersehen.

Route: San Augustin – Villa Lobo – Mocoa – Villagarzon – Santa Ana – La Hormiga – Nueva Loja/Lago Agrio – Cascales – Lumbaqui – El Reventador – El Chaco – Cuyuja – Papallacta – Tumbaco

18.05.2014. Nach ein paar gemütlichen Tagen auf der Finca La Campesina in San Augustin machen wir uns auf den Weiterweg. Der Himmel ist dicht wolkenverhangen, in der Nacht hat es nicht geregnet. Wir verabschieden uns von Edwin, schieben die Räder die zwei Steilstücke runter und fahren nach San Augustin. Beim Mercado essen wir ein paar Empanadas, dann müssen wir wieder zurück auf die Ruta 45. Die 5 steilen Kilometer runter, dann folgen diverse Auf- und Abfahrten. In Versalles nehmen wir dann eine Abkürzung nach Bruselas. Eine Trocha führt uns hügelig durch die Kaffeeplantagen. Hier hat es kürzlich viel geregnet, es hat viel Wasser auf der Strasse. Nach 10 km Trocha erreichen wir Bruselas. Essenszeit. Wir bekommen für je 4’000 Pesos ein wirklich gutes Essen mit geräuchertem Fleisch. Derweil beginnt es zu regnen, bald schüttet es. Wie schön, wir haben ein Dach über dem Kopf und können abwarten. So verlängert sich die Mittagspause bis 15 Uhr. In den Bergen sieht es immer noch düster aus. Wir fahren ins Zentrum von Bruselas, schauen uns ein Hotelzimmer an. Ein teueres Loch. Fahren wir doch weiter und sehen was kommt. Bald beginnt die Strasse sanft anzusteigen. Wir passieren viele Häuser und einige Caserios mit Schulen. Immer wieder fragen wir, ob noch Häuser folgen, denn man hat uns gesagt, die Strasse durch die Sierra sei ziemlich einsam. In der Sede Fatima de Montserate sehen wir eine Schule. Doch es ist Sonntag, niemand da. Es gibt noch einen Saal, doch die Präsidentin ist noch in der Sonntagsmesse. Wir warten. Dabei fährt ein amerikanisches Radlerpaar vorbei. Wir schwatzen kurz, wir bieten ihnen an, auch hier zu übernachten. Doch sie fahren weiter. So sind die Amis. Wir bekommen schliesslich das ok für den Saal, im Nachbarhaus gibt es eine eiskalte Dusche. Was will man mehr.

19.05.2014. Der Regen setzt ca. um 7.30 Uhr ein. Wir warten eine Weile in unserem Unterschlupf, dann machen wir uns bei leichtem Regen auf den Weg. Heute sieht es nicht nach Besserung aus. Wir steigen weiter hoch. Es hat hier ziemlich viel Verkehr, v.a. grosse Tanklaster. Wir sind auf dem Weg in die Erdölgebiete von Kolumbien. Bald regnet es stärker. So kehren wir nach nur 4 km im dortigen Restaurant ein und wärmen uns auf. Dazu gibt es Frühstück. Reis, Rührei mit Wurst und Patacones. Draussen schüttet und schüttet es. Gegen 11 Uhr fahren wir bei leichtem Regen weiter. Der Regen wird wieder heftiger und die Steigungen sind teilweise ziemlich steil, bis zu 10% Neigung. Aber nach 5 weiteren km ist es geschafft. Ich bin oben. Dort warte ich ziemlich lange auf Alvaro. Er kommt langsam angehottert, ihm schmerz der Magen. Das Frühstück war wohl nicht so gut. Aber wir müssen weiter. Mir ist schon kalt, die folgende Abfahrt verstärkt dies noch. Etwas weiter unten lässt der Regen zum Glück etwas nach und es wird etwas wärmer. Hügelig geht es im Regen weiter. Wir machen nochmals eine kleine Pause, dann fehlen noch hüglige 14 km nach Villa Lobo, dem grössten Caserio. Als wir dort ankommen, hört der Regen natürlich auf und die Sonne drückt langsam durch. Wir haben wieder Glück und dürfen im Saal der Kirche übernachten. Dort findet gerade noch ein Meeting statt, so warten wir noch längere Zeit, bis wir endlich unser Nachtlager aufschlagen können.

20.05.2014. Die Tanklaster donnern die ganze Nacht über durch das kleine Dorf. Was für ein Lärm. Na ja. Am Morgen gibt es dann eine Überraschung. Der Himmel ist nur ganz leicht hellgrau und bald sehen wir grosse blaue Löcher. Genial! Kurz nach 8 Uhr machen wir uns auf den Weg. Alvaro fühlt sich immer noch nicht gut, aber er will weiterfahren. Nach einem Aufstieg folgt bald eine lange, coole Abfahrt. Wir verlieren 600 Höhenmeter. Dann geht es hügelig weiter, immer rauf und runter. Es folgen noch zwei längere Steigungen und Abfahrten. Natürlich ist es hier unten wieder wärmer, der Schweiss rinnt in Strömen. Die Tanklaster sind auch heute in Vielzahl vorhanden. Zwei offensichtlich leere Exemplare überholen mich in einer Abfahrt in einer Kurve. Echt mühsam, diese Mulas. Aber anscheinend verdient man als Chauffeur ziemlich gut für kolumbianische Verhältnisse. 1’000 $ pro Monat. Dafür arbeitet man im Gegenzug non-stop und sieht seine Familie sozusagen nie. Die ständige Rauffahrerei in der Hitze wird langsam anstrengend, v.a. Alvaro leidet. Aber nach einer letzten Abfahrt ist es geschafft, wir sind in Mocca. Das waren fast 1’000 Höhenmeter rauffahren. Die Bomberos bieten uns einen winzigen Hühnerstall an, beim Roten Kreuz warten wir mehr als eine Stunde, um dann zu hören, dass es die Politik verbietet, Fremde übernachten zu lassen. Hätte man uns auch gleich sagen können. So machen wir uns schlussendlich noch auf Hotelsuche. Mocoa ist zum Glück nicht so teuer, so finden wir im Hotel Colonial bald eine angemessene Bleibe. Jetzt müssen wir noch das Gepäck zwei Stockwerke hochschleppen, dann ist es geschafft. Abends fühlt sich Alvaro dann auch wieder so gut, dass er eine riesige Pizza verdrücken kann. Mal sehen.

21./22.05.2014. In Mocoa machen wir auf jeden Fall einen Tag Pause, denn die Pizza war wohl doch nicht so eine gute Idee. Der Durchfall hält an und will auskuriert werden. Natürlich erwischt es mich auch noch, so werden dann zwei Ruhetage draus. Halb so schlimm. Dann haben wir aber genug von Mocoa, es soll weitergehen.

23.05.2014. Wir fühlen uns beide wieder einigermassen fit. Bei leicht grauem Himmel stehen wir auf, doch schon beim Verlassen des Hotels reisst die Wolkendecke auf. Wir verlassen Mocoa, nun führt die Strasse sehr hügelig durch dichtes Dschungelgrün. Die Steigungen haben es wieder in sich, 10 – 12%. Da merke ich eindeutig, dass meinen Beinen noch Kraft fehlt. Bald eröffnet sich der Blick auf die Ebene und Villagarzon, überall ragen Abfackeltürme aus dem Grün. Die Erdölecke Kolumbiens. Wir fahren runter auf ca. 300 m.ü.M, es ist mittlerweile ganz schön heiss. In Villagarzon machen wir einen ersten Stopp und kaufen ein. Es geht hügelig weiter, immerhin hat es nun etwas weniger Verkehr. Der Dschungel öffnet sich, es folgen Kuhweiden und wir folgen dem Rio Putumayo. Am Strassenrand werden frische Ananas verkauft, wir gönnen uns ein Stück. Aber wirklich Hunger hat keiner von beiden. Es folgen weitere Hügel, dann wird die Strasse flacher. Nach Puerto Caicedo folgen noch 12 km nach Santa Ana. Doch wie so oft in Grenznähe werden die Dörfer immer charakterloser. So trinken wir in Santa Ana einen Kaffee und fahren ein paar Kilometer weiter. Wir überqueren den Rio Putumayo, kurz danach hat es ein Balneario. Wir ruhen eine Weile aus und eigentlich wäre dies ein idealer Übernachtungsplatz. Señora Maura hat auch kein Problem damit. So dürfen wir unser Nachtlager auf dem überdachten Holzssteg auf dem Fischweiher errichten. Ein perfekter Ort. Zur Erfrischung gibt es ein Bad im braunen Fluss. Moskitos hat es auch fast keine, einzig die Vodka trinkenden Jungen drehen die Autoanlage voll auf. Ansonsten gibt es keinen Strom. Und aus Übernachten ohne Zelt wird auch nichts, denn bei Einbruch der Dunkelheit stellen wir fest, dass es nur so von grossen Kakerlaken wimmelt. Die wohnen wohl unter den Holzbrettern. Aber das Zelt ist schnell aufgestellt. Nun erschrickt mich nur noch ein junger Militär, der plötzlich aus den Dunkelheit auftaucht. Das Militär übernacht auch hier, somit ist alles sicher.

24.05.2014. Der Verkehr donnert schon früh über die Strasse und die Brücke. So stehen wir zeitig auf, der Himmel ist tiefgrau und wolkenverhangen. Es könnte jede Minute regnen. Wir packen zusammen und frühstücken, gegen 7.30 Uhr fahren wir los. Das Grau lichtet sich ein wenig. Von nun an ist die Strasse nur noch auf einigen Abschnitten asphaltiert, der Rest ist Schotter. Diese Strasse wird momentan verbreitert und asphaltiert, diese Grenze zu Ecuador soll ausgebaut werden. Aber das ist ein Langzeitprojekt. Und es wir noch lange Zeit dauern. Wir fahren immer öfters auf extrem schlechtem Schotter mit vielen runden, grossen Steinen. Zudem geht es die ganze Zeit steil rauf und runter und es hat ziemlich viel Verkehr. Auf dieser Strasse extrem mühsam, denn Ausweichen ist auf dieser Strasse schwierig. Ständiger Begleiter ebenfalls der Oleoducto, die Ölpipeline. Die Gegend ist sehr interessant, es hat hier sehr viele Schwarze Leute. Nach 2 Stunden im Sattel und 17 km erreichen wir Tesalia. Dort fühlt man sich wie in einem anderen Land. Ich bin mit Abstand die weisseste Person weit und breit. Die schwarze Bevölkerung hält noch etwas an. Kurz vor der Orito und der Abzweigung nach La Hormiga fahre ich direkt in die Arme eine Gruppe Junger. Diese sperren die Strasse, um für Kleidung für ein Theaterstück zu sammeln. Von mir aber wollen sie ein Foto und tausende Fragen stellen. Aber meistens wollen die jungen Leute, dass man Englisch spricht. Oder Deutsch. Als ich die Sonnenbrille abnehme, geht das Gekreische der Chicas los. Uhhh, blauen Augen! Haben wir noch nie gesehen. Und diese weisse Haut… Nun, mein Bein sieht neben einem schwarzen Arm eindeutig sehr blass aus. In der Tat. Nach zig Fotos geht’s weiter bis zur Kreuzung. Es folgen nochmals ca. 10 Schotterkilometer, der Schotter wird immer schlechter. Wir könnten genauso  gut in einem Flussbett fahren. Immer wieder dreht das Hinterrad durch, mehrmals stürze ich fast. Hügelig bleibt es auch, wir machen auch heute gute Höhenmeter. Und das in der Hitze. Das Wetter ist interessant, immer wieder war der Himmel fast schwarz, nun ist er fast blau. Der Schweiss rinnt in Strömen. Dann ist die Strasse zum Glück bis auf ein paar kleine Passagen wieder asphaltiert. Es folgen extrem hügelige Kilometer mit extrem steilen Steigungen. So müssen wir in El Tigre was essen. Wir teilen uns ein Menu. Nach 17 Uhr machen wir uns auf den Weiterweg, es fehlen noch gute 10 km nach La Hormiga. Zur Zeit hat es in den Dörfern und auf der Strasse eine überdurchschnittlich hohe Militärpräsenz. Morgen sind die Präsidentschaftswahlen. Im goldenen Abendlicht fahren wir weiter hügelig durch die Gegend. Genau jetzt hat Alvaro noch einen Platten. Guter Zeitpunkt! Aber der muss repariert werden. Gegen 18.30 Uhr erreichen wir dann nach 7,5 Stunden im Sattel und guten 1’000 Höhenmetern bei Dunkelheit endlich die Bomberos von La Hormiga. Die Bomberos sind unkompliziert und lassen uns gleich rein. Zwischen Boot uns Autos dürfen wir zelten. Nach einer Dusche, Wäsche waschen und was essen fallen wir dann müde auf die Matten.

25.05.2014. Wegen dem heutigen Wahltag bleibt die Grenze nach Ecuador geschlossen. Nun, passieren kann man, aber es gibt keine Stempel. Die hat man aber besser im Pass. Der heutige Comandante der Bomberos ist sehr aufgeschlossen und lässt uns eine Nacht länger bleiben. So gibt es einen Zwangsruhetag bei den Bomberos in La Hormiga. Das ist nicht so schlimm, denn bald beginnt es zu regnen und der  Regen hält lange an. Ich höre dem Prasseln der Tropfen dem Blechdach der Bomberos zu. Das macht mich immer ganz schläfrig. Siesta Time! Herrlich! Danach gibt’s Infos für uns und Zauberticks von Alvaro für die Bomberos. Ebenso etwas Fahrradpflege. Ein gemütlicher Zwangsruhetag.

Das Büro bei den Bomberos in La Hormiga

Das Büro bei den Bomberos in La Hormiga

26.05.2014. Mit den ersten Putzgeräuschen der Bomberos stehen auch wir um 6 Uhr auf. Alles zusammenpacken und fertig. Wir verabschieden uns und im Dorf gibt es noch einen Tinto mit Brötchen. Heute hängt der Nebel tief in den Bäumen, die Luft ist feucht und schwül. Bis zur Grenze fehlen noch 27 km. Gleicht bei Dorfausfahrt folgt auch schon die erste Steigung, dann geht es sehr hügelig weiter. Es folgen nochmals 3 km Bachbettschotter, natürlich sind die steilsten Abschnitte noch nicht asphaltiert. Auch hier hat es viel Verkehr. Schwierig.

Der Abfackelturm gleich neben dem Haus

Der Abfackelturm gleich neben dem Haus

Wir passieren ein letztes Petroleumdorf, es folgt ein Militärposten mit Panzern, dann fahren wir die letzten Kilometer auf Asphalt bis zur Puente Internacional. Wir essen etwas und tauschen unsere letzten Pesos in Dollars. Dann überqueren wir den Rio San Miguel. Bienvenidos en Ecuador! Der Strassenbelag wechselt zu gutem Asphalt, irgendwie wirkt alles etwas sauberer. 3 km nach der Puente Internacional folgt der Zoll. Ein riesiges Gebäude, das ziemlich verlassen aussieht und schon leicht am Zerfallen ist. Drinnen teilen sich kolumbianische und ecuadorianische Zollbeamte den Schreibtisch. Zuerst gib’t den Ausreisestempel, dann folgt der Einreisestempel. Die ecuadorianische Zollbeamte ist wohl noch sehr neu in ihrem Job und hat Probleme mit meinem Pass. Bei der Einreise im Jahr 2010 hatte ich einen anderen Pass, der hier registriert ist. Sie fragt nur, warum ich den nicht mehr hätte. Na… es gibt da diverse Gründe… Der Chef zeigt ihr dann, wie man einen neuen Pass registriert und fertig. Dann sind wir offiziell in Ecuador.

Bienvenidos en Ecuador!

Bienvenidos en Ecuador!

Nun säumen Kakaoplantagen den Weg, die Sonne drückt durch und es ist warm. Wir kommen wir nun richtig schnell voran. Es hat auch weniger Hügel und so erreichen wir gegen Mittag Lago Agrio. Auf dem Mercado teilen wir uns ein Mittagessen für 2$. Dann fahren wir in die Stadt. Auch dies ein Unterschied. Der Verkehr scheint weniger chaotisch, es ist weniger laut und es hat viele Ampeln. Was es aber nicht mehr gibt, ist Kaffee. Der bleib in Kolumbien. Hier wird nur noch Nescafe serviert, das ist natürlich keine Alternative. Daran müssen wir uns gewöhnen. Wir fahren zu den Bomberos und nach langem Warten erklärt man uns, das eine Übernachtung nicht möglich sei. Gleiches beim Cruz Roja. Es ist noch früh, wir fahren weiter. Aus der Stadt raus. Der Himmel wird immer grauer. Bei einer Tankstelle gehe ich aufs Klo. Gutes Timing, denn gerade jetzt beginnt es zu regnen. Wir stellen uns unter und warten. Der Regen hält an. Und die Tankstelle wäre eigentlich ein guter Übernachtungsort. Wir bekommen etwas zögerlich sogar die Erlaubnis, in einem leeren Ladenlokal zu übernachten. Zwei Ciclistas im Schaufenster. Perfekt und trocken!

27.05.2014. Nachts beginnt es zu regnen und auch der Morgen ist grau und nass. Das soll noch einer sagen, in Ecuador regne es nicht. Das hatte man dem amerikanischen Radlerpaar gesagt, das wir kürzlich in Kolumbien getroffen hatten. „In Ecuador höre der Regen auf…“. Na ja. Bei leichtem Regen verlassen wir gegen 8 Uhr die Tankstelle.

Startbereit im Tankstellencamp

Startbereit im Tankstellencamp

Mehr oder weniger flach geht es weiter, doch der Regen nimmt wieder zu. Da muss die Regenjacke raus. So beginnt bei den folgenden Hügeln bald das Schwitzen. Wir erreichen Cascales. Dort muss Alvaro ins Internet. Derweil hört der Regen auf. Danach geht es bei grauem Himmel weiter. Nun folgen viele Steigungen und Abfahrten bis nach Lumbaqui. Dort teilen wir uns ein Mittagessen, während der Himmel stärker aufreisst. Es wird warm. Und bald beginnt die lange Steigung. Immer wieder folgen extrem steile Abschnitte, der Schweiss rinnt in Strömen. So machen wir gute Höhenmeter. Unser Ziel El Reventador erreichen wir aber aus Zeitgründen nicht. War auch etwas ambitioniert. O-Ton Alvaro: „40 Minuten im Auto = 2 Stunden auf dem Fahrrad“. Grossmaul. Normalerweise gilt die Regel: 1 Stunde im Auto = 1 Tag auf dem Fahrrad. Obwohl das natürlich auch nur relativ ist. Aber in Alma Ecuatoriana bietet man uns das offene Coliseo an, den überdachten Betonsportplatz. Dort spielen gerade die Kinder und wir sind eine willkommene Abwechslung. V.a. Alvaro, der natürlich ein paar Zaubertricks vorführt. Hier wird in den vielen kleinen Dörfern Quechua gesprochen, so auch hier. Die Kinder bringen uns einige Worte bei, wir lassen sie jede unserer Handbewegung beobachten. Eine Dusche gibt es auch, eine Wohltat nach all dem Schwitzen. Die schweissnassen Kleider hingegen wollen nicht mehr trockenen. Die sind seit Tagen nass. Das Coliseo ist gut besucht, später wird Ecua-Volley gespielt. Zum Glück dürfen wir uns in die kleine Kirche zurückziehen, wo es schön ruhig ist. Man ist hier wirklich sehr offen und unkompliziert.

Kirchencamp

Kirchencamp

28.05.2014. Um 5 Uhr morgens beginnt es zu regnen. Ein gleichmässiges Prasseln auf das Dach unserer Kirche. Es regnet weiter, als wir um 6.30 Uhr aufstehen und es regnet immer noch, als wir startklar sind. Nun schüttet es aus Kübeln, aber wir haben ja einen trockenen Ort zum Warten. Gegen 9.30 Uhr nieselt es nur noch leicht, wir machen uns auf den Weg. Es geht weiter bergauf, dabei setzt wieder heftigerer Regen ein. Ich bin bald von innen und aussen gleich nass. Schweiss und Regen. Kein ideales Klima zum Hochfahren, aber ohne Regenjacke wäre es zu kalt. In San Rafael fliehen wir vor dem Regen in ein Restaurant. Dies dient auch gleich der Stärkung mit einer Fischsuppe und einem Schokoladenkuchen. Wir warten noch etwas ab, die Sonne scheint durchzudrücken. Dann geht es weiter hoch, ab und zu runter. Aber bald regnet es wieder und in einem weiteren einsamen Restaurant am Strassenrand halten wir nochmals. Ich wechsle das nasse Oberteil und wärme mich mit einem Tee. Dann gibt es noch ein geteiltes Mittagessen. Es schüttet wieder in Strömen. Hier gibt es auch Zimmer für 21$. Mit bequemem Bett und heisser Dusche. Sehr verlockend. Internet kann man in dieser verlassenen Gegend aber nicht erwarten. Wir warten weiter ab und gegen 15 Uhr machen wir uns doch nochmals auf den Weg. Bald folgt eine lange Abfahrt. Bei dem Regen ganz schön kühl und die Sicht ist durch die Regentropfen nicht gerade die Beste. Hier wäre der Wasserfall San Rafael zu bestaunen, doch bei dem Wetter lassen wir das aus. Wir überqueren einen Fluss, dann geht’s nochmals runter. Noch ein Fluss, dann beginnt der Aufstieg. Der hat es mit 14% Steigung gleich in sich. Nun ist es zum Glück trocken und der Himmel lichtet sich, so kann zum Glück die Regenbekleidung entfernt werden. Es folgen noch ein paar Aufstiege, dann werden die Hügel etwas flacher. Doch schon wieder beginnt es zu tröpfeln. Links ein paar Häuser, San Carlos. Die Señora der Tienda lässt uns netterweise in dem alten Schulraum übernachtend bei ihr gibt’s eine heisse Dusche! Was für eine Wohltat nach einem Tag im Regen.

Camp in der alten Schule

Camp in der alten Schule

29.05.2014. Morgens beginnt es wieder zu regnen. Wir packen zusammen und frühstücken im Restaurant. Dann starten wir bei leichtem Regen. Der wird mal stärker, mal schwächer, aber er hört nicht auf. Die Strasse steigt gleich ziemlich gut an, mit 15%. Ein guter Tagesstart. Dann geht es gut hügelig weiter entlang des Rio Quijos. Hier das zweite grosse Bauwerk der Chinesen, ein Wasserkraftwerk. Das erste sahen wir gestern, einen riesigen Tunnel. Ironischerweise hatte es am Strassenrand just in den Moment eine Tafel, die besagte, man solle die Umgebung nicht verschmutzen. Bei einem Blick nach links konnte die Landschaftsverschmutzung aber nicht grösser sein. Auch das Wasserkraftwerk und der Staudamm sind enorm und hässlich anzusehen. Auch Ecuador braucht Strom, das ist nicht zu bestreiten. Nach der Überquerung des Rio Salado beginnt eine lange Steigung. Bald ist immer wieder alles nass, innen und aussen. Nach dem Hocharbeiten folgt natürlich wieder eine Abfahrt bis nach Santa Rosa. Dort gibt es für mich nach 3,5 Stunden den ersten Halt. Mittagessen. Wir teilen uns ein Menu. Überraschenderweise fehlen nur noch 4 km bis nach El Chaco, unserem Tagesziel. Hätten wir das gewusst. Nochmals kurz runter, dann rauf nach El Chaco. Dort können wir wieder auf die Gastfreundschaft der Bombers zählen. Wir bekommen einen winzigen Raum gleich neben der eher ekligen Küche. Aus Kakerlakengründen quetschen wir dann erfolgreich das Zelt zwischen zwei Wände.

30.05.2014. Es regnet die ganze Nacht über nicht, der Morgen ist auch trocken. Es hat sogar einen leichten, blauen Schimmer am Himmel. Nichts wie los! Gegen 7.30 Uhr brechen wir auf. Es folgen 20 gut hügelige Kilometer zur Abzweigung nach Baeza. Mittlerweile scheint sogar die Sonne. Was für eine andere Welt! Nach dem grau-grün der vergangenen Tage gibt es wieder eine Farbvielfalt. Unglaublich! Sogar die Grüntöne unterschieden sich. An der Kreuzung gibt es einen kurzen Stopp. Dann geht’s weiter in Richtung Quito. Die nächsten 5 km steigt die Strasse nur leicht an, dann wird die Steigung steiler. Zig Wasserfälle säumen den Weg. Wie schön!

Wasserfälle säumen den Weg

Wasserfälle säumen den Weg

Danach beginnt eine steilere Steigung, wir arbeiten uns lange hoch. Gegen 12 Uhr knurrt der Magen. Wir essen am Strassenrand ein Brötchen, die Bauarbeiter konnten uns nicht sagen, wie weit das nächste Dort entfernt ist. Nun, es war nicht weit. Ein kurzer Aufstieg, dann folgt die Abfahrt nach Cayaja. Dort setzen wir uns trotzdem noch in ein Restaurant und teilen ein Menu. Ein guter Zeitpunkt, denn nun beginnt es zu regnen. Nur kurz, so machen wir uns bald wieder auf den Weiterweg. 15 km sollten bis Papallacta noch fehlen. Die Strasse steigt weiter leicht an, es nieselt nun leicht. Dann aber drückt die Sonne wieder durch. Nach totalen 50 km sieht es nicht nach Dorf aus, ein Señor meint, mit dem Auto seien es noch 30 Minuten bis nach Papallacta. Uff! Nun wir die Steigung steiler. Immerhin merkt man die Höhe, ich schwitze nicht mehr so viel. Nach weiteren 6 anstrengenden Kilometern dann das Ortsschild: Papallacta! Ich jauchze. Nach 6,5 Stunden und 1’800 Höhenmetern reicht es für heute. Und das Beste an Papallacta ist, es gibt Aguas thermales. nichts wie rein ins Dorf und zur Therme. Wir leisten uns den Eintritt von je 3$. Das Becken ist warm, aber etwas zu kalt, um einfach so zu entspannen. Auf 3’000 m.ü.M. ist es kühl. Aber die Dusche ist heiss und gut. Da stellen wir uns lange drunter. Dann dürfen wir auch noch neben dem Restaurant das Zelt aufstellen. Sehr nett. Vor allem, weil es bald wieder aus Kübeln schüttet. Das Dach ist zwar nicht ganz dicht, aber das ist Nebensache. So geht ein anstrengender Tag zu Ende.

31.05.2014. Am Morgen hängt der Nebel tief in den Bergen, es ist kühl. Bei leichtem Nieselregen machen wir uns auf den Weg. Sichtweite ca. 20 Meter. Nun steigt die Strasse steil an, das gibt schnell warm.

Einige Abschnitte sind bis zu 15% steil, aber es gibt immer wieder etwas flachere Verschnaufpausen. Bald setzt Nieselregen ein und es wird immer kühler. So schwitzt man wenigstens nicht mehr in der Regenjacke. Langsam wird auch die Höhe spürbar, es geht langsam voran. Die Strasse über den Paso Papallacta befindet sich in der Ausweitung, immer wieder hat es Schotterabschnitte, der Belag der bestehenden Strasse ist oft hundemies. Nach einem Powerimbiss mit viel Bocadillo (Guavenpaste) nehmen wir die letzte Etappe in Angriff. Nach 3 Stunden, 17 km und 1’021 Höhenmetern ist die Passhöhe auf 4’060 m.ü.M. erreicht. Hier oben bei der Virgen ist es windig kalt.

 

Schnell warm einpacken und runterfahren. Die Strasse ist auch auf dieser Seite schlecht, es holpert gewaltig. Doch dann erreichen wir den neuen 4-spurigen Teil. Nun ist runtersausen angesagt. Bis zu 80 km/h bekommen wir hin. Es geht schnell runter und es wird immer wärmer. Und ruck-zuck sind wir zurück in der Zivilisation, in Pifo. Dort muss erst einmal der Hunger gestillt werden. Die Abfahrt geht weiter zu einem Fluss, dann folgt nochmals eine fiese Steigung. Und ich dachte, ich muss heute nicht mehr hochfahren… Danach geht es weiter runter nach Tumbaco. Hier kenne ich mich aus, verbrachte ich im 2011 doch eine sehr lange Zeit in dem Dorf. Das Haus von Santiago, die Casa de Ciclsitas von Tumbaco, ist schnell gefundenen, die Wiedersehensfreude gross. Bei Alvaro ist es 12 Jahre her, bei mir nur 3 Jahre. Wir werden beide stürmisch umarmt und willkommen geheissen. Wie schön ist es doch, alte Freunde weiterzusehen!

01.06 – 07.06.2014. In Tumbaco treffen wir natürlich auch auf Ciclistas, bei unserer Ankunft sind Marion und Virgile aus Frankreich anwesend. Die beiden kochen leidenschaftlich gern. Sie laden auch sehr gerne ein. Was wir natürlich nicht ablehnen. Ich steure dann aber für die Hamburger selbst gebackenes Brot bei. Eine richtige Bombe!

In Ecuador beginnt nun die Hauptsaison der nach Süden fahrenden Radler. Eines Tages wird dann sogar der Rekord gebrochen: 14 Ciclistas! Aber es ist nicht nur ein Ort der Freude, sondern auch tiefster Traurigkeit. Alvaro und ich hatten immer wieder mal Meinungsverschiedenheiten, es ging immer um unsere sehr unterschiedlichen Charakter. Doch vor kurzem teilte er mir mit, wie schon öfters, dass er alleine weiterfahren will und sich von mir trennt. Diesmal meint er es aber ernst. Er lässt mich in Quito sitzen. Das stimmt mich natürlich nicht gerade fröhlich, zumal ich für diese Reise alles für ihn aufgegeben hatte. Das Leben ist keine Schokolade. Ich habe nun etwas Zeit, um mir Gedanken über den Rest meines Lebens zu machen. Mal sehen, was dabei rauskommt…