28.06. – 09.07.2014. 655 km. Via Baños mache ich mich auf den Weg in den Oriente, das Amazonas-Becken von Ecuador. Erwartungsgemäss regnet es hier oft, aber meist tut es dies in der Nacht. Ich geniess die tropische Landschaft mit ihren farbigen Blumen und kämpfe mich die Strassen hoch. Auch in der Selva gibt es keine flachen Strassen, ich erarbeite jede Tag viel Höhenmeter. Zum Schluss bleibt die Überquerung der Cordliliera nach Loja, wo ich nach 9 anstrengenden Tag endlich Pause einlege.
Route: Baños – Puyo – Simon Bolívar – Macas – Sucua – Mendez – Limon (General Plaza Guttierez) – Plan de Milagro – San Juan Bosco – Tucumbatza – Gualaquiza – El Pangui – Yantzaza – Zamora – El Tambo – Loja
28.06.2014. Nach zwei Ruhetagen in Ambato mache ich mich wieder auf den Weg. Leo erklärt mir am Morgen die Ausfahrt aus Ambato in Richtung Baños. Weil es heute in der Stadt viel Verkehr haben soll, zeigt er mir eine längere Alternativroute, die auf Nebenstrasse durch Gemüseanbaugebiete führt. Hört sich gut an. Nach einem letzten Foto verabschiede ich mich von der Familie. Im Norden biege ich auf die Strasse in Richtung Viñas und Emilio Teran ein. Bald folgt eine sehr lange, steile Abfahrt. Mir kommen sehr viele Radfahrer entgegen. Tja, und dann geht es wieder hoch. Die Strasse hat einige sehr steile Abschnitte, ich keuche den Berg hoch. Hier ist es nun auch wieder wärmer, ich komme richtig ins Schwitzen. Aber die Gegend ist wirklich toll. Steile Hänge, viel Grün, kleine Dörfer, Felder mit Baumtomaten, Broccoli, Erdbeeren und viele Avocadobäume. Einmal werde ich fast von einer fallenden Avocado erschlagen. Ich kämpfe mich den steilen Berg hoch, immer wieder muss ich Verschnaufpausen einlegen. Ich stehe gerade, als mich ein Radfahrer einholt:„Was machst du denn hier auf diesem steilen Weg? Bist du alleine?“ Nun, man hätte mir die Route empfohlen und ja, ich bin alleine. Der Typ stellt sich als Marcelo vor und wir unterhalten uns eine ganze Weile. Er trainiert für ein Rennen vom kommenden Sonntag. Dann erklärt er mir den Weg zu einem Lokal seiner Familie, wo sie heute alle Mittagessen werden. Wäre schön, wenn ich vorbeischauen würde. Ich arbeite mich weiter den steilen Berg hoch, dann wird es etwas flacher. Eine Abfahrt, nochmals eine fiese Steigung, dann bin ich bei der beschriebenen Tankstelle in Patate. Eigentlich möchte ich weiterfahren, um zeitig in Baños anzukommen.
Ich esse einen Apfel, schiesse noch ein Foto, da steht schon Marcelo neben mir. Ich solle doch mitkommen und was essen. Na gut. Wir fahren ein steiles Strässchen hoch zu einem netten Lokal. Es spielt gerade Brasilien – Chile, die Stimmung ist laut. Ich werde aber trotzdem von diversen Leuten willkommen geheissen und bald habe ich einen ersten Teller in der Hand. Habas und eine kleine Verwandte der Kartoffel. Ich esse, unterhalte mich. Es folgen Mandarinen, dann ein Maiskolben, eine riesige Pouletbrust und Salate. Ich kann nicht mehr, das Polet schaffe ich nicht. Soviel Mittagessen hatte ich schon lange nicht mehr. Puhhh, bin ich satt! Aber ich werde nicht nur gefüttert, ich verkaufe auch noch zwei Drahtvelos. Obwohl ich von Marcelo kein Geld will, besteht er darauf. Ich könne es besser gebrauchen. Cool, 10$! Dann mache ich mich doch auf den Weiterweg, es ist 15 Uhr. Runter, dann nochmals steil hoch. Wegen dem vollen Magen muss ich schieben.
Weiter runter zu einem Fluss, hier nehme ich die Alternativstrasse. Diese führt bald in das enge Flusstal des Rio Pastaza hinein. Rauf und runter. Es ist schön hier. Gegen 16.30 Uhr erreiche ich Baños. Die Bombers sind weeeeeit unten im Dorf, so suche ich mir ein Hostal mit ebenem Eingang. Die 10$ werden gleich investiert. Dann mache ich mich auf den Weg zum Thermalbad. Man hatte mich im Hostal vor der Schlange gewarnt, aber als ich nun all die Leute anstehen sehe, mache ich gleich wieder kehrt. Samstag ist kein guter Tag. Baños ist extrem touristisch, was sich auch in den Restaurants zeigt. Es gibt Sushi, Pizza, Lasagne, Schnitzel, Steaks und vieles mehr. Obwohl ich immer noch satt vom Mittagessen bin, gönne ich mir ein einer Strassenbude ein Holzofenpizza für 2,50$. Mensch, ist die verdammt lecker! Die beste Pizza seit Ewigkeiten! So haben die Touristendörfer auf ihre Vorteile. Und wenn schon nicht die Aguas thermales, so geniesse ich nun wenigstens die gute heisse Dusche.
29.06.2014. Kurz nach 7 Uhr gehe ich runter in die Hostalküche. Huch, wo ist mein Fahrrad? Nicht mehr da! Ich hoffe, sie haben es weggestellt. Es herrscht total tote Hose hier unten, auch vom Hostal ist niemand da. Das gleiche Bild bietet sich um 8.15 Uhr, als ich mit meinen Sachen unten stehe. Ich rufe, klingle, nichts. Nun, in dem Zimmer hier unten schläft der Sohn der Dueña. Ich öffne die Tür und frage nach meinem Rad. Er will es gleich holen, sie hätten es weggestellt. Ich muss nochmals schnell hoch, als ich wieder runterkomme, nichts. Nun zwinge ich den Chico aus dem Bett. Ist 8.30 Uhr, Mensch! Er zeigt mir mein geliebtes Rad, ich hole es hervor und packe. Gegen 8.45 Uhr verlasse ich Baños. Die 60 km lange Abfahrt nach Puyo wird hier auf als Ausflug angepriesen. Nun, Abfahrt ist etwas übertrieben, es hat sehr viele Zwischensteigungen, 500 Meter geht’s bis Puyo rauf. Ich fahre langsam runter, der Nebel hängt tief in den Bergen, es nieselt leicht. Viele Wasserfälle säumen den Weg, bei fast jedem ist ein Canopy-Seil gespannt, von jeder Brücke kann man Bungee-Jumpen, dort Sportfischen oder was auch immer. Die ganze Strecke ist etwas zu touristisch, das ist etwas schade. Schön ist, dass die vielen Tunnels auf der alten Strasse aussenrum umfahren werden können. Da wächst das Grün tief in die Strasse und der Blick in die Schlucht ist toll.
Bei der ersten Pause werde ich gleich von Dutzenden Zancudos angegriffen. War diese Route wirklich so eine gute Idee? Zudem wird es immer wärmer und feuchter, ich schwitze. Die 60 km bis nach Puyo ziehen sich dahin, noch eine Auffahrt, noch eine, dann wird es flacher. Rechterhand eröffnet sich der Blick auf den Rio Pastaza. Gegen 12.30 Uhr fahre ich in Puyo ein. Ich bin hungrig und bestelle mir 1/8 Polo. Eine Riesenportion, die ich nicht schaffe. Zuviel Reis. Mit vollem Magen geht die Fahrt weiter. Simon Bolivar ist der nächste grössere Punkt auf der Karte, Kilometerangaben fehlen leider. Aber es müssten so 40 – 45 km sein. Noch ein schönes Stück. Nun scheint die Sonne, es ist richtig warm. Schwitz, schwitz. Leicht hügelig zieht sich die E45 in Richtung Süden, vorbei an kleinen Comunidades der Shuar-Indigenas mit sehr lästigen Hunden.
Aber der Verkehr nimmt nach Puyo deutlich ab, das ist schön und viel besser als die Panamericana, die E35. Am Strassenrand wuchert das Grün, die Blumen werden tropischer. Ich strample Kilometer um Kilometer ab. Rauf und runter, immer wieder. Dann ein Schild, Simon Bolivar: 3 km. Herrlich! Früher als erwartet! Und schon fahre ich durch die kleine Parroquia. Ich frage eine Chica nach den Bomberos. Gibt es natürlich nicht. Der Rektor der Schule ist nicht da, aber sie empfiehlt mir die Kirche. Dort fahre ich hin, ein Missionar begrüßt mich, der Padre schläft. Da kommen ein paar Schwestern und geben mir Asyl in einem angrenzenden Schulzimmer. Tiptop. Dusche gibt es keine, aber ich setze mit der Ortlieb-Dusche kurz ein Klo etwas unter Wasser, da der Abfluss nicht gut funktioniert. Aber es fliesst dann doch noch ab, alles in Ordnung. Lange alleine bleibe ich in dem Schulzimmer auch nicht, bald erschienen die jungen Chichas mit ihren tausend Fragen. So kann ausruhen ganz anstrengend sein…
30.06.2014. Draussen auf dem Spielplatz johlen ein paar Besoffene laut herum. Bis um Mitternacht, dann beginnt es auf Knopfdruck wie aus Kübeln zu giessen. Und Ruhe herrscht! Der Regen sorgt für ein gleichmässiges Plätschern bis am Morgen. Um 4 Uhr beginnen die Schwestern oben Möbel herumzudrücken. Na ja. Ich stehe kurz nach 6 Uhr auf, packe meine Sachen zusammen. Um 7.30 Uhr bin ich startklar. Hah! Und es regnet nicht mehr! Sehe ich da helle Stellen am Himmel? Ich fahre los. Langsam senkt sich der Nebel, ich sehe nicht mehr viel. Es geht rauf und runter, die Luft ist feucht, nun nieselt es leicht. Als ich schon nass bin – nun, etwas spät – stülpe ich den Poncho über. Premiere. Er flattert ein wenig beim Runterfahren, aber viel, viel besser als die Regenbekleidung in dem Klima! Nun regnet es richtig und bei den vielen Auffahrten komme ich richtig ins Schwitzen. Aussen nass, innen nass. Hätte man sich von der Selva denken können. Langsam lässt der Regen nach. Ich überquere die Brücke über den Rio Pastaza, auf der anderen Seite hat es ein Restaurant. Ich bin hungrig, bestelle ein Brötchen mit Käse und Kaffee. Lange sitze ich nicht alleine da. „Woher kommst du? Aus welchem Land? Ganz alleine?“ Wie immer. Langsam nervt mich diese Frage wirklich. Da kommt der nächste Señor. Wieder von vorne. Na ja.
Ich mache mich auf den Weiterweg, es folgt eine längere, saftige Steigung, dann bald noch eine. Ganz schön anstrengend. Und bald regnet es wieder. Poncho an. Regen hört auf. Poncho ab. Beginnt wieder. Poncho an. So geht das den ganzen Tag weiter. Auch anstrengend. Ich passiere wieder viele winzige Comunidades de Shuar Indigenas. Leider gibt es keine Läden, keine Restaurants. Es ist Mittagszeit, ich habe Hunger. Huch, da eine Holzbarracke, wo Gaseosas verkauft werden. Ich halte. Drei Typen bestaunen ein Motorrad, nun bestaunen sie mein Rad, dann mich. Es folgen die drei berühmten Fragen, dann gibt es viele Tipps, wie ich einen Mann finden kann. Zum Schluss erklärt man mir das Balzritual der Shuar. Sehr amüsant. Als ich weiterfahre, regnet es wieder. Na ja. Ich fahre weiter durch das tropische Grün. Die Blumenvielfalt ist wirklich toll. Ich erklimme weitere Hügel, fahre weiter runter und wechsle den Poncho noch einige Male. Dann folgt der letze Anstieg nach Macas. Es ist kurz vor 16 Uhr, 90 km und gute 1’100 Höhenmeter habe ich durch die „flache“ Selva hinter mir. Ich frage nach den Bomberos, wo ich mich in einem grossen Saal niederlassen darf. Eine heisse Dusche hat es auch, so warm ist es hier nicht. Ich wasche ein paar Kleider, in der Hoffnung, dass sie trocknen. Zudem verbrenne ich mir am Gaskocher einen Finger beim Wechseln der Gaskartusche und im dunklen Fitnessraum hole ich mir eine riesige Beule am Oberschenkel. Ein erfolgreicher Tag! Um 21 Uhr bekomme ich noch Gesellschaft von einem argentinischen Backpacker. Bis auf das er im Schlaf spricht bekomme ich nicht viel von ihm mit, denn er geht und ich lege mich schlafen.
01.07.2014. Als ich um 8 Uhr startklar bin, pennt der Argentinier noch. Ich fahre weiter auf der E45 in Richtung Suaca. Der Himmel hat einige blauen Stellen, wie schön. Zuerst fahre ich aber in feuchtem Nebel runter, dann aber lichten sich die Wolken wirklich. Bald ist immer mehr blau zu sehen! Heute geht es oft runter. Bei Sonnenschein wird es immer heisser. Und wir wären nicht in Ecuador, wenn da nicht immer wieder Zwischensteigungen wären. Da läuft der Schweiss heute in Strömen, zumal die Steigungen oft ziemlich steil sind. Aber mit den ganzen Abfahrten komme ich zügig voran. Die E45 ist auch vom Verkehr her sehr angenehm, es hat nämlich sehr wenig. Oft höre ich nichts. Nun, bis auf das leichte Schleifen meiner Bremspads. Auch Leo in Ambato hat da nicht gerade gute Arbeit geleistet. Bei der Umfahrung von Logroño gibt es bei einer Tankstelle einen Gatorade-Stopp. Ich fahre weiter runter und immer wieder hoch. Gegen 13.30 Uhr erreiche ich Bella Union. Hier biegt die Strasse nach Cuenca ab, die andere führt nach Süden. In dem Mini-Kaff gibt es nicht viel. Und der nächste grössere Ort, Mendez, liegt auf dem Weg nach Cuenca. Ich frage in Bella Union rum. Der Padre nicht da, zudem hat es in der Kirche weder Klo noch Wasser. Bei der Schule könnte ich campen, aber es ist alles offen und die Klos geschlossen. Zudem brauche ich nicht den Rest des Tages irgendwelche Schulkids, die mich pausenlos mit Fragen durchlöchern. Bei der Tankstelle ist niemand da mit Verantwortung und Schlüssel. Na dann, beisse ich in den saueren Apfel und fahre nach Mendez. Gleich geht die Strasse steil runter, auch nachher ist sie nicht wie angegeben flach. Na ja, das muss ich morgen alles wieder hochfahren. Aber in Mendez hat es gleich bei der Plaza Bomberos. Ich komme nicht zum Fragen, der Comandante sagt mir gleich, dass ich hier ausruhen könne. Heute gibt es sogar ein Bett, aber beim Anblick der Wolldecke sträuben sich mir ja die Haare zu Berge. Ob da Bichos drin sind? Die Bichos von Zumbahua bin ich nämlich noch nicht los. Ich habe festgestellt, dass ich am liebsten auf meiner Matte am Boden schlafe, Betten sind mir im Moment etwas suspekt. Aber zuerst muss ich nun was essen, ich habe Hunger!
02.07.2014. Der Bombero regt sich nicht, als ich kurz nach 6 Uhr meine Sachen leise raustrage. Hier beginnt man später mit der Arbeit. Als ich alles rausgetragen habe, steht er auf. Na dann. Eigentlich wollte ich sehr früh losfahren, aber es wir dann doch 7.20 Uhr. In Mendez bricht der Himmel auf, ich sehe blau. Doch schon auf den 5 Kilometern zurück zur E45 regnet es. Hier gibt es kilometerweise Wetter. In Bella Union biege ich diesmal nach Limon ab. Kurz runter, dann beginnt eine längere Steigung. Hier ist es nun trocken, bis auf meine Schweissausbrüche. Ich fahre lange hoch, dann wir das Gelände hügelig. Ich komme ganz gut voran und nach 30 km erreiche ich Yunganza. Danach geht’s wieder gut hoch, mal runter, gut hügelig eben. Es folgt wieder eine lange Steigung mit sehr fiesen Abschnitten. Bald fahre ich auf Schotter durch eine sehr lange Baustelle. Hier wurde grossräumig der Hang weggerissen. Einige Stellen sind sehr steil, meine Beinmuskeln haben heute viel zu tun. Und es sieht nach Regen aus.
Es fallen kilometerweise auch ein paar Tropfen, aber nichts Erwähnenswertes. Es folgt wieder eine Abfahrt, ich fahre in den Canton Limon Indanza. Und irgendwo muss auch Limon sein. Nur nicht auf meiner Karte. Es geht wieder den Berg hoch, da: Limon! Ein grösserer Ort. Und nicht auf der Karte, weil er offiziell General Leonidas Plaza Gutierrez heisst. Eine Strasse führt durchs Dorf, die andere aussen rum. Ich frage einen Señor nach dem besseren Weg und dem weiteren Streckenverlauf. Er meint, es folge eine Steigung, für die man mit dem Auto 2 Stunden bräuchte. Dann eine Abfahrt, ebenfalls 2 Stunden im Auto. Und Dörfer hätte es auf der Strecke keine. Hört sich doch gut an! Ich fahre ins Dorf und esse beim Mercado ein Menu. Dann suche ich die Bomberos. Es ist erst 14 Uhr, daher frage ich dort nochmals nach dem Wegverlauf. Die lange Steigung folgt, 10 km lang ist sie. Ein Bombero hat sie mit Fahrrad in 2 Stunden erklommen. Nach der Abfahrt folge nochmals eine bis San Juan Bosco. Das schaffe ich nie und nimmer. Da haben google maps und die zwei Profilseiten total falsche Angaben rausgespuckt. Meine Karte hat leider keine Kilometerangaben. Aber ich bekomme vom Chef das ok zum Bleiben. Dann mache ich das doch. 1’300 Höhen Meter sind genug. Ich bekomme einen riesigen Saal inkl. Klos. Den Berg nehme ich morgen früh in Angriff. Dieses Stück Oriente hat es gut in sich…
03.07.2014. In der Nacht beginnt es heftig zu schütten. Wie gut schlafe ich auf dem Tisch, denn am Morgen sind grosse Teile des Bodens nass, unter dem Tisch schlängelt sich ein Bächlein durch. Ich bleibe etwas länger liegen, der Regen prasselt immer noch aufs Dach. Dann ist’s genug, aufstehen, frühstücken und um 7.30 Uhr bin ich startklar. Es regnet nicht mehr und an einigen Stellen ist der Himmel blau. Bald beginnt die besagte Steigung. In der Tat hat es einige sehr steile Abschnitte, zwischendurch wird es zum Verschnaufen etwas flacher. Das Himmelblau ist verschwunden und es nieselt leicht. Am Wegrand hat es ganz unterschiedliche Orchideen, da muss ich natürlich gucken. Das gibt zusätzliche Verschnaufpausen.
Nach 2 Stunden bin auch ich oben, den Hügel hätte ich auch gestern noch geschafft. Und am höchsten Punkt liegt Plan de Milagro mit Schule, Kirche und Tankstelle. Die Señora der Tienda meint, die Tankstelle hätte sogar ein „Gästezimmer“ für Notfälle. Wie übrigens per Gesetz alle Tankstellen. Da bin ich mir ja nicht so sicher. Nun beginnt die Abfahrt, es ist so kühl, dass ich die Regenjacke anziehen muss. Aber ich verliere schnell an Höhe und unten ist es bald wieder warm. Nun folgen wieder en paar Steigungen und es beginnt zu regnen. In den Poncho gehüllt erreiche ich San Juan Bosco.
Es ist kurz vor 12 Uhr, ich setzte mich in ein Restaurant mit Mittagsmenu. Heute nicht Pollo sondern Chuleta de Res en Jugo. Der Jugo, die Sauce, wird mir noch den ganzen Nachmittag folgen… Hier hat es Bomberos, doch schon wieder so früh stoppen? Ich studiere etwas die Karte, frage nach Steigungen. Nach dem Essen scheint auch wieder die Sonne. Ich mache mich auf den Weiterweg. Es folgt wieder eine lange Steigung, diesmal 15 km, aber der Neigungswinkel ist wirklich flacher. Ich komme gut voran und schwitze gut in der Sonne. Heute sind die Köter wieder besonders lästig. In ganzen Rudeln fallen sie über mich her, die Besitzer schauen oft vom Haus aus zu und tun… absolut nichts. Kloppen sollte man die. Zuerst die Tölen, dann die Besitzer! Nach der Bergfahrt folgt eine Abfahrt, dann wird es gut hügelig. Das erste Dorf auf der Karte sehe ich nie, aber Tucumbatza wird mit Kilometern angegeben. Ich erarbeite Steigung um Steigung, werde von einem Turboregenguss total durchnässt und langsam habe ich genug. Da sehe ich ein Schild: Tucumbatza. Doch wo ist das Dorf? Ay, da unten, mit Kirche. Im Dorf frage ich nach dem Padre, einem Lehrer. Alle nicht da. Der Sindico der Kirche wohnt weiter unten. Der ist aber auch nicht da, eine kauzige Señora verweist mich zu dem kleinen Laden. Dort frage ich nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Señora Melina zeigt mir einen Platz, wo ich mein Zelt aufstellen kann. Oben hätte es auch noch ein Zimmer und sie könne eine Matratze holen. Nein, nein, Matratze habe ich. Der Raum oben ist dreckig, aber mit wischen geht das. Nun zeigt sie mir noch ein winziges Zimmer, viel sauberer. Perfekt! Sicherheitshalber frage ich, ob sie denn was dafür verlangt. Nein, sie wolle nur, dass ich in Ruhe ausruhen könne. Das sind noch Worte! Vielen Dank! Mit der Ortliebdusche wasche ich mir den Schweiss vom Körper, denn Dusche hat die Familie keine. Dann gibt’s in der Tienda ein Fanta und Chifles. Ein bisschen Umsatz generiere ich doch. Der einzige Komische ist Melinas Mann, der grüsst nicht und würdigt mich keines Blickes. Na ja, was soll’s…
04.07.2014. Die ganze Nacht über regnet es wieder heftig. Aber eigentlich kein schlechtes Muster, Nachts Regen, tagsüber mehr oder weniger trocken. Als ich um 7.30 Uhr startklar bin, hängen die Wolken tief in den grünen Bergen, aber es regnet nicht. Heute Morgen spricht auch der Señor, sogar mit einem Lächeln im Gesicht. Er meint, es folge eine Steigung, doch da sei ich mit dem Rad in 20 Minuten oben. Ich bedanke und verabschiede mich. Die Steigung beginnt sogleich. Kilometer um Kilometer arbeite ich mich den Berg hoch, immer in der Hoffnung, dass es gleich runter geht. Aber dem ist lange nicht so. 10 km fahre ich hoch, das sind 2 Stunden. Pffff… 20 Minuten. Dann folgt endlich die Abfahrt und in 2,5 Stunden erreiche ich Gualaquiza. Dort fahre ich bis auf einen kurzen Stopp durch. Nun wird es flacher, dafür beginnt es zu tröpfeln. Passt heute irgendwie zu meiner Stimmung, die ist etwa so trüb wie der graue Himmel. Nun führt die Strasse hügelig durch die Gegend, flach existiert in Ecuador nicht.
Langsam habe ich Hunger. Aber ich will noch bis nach El Pangui durchfahren. Eine letzte Mördersteigung, dann hab ich’s geschafft. Ich setze mich in ein Restaurant zum Mittagsmenu. Ich habe gerade den Hauptgang vor mir, da fahren 2 Ciclistas durch. Sol und Guille. Die beiden Kolumbianer kenne ich von Tumbaco. Wir unterhalten uns kurz. Es ist 13 Uhr, die beiden wollen in zwei Stunden im 35 km entfernten Yantzaza sein. Zum Fussbal gucken. Da kann ich nur „Suerte“ wünschen. Ein ambitiöses Ziel. Ich esse gemütlich, studiere die Karte und ruhe etwas aus. Um13.45 Uhr fahre auch ich weiter, obwohl meine Beine ziemlich müde sind. Gestern Abend hatte ich auch Krämpfe in den Oberschenkeln. Ich übertreibe es wohl gerade ein wenig. Na ja. Nun scheint die Sonne wieder und es ist warm. Es folgen ein paar gute Steigungen. Der Himmel verdunkelt sich bald wieder, es beginnt zu tröpfeln. Nach 15 km treffe ich wieder auf Sol und Guille, die sich gerade vor dem Regen flüchten. Hm, die sind nicht gerade weit gekommen. Der Regen wird heftiger, ich schlüpfe unter den Poncho. Schon ein cooles Teil. Den mag ich. Nun schüttet es und bei den Abfahrten werde ich an Beinen und Füssen gut nass. Was soll’s. Ich fahre nun längere Zeit im Regen, rauf und runter. Nur langsam lässt das Himmelswasser nach. Dann ist es aber wirklich wieder trocken. Huch, schon 90 km bin ich gefahren. Bis nach Yantzaza sollen noch 5 – 8 km fehlen. Es wird noch etwas flacher, ich folge dem Rio Zamora. Nach 100 km endlich die gesperrte Einfahrt ins Dorf. Auf einem nicht signalisierten Umweg geht’s auch rein, die Suche nach den Bomberos gestaltet sich mehr als Orientierungslauf. Auf einem Kuhweg gelange ich schliesslich dahin. Es findet gerade eine Schulung statt, aber man gewährt mir Asyl. Heute gibt es wieder ein nett im Dormitorio. Sowie eine Dusche und ein Bombero kauft mir auch noch Drahtvelo-Ohrringe ab. Für seine Tochter. Nicht schlecht. Die Betten im Dorm stehen nahe aneinander, mein Nachbar fängt bald an, tausend Fragen zu stellen. Ich komme mir vor, wie damals im Schullager. Dann mache ich ihm aber klar, dass ich nur schlafen will und nicht darüber, wieviele Kinder man haben sollte.
05.07.2014. Um 6 Uhr ist Bombero-Aufstehzeit. Danach beginnt wie immer die grosse Putzaktion. Ich frühstücke und nutze noch etwas das Wi-fi für die Routenplanung. Kurz vor 8 Uhr mache ich mich auf den Weg. Der Himmel ist grau und wolkenverhangen und bald nieselt es leicht. Immer so fest, dass man nass wird, aber zu schwach für den Poncho. Lästig. Es folgen 41 gut hügelige Kilometer nach Zamora. Einige Kilometer davor esse ich etwas, in Zamora habe ich keinen Hunger mehr. Nun, für einen Becher mit Früchten reicht es, zudem kaufe ich in einer Panaderia noch etwas Proviant. Bei der Polizei frage ich nach dem Weg und den Dörfern. Der Polizist ist wie schon so oft nicht gerade nett und hilfsbereit. Auf die Polizei kann man hier also nur bedingt zählen. Aber er spricht von 2 Dörfern, beide in der Hälfte des Weges nach Loja. Also fehlen noch 30 km. Uff, das ist viel für Bergrauffahren. Aber ich mache mich wieder auf den Weg, ich muss heute schon an Höhe gewinnen, um morgen nach Loja zu kommen. Ob meine Beine da noch durchhalten? Ich fahre schon ziemlich am Limit. Es geht raus aus Zamora, etwas hoch nach El Limon. Da fällt mich wieder mal ein Köter an. Wie schon so oft in den letzten Tagen. Die sind hier wirklich extrem lästig. Da steigt ein Mann aus einem Taxi, verscheucht den Hund und fragt, wohin ich wolle. Nach oben. Er erklärt mir nun erstaunlich genau die Strecke. Zuerst relativ flach, nach einer Brücke folgt eine gute Steigung von 7 km, dann wieder eher flach. Nach 28 km würde ich das Dorf El Tambo erreichen und dort sollte ich bleiben. Tja, wenn das keine Worte sind. Es ist 13 Uhr, er meint zudem, dass ich etwa um 16.30 Uhr dort sein würde. Mal sehen. Aber von der Distanz her deckt es sich mit dem 30 km vom Polizisten. Es geht flach bis hügelig hoch, dann passiere ich eine Brücke. Nun steigt die Strasse gut an, nach einer Weile überquere ich eine noch grössere Brücke. Hier beginne ich mit dem Zählen der 7 km. Es folgen nun gut steile Abschnitte, zudem nieselt es auch wieder leicht, wie schon den ganzen Tag. Langsam fahre ich in den Nebel rein. Sicht gleich Null. Zudem ist die Strasse hier nun sehr eng und Seitensteifen hat es keinen mehr. Der Verkehr hat zugenommen und es wird massiv gerast. Die Kilometer ziehen sich dahin, immer wieder halte ich. Beine und Po schmerzen. Dann wird es flacher. Häh? Jetzt schon? Ah, es war doch die erste Brücke gemeint gewesen. Da bin ich absolut nicht unglücklich. Es folgen immer noch kleinere Steigungen, aber immerhin bin ich durch die Nebelwand durch. Ich esse die zwei süssen Teile aus der Zamora-Panaderia. Irgendwie schmecken sie nicht. Danach fühle ich mich komisch. Es folgt ein Dörflern, ich frage nach dem Namen: El Retorno. Ein Señor meint, ich bräuchte noch 2 Stunden bis nach EL Tambo. Die Uhr zeigt 15.30 Uhr, km 64. Theoretisch müsste El Tambo bei km 72 liegen. Na dann, ich strample weiter den Berg hoch, es wird etwas flacher und nach einer Kurve ein Schild: El Tambo. Die Überraschung des Tages. Wie schön und schon nach 68 km! Und es ist 16.30 Uhr! Sachen gibt’s. Ich frage mich, was für einen Beruf der Señor von El Limon hat. Oder vielleicht ist er Ciclista. Hier frage ich nun einen Señor nach dem Padre, einem Lehrer, einer Schlafgelegenheit. Die ersten zwei wohnen nicht hier, für die Dritte soll ich zur Polizei gehen. Polizei, na ja. Ich schildere dem Polizisten mein Anliegen, er meint, sie hätten keine Cuartos. Ich erkläre ihm, dass mir ein Stück Boden reicht. Etwas widerwillig spricht er mit der Chica des Computerraumes. Sie will mir aber helfen. Ich warte eine Weile, nun könnte ich kotzen. Diese Teile waren wirklich verdorben. Aber die Chica kann mir helfen, im oberen Stockwerk hat es einen riesigen Saal inkl. Klos. Perfekt! Ich bedanke mich tausendmal. Wieder einmal Glück gehabt!
06.07.2014. Das Gute an so kleinen Dörfern ist, dass Samstag-Nächte schön ruhig sind. Der gewohnte Regen fällt auch, am Morgen ist es trocken. Soll ich jetzt zum Frühstück das Brot der Zamora-Panaderia essen? Nun, Brot sollte etwas regelmässiger verkauft werden. Scheint gut zu sein. Gegen 8 Uhr mache ich mich auf den Weg. 20 km Steigung liegen vor mir. Um 12 Uhr sollte ich etwa auf dem Pass sein. Gleich nach dem Dorf beginnt die Strasse anzusteigen, mal steiler, mal flacher. Meine Beine fühlen sich auch erstaunlich gut an, ich komme vorwärts. Zudem drückt die Sonne durch. So macht das Spass! In vielen Kurven zieht sich die Strassen den grünen Berg hoch. Dann kommt die obligate, ecuadorianische Abfahrt, um wieder an Höhe zu verlieren. Nach der Flussüberquerung geht die Steigung weiter. Nach 10 km und 2 Stunden Fahrt muss ich Energie nachtanken. Mittlerweile ist die Sonne weg, es nieselt leicht. Dann stärker. Der Poncho muss raus. 10 Minuten später ist es wieder trocken und ich schwitze zu stark unter dem Plastikteil. Poncho weg. 10 Minuten später wieder leichter Regen. Poncho an. Das Spiel wiederholt sich noch einige Male. So erreiche ich den Pass nie. Dann beginnt es richtig stark zu regnen. Das ist doch was. Je höher ich komme, desto mehr bläst nun der Wind. Der Poncho fliegt mir um die Ohren. Das ist nicht gut. Ponchos sind genial, aber nicht windgeeignet. Zudem ist es kühl. Nun muss die richtige Regenbekleidung raus. Blöderweise ist alles schweissnass. Ich ziehe wenigstens die Bluse aus, dann schlüpfe ich bei strömendem Regen in die Montur. Bäh! Grusig! Es fehlen noch 4 km, zum Glück wird es etwa flacher. Ich fahre durch Wind und Regen. Und nach 20 km bin ich wirklich oben. Es folgt die Abfahrt, hier ist es extrem windig. Dann eröffnet sich der Blick auf Loja. Und ich erhasche ein paar Sonnenstrahlen. Oh, wie gut das tut! Bald bin ich unten, der Weg ins Centro zieht sich etwas dahin. Zudem regnet es wieder. Ich halte kurz bei einem Internet für einen kurzen Blick ins Mail. Heute habe ich eine Nachricht von Silke, einer Radlerin, die lange hier gelebt hatte. Sie gibt mir einige Tipps, u.a. das Hotel Metropolitano, das Hans, einem Freund von ihr gehört. Dorf fahre ich gleich hin, ich bin nass und verfroren. Hans ist leider nicht da, kommt erst morgen von einem Biketrip zurück. Ich nehme trotzdem ein Zimmer, obwohl es 15$ kostet. Heisse Dusche war das magische Wort. Die Betten sind so so la la, es ist extrem eng und ohne Fenster ziemlich düster. Ich packe all die nassen Sachen aus, dann stelle ich mich lange unter die wirklich heisse Dusche. So lange, bis ich ganz rot bin. Herrlich! Dann muss Futter her und später spaziere ich etwas durch die Strassen. Aber irgendwie kommt mir noch nich’s bekannt vor.
07.07. – 09.07.2014. Nach 9 Tagen Durchfahren gönne ich mir drei Ruhetage in Loja. Zudem muss mein Rad in die Werkstatt. Die Bremsen, die Bremsen! Bei Bicimania ist es in guten Händen und endlich werden sie gut eingestellt. Durch Leos Einstellung haben sich die Pads einseitig abgenutzt, ein wahrer Held! Ich kann sagen, Mechaniker von Casas de Ciclistas taugen eher wenig, auch wenn es ihr Tagesgeschäft ist. Leider. Lieber etwas bezahlen, dafür guten Service bekommen.
Am zweiten Tag kann ich auch das Zimmer wechseln, nun habe ich Fenster, Tageslicht und viel mehr Platz. Einen Schreibtisch gibt es auch. Perfekt um endlich den Blog upzudaten, Mails zu schreiben und die Drahtvelowerkstatt aufzustellen. Ebenfalls bleibt mir viel Zeit für die Kommunikation mit Familie und Freunden. Ich möchte mich an dieser Stelle auch ganz herzlich für die seelische Unterstützung bei allen bedanken! Das ist nicht selbstverständlich und es gibt mir sehr viel Kraft und Aufschwung! Vielen Dank euch allen. Ihr seid meine Helden!
Ebenfalls lerne ich Hans kennen. Sein Grossvater kommt aus Deutschland, aber er spricht kein Deutsch. Der Besitzer der Hostess ist aber total sympathisch und er gibt mir zum Schluss auch einen ganz guten Rabatt. Das war wirklich ein guter Tipp und wenn man ein Zimmer mit Fenster bekommt, kann ich das Hotel Metropolitano auch sehr empfehlen. Der Service ist top.
So vergehen die Tag wie im Fluge, dazwischen schlendere ich durch die Strassen mit den engen Trottoirs. Zudem treffe ich mich mit Leah, der amerikanischen Radlerin, die wir schon in Kolumbien getroffen hatten. Sie kuriert hier seit einiger Zeit eine Erkältung aus. Wie beschliessen, zusammen in Richtung peruanischer Grenze zu fahren. Ich hoffe, etwas Gesellschaft wird mir gut tun und mich etwas ablenken.
Sorry, dass ich gelacht habe, als ich gelesen habe, dass Dir der Poncho ums Gesicht geflogen ist. Nein, das ist wirklich nicht gut. Und Respekt vor diesem Oriente-Trip, klingt ganz schön anstrengend. Ich wünsche Dir viel Spass auf dem Weg nach Peru, so, wie es klingt, können Dich steile Subidas nicht mehr so leicht beeindrucken. Hoffentlich klappt das Gespann mit Leah, Frauenpower ist immer gut!
Suerte y un abrazo
Monika