23. – 31.08.2014. 307 km. Mit leichtem Gepäck mache ich mich auf den Weg in die Cordillera Blanca. Ich geniesse die wunderschöne Berglandschaft, arbeite mich Schotterstrassen hoch und runter, erfahre die Gastfreundschaft der Parroquias in Chacas und Shilla und erlebe meinen ersten südamerikanischen Schneefall des Jahres auf der Punta Olimpica. Ein sehr schöner und intensiver Kurzausflug in meine geliebten Berge.
Route: Huaraz – Yungay – Portachuelo de Llanganuco – Vaqueria – Yananma – Paso Pupash – Sapcha – Chacas – Punta Olimpica – Shilla – Carhuaz – Huaraz
23.08.2014. Mit leichtem Gepäck mache ich mich auf den Weg in die Cordillera Blanca. Mein Plan ist, den Loop via Yungay – Paso Portachuelo de Llanganuco – Yanama – Chacas – Punta Olimpica – Carhuaz zu fahren. Die meisten Ciclistas machen den Loop andersrum, aber mein Gedanke ist, dass ich so länger auf der 3N runterfahren kann und beim Zurückkommen habe ich weniger Kilometer auf der N3 zum Hochfahren. Zudem habe ich so zuerst den Schotterpart und dann folgt der Asphalt. Dies meine Gedanken. Um 8 Uhr geht es schliesslich los. Wie gesagt auf der N3 in Richtung Yungay. Die Strasse ist furchtbar, es hat sehr viel Verkehr, sie ist eng und die Minibusse halten vor meiner Nase ohne zu blinken und schwenken ohne jegliches Signal wieder aus. Eine echte Gefahr mit Null Rücksicht der Fahrer. Ein grosser Bus fährt mich fast über den Haufen, so nahe überholt er. Tendenziell geht es runter, ich komme gut voran. Obwohl bis Yungay auch 400 Meter zu steigen sind. In Yungay fahre ich zur Plaza, dort beginnt die Strasse nach Yanama und zur Laguna Llanganuco. Eine steile Dorfausfahrt, dann beginnt eine sanft steigende Schotterstrasse. Das Fahren mit so leichtem Gepäck ist absolut genial. Ich fühle mich leicht und komme super voran. So sollte es immer sein. Ich Gedanken eliminiere ich Material… Die Auffahrt ist angenehm und mit dem Blick auf den Huascaran ist auch die Assicht toll.
Das einzige Mühsame hier ist auch der Verkehr. Touristenbusse zu den Lagunas, Taxis, Laster. Und jedes Fahrzeug wirbelt enorm viel Staub auf. Trotz Buff-Maske komme ich gut ins Husten. Zudem hat es einige Vollidioten, die die 30 km/h Begrenzung als Witz sehen und mit Vollgas über den Schotter donnern. Die Steine fliegen umher, treffen Rad und Fahrerin. Und wenn da ein Kind plötzlich auf die Strasse rennen würde, gäbe es eins weniger. Darüber unterhalte ich mich später mit dem Nationalparkpersonal, aber sie meinen nur, es gäbe hier oben eben keine Kontrolle. Ja, das ist offensichtlich. Die Frage ist, wenn es sie gäbe, ob es dann besser wäre? Ich passiere viele Dörfer, bei einem gibt’s eine Mittagsrast. Viele Indigena-Frauen sprechen mich an. Wie immer, ob ich alleine sei und wieso. Immer die gleichen Fragen. Und ob ich keine Angst hätte. Ich meine nur, es gäbe hier ja keine Löwen. Eine Señora ist ganz süss unf fragt, ob ich das Fahrrad ganz alleine den Berg rauflenken könnte… Ja, ich kann und so geht es weiter den Berg hoch. Kurz nach 15.30 Uhr erreiche ich den Eingang in den Parque Nacional Huascaran. Hier muss ich ganze 65 Soles hinblättern für 21 Tage Parkaufenthalt. Und dies, obwohl ich nicht trecken gehe und nur die Strasse benutze. Hier hätte man etwas diskutieren können. Na ja. Ich könnte hier übernachten, aber man sagt mir, in 7 km folge die Recreation Area Chinancocha mit einem Puesto de Vigilancia. 7 km schaffe ich noch. Die Strasse war bis jetzt schon recht holprig, nun schüttelt es mich gut durch. Die Strasse ist bestückt mit grossen Steinen, über jeden holpere ich. Nun wir das Tal enger und schattiger und was höre ich da? Bsssss? Moskitos! Und sie haben es voll auf meine Ohren abgesehen! Die 7 km ziehen sich dahin. Gegen 17 Uhr und nach 83 km, 7 Stunden im Sattel und 1’681 Höhenmetern erreiche ich endlich die Recreation Area Chinanchocha. Ich fahre rein, Vigilante Marciano begrüsst mich. Ich könnte im Haus übernachten, doch da hat jemand Benzin ausgeleert, der Gestank ist mir zu intensiv. So stelle ich das Zelt draussen auf, mit tollem Blick auf den Huascaran Norte. Nun kommt auch noch Kollege Raul, dieser will mich für eine Propina über die Laguna rudern. Na gut, ein kleine Runde. Danach muss ich mich warm anziehen, es wird kühl auf 3’850 m.ü.M.
24.08.2014. Kurz nach 8 Uhr verlasse ich die Laguna Chinancocha (feminin). Nun führt die Strasse eher flach der Lagune entlang, dann folgt die Laguna Oroncocha (maskulin) mit einer ganz anderen Wasserfarbe. Schön! Beide Lagunen zusammen nennen sich die Lagunas von Llanganuco.
Der Legende nach haben die türkisfarbenen Gewässer ihren Ursprung in den Tränen der Liebe einer Prinzessin und eines Soldaten. Die beiden wollten fliehen, um sich ihrer Liebe hinzugeben, aber sie wurden erwischt und in diesen unwirtlichen Teil der Cordillera Blanca verbannt. Unter diesen schwierigen Umständen hatte der Gott der Huaylas, vielleicht bewegt von den Tränen der beiden jugendlichen Liebenden, Erbarmen und verwandelte sie in zwei wunderschöne Nevados, den Huascaran und den Huandoy. Deren Tränen sich noch heute in die zwei Lagunen ergiessen.
Nun beginnt die Strasse anzusteigen und was sehe ich da? Einen Ciclista. Scott. Und da stösst auch schon Sarah das Rad die Böschung hinauf. Die beiden Texaner haben hier gecampt. Wir unterhalten uns eine ganz Weile, dann muss ich aber weiter, ich habe noch die ganze Steigung bis zum Paso Portachuelo de Llanganuco vor mir. Scott meint, ich bräuchte den ganzen Tag dazu, die Strasse sei obermies. Ich steige weiter, die Strasse ist obermies. Durchsetzt mit grossen Steinen, losen Steinen und die Kurven sind mit zentimeterdicken Staubschichten und ebenfalls losen Steinen bestückt. Das Fortkommen ist holprig und schwer, ich muss mich sehr auf die Strasse konzentrieren. Und dies bei dieser absolut genialen Aussicht! Huascaran und Chopicalqui auf der einen Seite, Huandoy, Pisco, Chacraraju und Yanapaccha auf der anderen Seite. Andenpanoramen pur! Wunderschön! Und im Tal unten die zwei Lagunen.
Kurve um Kurve arbeite ich mich die Rumpelpiste hoch, begleitet von lästigen Pferdebremsen, die mich umschwirren und zu stechen versuchen. Elende Biester! Nach 21 km erreiche ich gegen 13.30 die Punta. Juheee! Das waren wohl 44 Kurven! Schon cool, diese Strasse von oben zu sehen. Vor allem in dem Wissen, dass man da gerade hochpedalt ist. Aber vor lauter Erinnerungen an das 2010 habe ich verschwitzt, die Lagunen von weiter unten aufzunehmen, denn von hier oben sieht man sie nicht mehr. Man sollte eben im Jetzt leben und sehen!
Ich geniesse eine Weile die Aussicht, dann passiere ich den Pass und blicke auf der anderen Seite runter. Blaue Lagunen, mehrere Nevados. Ich liebe diese Berge! Hier weht nun ein kühler Wind, ich packe mich gut ein und nehme die Abfahrt in Angriff. Die Strasse auf dieser Seite ich so mies wie auf der anderen, wenn nicht noch schlechter. Ich komme auch hier kaum voran, viel mehr als 10 km/h liegen nicht drin. Und dies baum Runterfahren! Ich mache eine kurze Mittagspause, dann geht’s weiter auf der Rumpelpiste. Ich weiss nicht, ob runterfahren fast anstrengender ist als hochfahren. Bald schmerzen meine Hände und Arme vom Bremsen und vom Schläge auffangen. Und auch hier muss der Blick leider wieder auf die Strasse, das Panorama ist auch hier toll.
So fahre ich langsam runter und paff, liege am Boden. Ausgerutscht auf losen Steinen und voll auf die linke Kniescheibe geknallt! Das tut weh! Ich sitze eine Weile am Boden, dann raffe ich mich auf und fahre weiter. Die Abfahrt zieht sich hin, die Zeit schreitet voran. Mein Ziel Yanama erreiche ich wohl heute nicht mehr. Kurz vor 17 Uhr erreiche ich Vaqueria, 14 km fehlen bis nach Yanama. 40 Minuten im Auto. Ein Señor will mich mit dem Taxi hinbringen, das lehne ich dankend ab. Nun bietet er mir für 10 Soles ein Bett an. Hier gibt es sonst nichts, keine Schule, Kirche, nada. So nehme ich das Bett an.
25.08.2014. Schon in der Nacht an der Laguna Chinancocha hatte ich ein leichtes Kratzen im Hals, diese Nacht nun wache ich mit Halsschmerzen auf. Klar, die Apotheke habe ich in Huaraz gelassen, aber im Notfallset hat es zum Glück ein paar Halswehtabletten. 5 Stück um genau zu sein. Gegen die verstopfte Nase hingegen hilft nur Schnäuzen. Um 4 Uhr beginnt dann hier die große Putzaktion und ab 5.30 Uhr plärrt die typisch peruanische Musik durch das Gemach. Na, ich wollte sowieso früh aufstehen, um 6.15 Uhr schäle ich mich aus dem Schlafsack. Dann gibt’s einen Migros Brusttee, den finde ich zwischen den anderen Teebeuteln. Nicht schlecht. Um 7.15 Uhr mache ich mich auf den Weg. Bis Yanama geht’s bis auf ein paar kleine Steigungen runter, das wären gestern noch 13 km und 1 h 15 min gewesen. Nun beginnt die Steigung nach Chacas. Dies ist nun ein schmaler Weg mit etwas weniger Steinen. Aber die Steigungen sind steiler. Na, mit dem Light-Gepäck kein Problem. Ich komme so fast überall hoch. Auch den Beinen geht es viel besser. Ich glaube, mein hohes Gewicht ist wirklich ein Punkt, um den ich mich intensiv kümmern muss. 9 km steige ich steil nach oben, heute ist der Himmel bewölkt und es ist kühl. Auf dem Paso Pupash biege ich rechts ab. Ich hatte in Yanama nach dem Weg gefragt. Links 1 Stimme, rechts 3 Stimmen. Rechts kann also nicht so falsch sein. Kurz danach geht’s runter. Steil runter. Nun kommt mir das erste Auto des Tages entgegen. Ein blauer Jeep. Ich halte ihn an, lasse mir versichern, dass ich auf dem Weg nach Chacas bin. Der Chico spricht mit Akzent und meint „mas o menos“. Der Weg sei richtig, aber es sei noch sehr weit. Ich solle bei der Parroquia in Sapcha halten, dort bleiben oder immerhin was essen. Diese gehöre zur Kirche von Chacas. Ahhh, italienischer Akzent. Ich fahre bis auf ein paar kleine Steigungen weiter runter, die Strasse ist wieder schlechter und sehr steil. Meine ganzen Arme schmerzen mittlerweile vom Bremsen. Ich passiere Wicrococha, hier betteln mich die Kinder um Caramelos an. Habe ich keine. Gegen 12.30 Uhr erreiche ich Sapcha, ich habe Hunger und fahre wie empfohlen zur Parroquia. Señora Manuela heisst mich warm willkommen und gibt mir selbstverständlich etwas zu essen. Suppe, dann gibt’s Bohnen- und grünen Salat. Sehr lecker. Und zum Schluss noch einen echt italieneichen Kaffee. Das gibt Energie. Die Leute meinen, im Autos seien es 0,5 h Abfahrt und 0,5 h Auffahrt bis nach Chacas. Das sollte ich heute auch noch schaffen. Wohl in ca. 3 Stunden. Um 13.30 Uhr mache ich mich auf den Weg. Die anstrengende Abfahrt geht weiter, ich habe schon zwei richtig taube Finger. Es wird zudem langsam wärmer und nach 1,5 Stunden erreiche ich Acochaca und die Asphaltstrasse. Ich biege rechts ab, gleich geht’ steil hoch. Aber ich bin wirklich total fasziniert, wie gut das geht. Echt genial und das trotz Erkältung. So fahre ich nochmals 1,5 Stunden hoch und gegen 16.30 Uhr erreiche ich nach fast 8 Stunden im Sattel Chacas. Hier geht’s natürlich zur italienischen Parroquia, die ist schon fast berühmt bei den Ciclistas. Köchin Maria gewährt auch mir Asyl, aber zuerst gibt’s einen heissen Tee und Brot. Dann zeigt sie mir einen grossen Dorm, wo ich ein Bett aussuchen kann. Ich freue mich schon auf die heisse Dusche, aber die ist eher kalt. Um 19.30 Uhr gibt’s dann Nachtessen. Pizza! Und die ist echt fantastisch! So eine gute Pizza hatte ich schon lange nicht mehr! Wow!
26.08.2014. Diese Nacht wird die Erkältung noch schlimmer, ich huste, bekomme kaum Luft und die Nebenhöhlen schmerzen. Ich stehe früh auf, frühstücke, aber ich fühle mich nicht richtig fit. So frage ich Maria, ob ich wohl einen Tag hier ausruhen dürfte. Das ist kein Problem. Wirklich nett. Und weil ich nichts Unterhaltendes bei mir habe, gibt es wirklich einen Ruhetag, mit viel liegen, schlafen, ausruhen, Tee trinken und etwas durch das Dorf schlendern. Auch Chacas ist sehr speziell, alle Häuser haben wunderschön geschnitzte Holzbalkone, auch viele Türen sind so gefertigt. Ich sehe mir viele Schnitzereien von Nahem an, wirklich toll.
Ich frage auch diverse Leute in der Parroquia, ob sie mir etwas dazu erzählen können, aber niemand weiss wirklich Bescheid. Ebenfalls eine gute Betätigung ist essen. Das ist wirklich sehr lecker hier. Beim Abendessen lerne ich dann noch Matteo, einen Tiroler kennen. Er spricht Deutsch und wir unterhalten uns eine Weile. Er ist schon seit 20 Jahren hier und endlich habe ich die Person getroffen, die mir Bescheid geben kann über die schönen Holzarbeiten. Matteo erzählt mir die ganze Geschichte von Vater Hugo de Censi:
Hugo de Censi, oder hier einfach Padre Ugo genannt, wurde im Jahre 1924 im Veltlin in Italien geboren. im Jahre 1952 wurde er zum Salesiner-Priester geweiht. So war er natürlich ein treuer Anhänger von Don Bosco und dessen Ordensgemeinschaft und er liebte die Arbeit mit jungen Menschen. Im Jahre 1955 begann er seine Arbeit mit Strassenkids in Italien. Diese Arbeit war sehr wichtig für Padre Ugo und formte seinen Charakter. Später nahem er diese jungen Leute mit in die Berge, um ihnen die Natur und eine andere Spiritualität zu zeigen. 1966 kehrte Padre Pietro Melesi von seinen Missionsjahren in Brasilien zurück und schilderte Padre Ugo seine Probleme mit der Hilfe der armen Leute in der Region Mato Grosso. Padre Ugo wollte sofort selbst helfen und 1967 war eine erste Gruppe junger Italiener nach Brasilien unterwegs. Padre Ugo konnte aus gesundheitlichen Grünen nicht mitgehen, aber er stand den Jungen mit Rat und Tat zur Seite. So entstand die Operation Mato Grosso, OMG. In den folgenden Jahren unternahm die OMG weitere Missionsexpeditionen nach Brasilien, Ecuador, Bolivien und 1975 das erste Mal nach Peru. Padre Ugo wollte ebenfalls helfen, aber weiterhin in den Bergen leben. Auf der Landkarte sah er die Cordillera Blanca und liess sich 1976 als Gemeindepfarrer in Chacas nieder. Hier wollte er den armen Leuten Gott näher bringen, aber das war ihm bei dem Blick auf die ganze Armut nicht genug. Er wollte den Leuten helfen und 1979 eröffnete er eine Schreinerschule gemäss den Prinzipien von Don Bosco. So entstand die erste Don Bosco Schule in Chacas. Den Schülern aus armen Familien wurde eine professionelle Ausbildung, Kost, Logis und Kleider gegeben. Alles kostenlos. Doch viele der Schüler wanderten nach der Ausbildung in die grossen Städte ab. Um dem entgegenzuwirken wurden die Kooperativen gegründet. Nach der Ausbildung können die Jungen weiterhin an Ort und Stelle ihrer Arbeit nachgehen und ihren Lebensunterhalt verdienen. Die meisten Holzarbeiten werden nach Italien exportiert, es gibt aber auch lokale Aufträge. Wie z.B. eben die wunderschönen Balkone und Türen in Chacas. Später kamen weitere Ausbildungen wie Glaser, Bildhauer, Lehrer, Ausbildungen für Frauen etc. hinzu. In Chacas errichtete Padre Ugo mit Hilfe von Volontären ebenfalls ein Spital, wo die arme Bevölkerung kostenlos behandelt wird. Die Operation Mato Grosso lebt von dem Einsatz von Volontären, hauptsächlich aus Italien, und sie organisieren sich, auch finanziell, unabhängig in den jeweiligen Orten. So wie Matteo, der seit 20 Jahren mit seiner Familie in Chacas lebt. An ihn vielen Dank für die ausführliche Erklärung.
27.08.2014. Matteo wollte mir um 7.30 Uhr noch die Werkstätten zeigen. Doch wie das so ist gibt er um diese Zeit Schule und die Werkstätten sind geschlossen. Aber Köchin Silvia kann das nicht auf sich beruhen lassen und bald werde ich von einem jungen Italiener herumgeführt. Zuerst zeigt er mir die wunderschöne Kirche mit all ihren Holz-, Glas- und Malerarbeiten. Dann zeigt er mir, wo die jungen Lehrenden wohnen, wir gehen weiter durch die verschiednen Werkstätten und dann besuchen wir noch die Kooperativen. Die Schreiner, eine Glaserei und zum Schluss werde ich noch in die Glaserei der Frauen geführt. Echt toll, was da alles gemacht wird. Schade, dass die Werkstätten gestern geschlossen waren, als ich Zeit hatte. Denn nun sollte ich langsam los, ich habe noch eine lange Steigung vor mir. Um 8.30 Uhr fahre ich los, zuerst geht es nur leicht rauf, ich passiere einige Dörfer, dann beginnt die Steigung. Der Himmel ist heute bewölkt, es ist kühl. Nun steige ich durch das Tal hoch, ich fahre auf den Gletscher des Contrahierbas zu. Der scheint auf die Strasse zu fliessen. Ein grandiose Kulisse. Ich fühle mich klein in der grossartigen Natur. Dann beginnen die Serpentinen, aber auf Asphalt geht das wunderbar. Ich bin auch immer noch fasziniert und begeistert, wie gut man mit dem leichten Gepäck hoch kommt. Ich kann es nur nochmals sagen…
Nun beginnt es leicht zu hageln. Oder ist das Eisregen oder runder Schnee? Auf jeden Fall machen mich die interessanten Körner noch nicht nass. Aber es werden immer mehr, je höher ich komme. So muss ich doch noch die Regenjacke anziehen. Gegen 13.15 Uhr erreiche ich nach 28 km den Tunnel. Seit 2013 gibt es hier oben einen Tunnel, der zusammen mit der Asphaltstrasse die Fahrzeit und Sicherheit von Carhuaz nach Chacas massiv verkürzt und verbessert hat. Mit 4’735 m.ü.M. ist es auch der höchste Tunnel der Welt. Aber ich möchte noch weiter hinauf, biege ab auf die alte Strasse. Zu beginn kann ich noch gut fahren, linkerhand taucht die wunderschöne Lagune des Poroquinga auf. Er gehört zum Gebirgsmassiv des Ulta. Heute ist es eine verschneite Laguna. Denn nun schneit es richtig heftig, ich muss die ganze Regenbekleidung und warme Handschuhe anziehen.
Dann geht’s weiter hoch. Nun muss ich des Öfteren schieben, Felsblöcke versperren den Weg oder lose Steine machen das Fortkommen schwer. Zudem liegt nun eine etwa 5 Zentimeter dicke Schneeschicht auf dem Weg. Ich mag ja diese Stimmung total gerne, wenn der Schnee allen Lärm verschluckt. Obwohl es hier oben nicht viel davon gibt, denn die Punta Olimpia ist nicht sehr verkehrsreich. Andererseits ist es sehr schade, dass man nicht mehr sehen kann. Na ja, alles gibt’s nicht. Weiter oben gehen die runden Schneekörner in richtige Schneeflocken über. Und ich merke nun die Höhe, oder einfach nur die Erkältung. Ich huste mir fast die Lunge aus dem Leibe. Nach 4 km auf der alten Strasse erreiche ich die Punta Olimpica auf 4’890 m.ü.M. Hier schneit es fast nicht mehr und der unten gefallene Schnee ist auch schon fas wieder vollkommen geschmolzen. Auch auf der anderen Seite des Passes sieht es trüb aus. Ich esse kurz etwas im Stehen, ich habe Hunger.
Und nun fällt mir wieder ein, dass ich ja extra 3 kleine Drahtvelos mitgenommen habe, um sie in der Bergwelt der Cordillera Blanca in Szene zu setzen. Das kommt mir früh in den Sinn. Zudem sind es nur noch 2, eines ist als Geschenk in Chacas geblieben. Na ja. Viele schöne Szenarien und Gelegenheiten verpasst. Hierzu gerade noch eine kleine Umfrage: welcher Name gefällt euch denn am besten für die Rädchen? 1) VeloBoton, 2) BiciBoton, 3) BotonCicla (Boton = Knopf, Velo = Fahrrad (schweizerdeutsch) , Bici = Fahrrad (spanische Abkürzung), Cicla = Fahrrad (kolumbianisch)) stehen zur Auswahl. Antworten unten als Kommentar einfügen oder Mail an mail4colorfish(at)gmail.com. Vielen Dank!
Nun fahre ich auf der anderen Seite runter und erreiche diese Seite des Tunnels. Hier schneit es nur noch leicht. Ich esse nochmals ein Brötchen, dann werden Kappe und Regenhandschuhe montiert. Und los geht’s! Auf der Asphaltstrasse flitze ich runter wie der Blitz. Na, so schnell es mit den vielen Kurven eben geht. Nun regnet es ein wenig und es ist kühl. Es folgen die Serpentinen dieser Seite des Passes. Dann öffnet sich das Tal. Es ist schön hier, es wäre auch schön hier zum campen. Aber das Wetter lädt mich nicht gerade dazu ein. Es folgt das Gate des Parque Nacional Huascaran auf dieser Seite und ein „Hello Mister“. Ich erkläre dem Señor den Unterschied zwischen Mann und Frau, zeige mein teueres Ticket und registriere mich. Hier könnte ich auch übernachten. Aber ich will noch nach Shilla und dessen Parroquia. Auch hier sind die Italiener zu Hause. Und auch hier gibt es ein bequemes Bett. Wirklich immer sehr grosszügig, die Menschen in diesen Parroquias. Nur Wasser gibt es hier keines, die Dusche fällt aus. Aber ich bekomme ein wirklich sehr leckeres Abendessen serviert. Zuerst gibt es Bruchettas, dann Pasta mit Erbsen und Thunfisch, dann frittierte Kartoffelbällchen mit Salat und zum Schluss noch ein Stück Torte. Zudem unterhalte ich mich wirklich gut mit den beiden Chicas Aurora und Anna, obwohl sie beide nur einen Monat hier sind und fast kein Spanisch sprechen. Irgendwie klappt die Unterhaltung doch ganz gut…
28.09.2014. Ich bin nun schon das vierte Mal in einer der italieneichen Parroquias. Und ich bin fasziniert, wie einheitlich die Räume gestaltet und die Rituale sind. Man könnte schon fast von einer Corporate Identity sprechen. In jeder Küche steht ein Holzofen, auf dem werden die Speisen gewärmt und jeden Morgen steht darauf eine grosse Pfanne mit Milch, ein Kessel heisses Wasser und die typische italienische Espresso-Kanne. Herrlich! So ein guter Kaffee als Start in den Tag! Nach dem Frühstück verabschiede ich mich von allen und mache mich auf den Weiterweg. Es folgt die Abfahrt nach Carhuaz. Dort muss ich wieder auf die mühsame N3. Busse vor meiner Nase rein, raus, kein Blinker, nix. Überholen noch schlimmer. Dazu kommen noch die lästigen Köter, die mich teilweise total erschrecken. Da hat man Glück, wenn gerade kein Auto kommt… Ich hatte irgendwie viel Steigung in Erinnerung, aber so wild ist die Auffahrt nach Huaraz nicht. Bei Stadteingang nutze ich noch einen der vielen Lavaderos und gönne meinem Rad eine gründliche Wäsche. Die Taschen kommen auch noch gleich mit unter die Dusche. Alles ist extrem staubig, danach aber wieder blitzsauber. In Huaraz fahre ich nun zur Interroy Losging am Fluss unten. Aber wie befürchtet ist niemand da. Das kann hier passieren, wie ich aus Erfahrung aus dem 2010 weiss. Ich warte und warte, dann esse ich vor der Tür zu Mittag. In dem Moment kommt Señora Nery nach Hause. Sie erkennt mich auch wieder und für 10 Soles bekomme ich mein eigenes Zimmer. Viel besser als geteilter Dorm inkl. Frühstück für 15 Soles. Später gibt’s eine heisse Dusche und viele Süssigkeiten. Zudem habe ich meine ganze Apotheke wieder. Ich hoffe daher, das ich diese Nacht endlich atmen kann. Die Erkältung hält sich nämlich hartnäckig und der Husten wird immer schlimmer. Nun, jetzt sind zumindest ein paar Tage Pause angesagt.
29.08. – ?. 2014. Selbst mit Nasengel bekomme ich in der Nacht kaum Luft. Zudem huste ich die ganze Nacht durch. Meine Nachbarn müssen mich hassen… Wie sich herausstellt ist eine davon Russin, Maria. So bekomme ich etwas Gesellschaft für die Abendessen. Für eine kleine Weile zumindest. Dann bringe ich mein Fahrrad wieder einmal in eine Werkstatt. Ist ja schon soooo lange her. Aber nach all den harten Steinpisten will ich die Räder zentrieren lassen und die Speichen sollten angezogen werden. Und die Bremsen vertragen auch schon wieder eine Justierung. Dazu bringe ich mein Rad zu Julio und chakinaniperu, wo es in sehr guten Händen ist. Ja, und dann heisst es Erkältung auskurieren. Die hat es nötig, nachdem ich nun schon das zweite Mal in einem Restaurant fast an einem Hustenanfall erstickt wäre. Dann noch Wäsche waschen, Blog schreiben, andere Arbeiten erledigen, essen, Kaffee trinken, Drahtvelos basteln, Gewicht reduzieren, Geschenke für die Daheimgebliebenen kaufen, Route planen, Zukunft überdenken etc. Was es eben so zu erledigen gibt, wenn man nicht auf dem Fahrradsattel sitzt…
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