13. – 28.09.2014. 594 km. 12’188 Höhenmeter. Auf den Spuren von Andes by Bike folge ich dem ersten Part vom peruanischen Great Divide. Grossartige Landschaften, verkehrsfreie Wege, viele Pässe weit über der 4’000er-Marke, Sonnenschein, Schnee, Hagel, Regen und Magenrumpeln. Für viele Tage sehe ich mehr Schafe, Esel und Alpacas als Menschen. Ein wunderbarer und harter Abschnitt der Reise.
Route: Huaraz – Conococha – Ticllos – Cajamarquilla – Rajan – Llipa – Cañon – Yocchi – Cajatambo – Paso Pacomayo (4’540 m) – Punta Chanca (4’850 m) – Oyon – Abra Rapaz (4’940 m) – Huancahuasi – Picoy – Parquin – Abra Chucopampa (4’860 m) – Abra Mio (4’760 m) – Chungar – Punta Fierro Cruz (4’820 m) – Abra Alpamarca (4’710 m) – Yantac – Marcapomacocha – Corpacancha – Malpaso – Paccha – La Oroya
13.09.2014. Wie gesagt folge auch ich nun für eine Weile den Spuren von Andes by Bike, die die grossartigen Routen durch die fast verkehrsfreien Anden befahren und beschrieben haben. Dazu muss ich wieder Gewicht loswerden. Das ist einfach nicht mein Ding. Aber ich lasse trotzdem ein grosse und 12 kg schwere Kiste in Huaraz im Hostal stehen. Nery wird sie mir später per „Cruz del Sur“ nachschicken lassen, denn ich weiss nicht, ob ich es in einem Monat nach Ayacucho schaffe…
Und nach 16 Tagen Huaraz wird es definitiv Zeit, sich wieder auf den Sattel zu schwingen. Doch auch ohne Trekking ging die Zeit wie im Fluge vorbei. Aber ich hatte auch noch einiges zu tun. Als eine Gewichtsreduktion wurde das Material für die Drahtvelos abgeschafft. Das hiess aber für mich noch alle bestehenden Knöpfe zu verarbeiten. Ich erstellte wohl an die 150 Velobotónes, 20 Schlüsselanhänger und 20 Paar Ohrringe. Das nahm seine Zeit in Anspruch. Dann musste die Erkältung auskuriert werden, der Husten hielt und hält sich hartnäckig. Und das Gepäck musste umsortieret werden. Diese Bergstrecke wird hart werden und auch so habe ich immer noch zuviel Gewicht. Wie immer. Ich werde leiden… So dauert das Packen am ersten Morgen noch etwas länger, aber der Himmel ist auch noch total grau. Das erste Mal, seit ich in Huaraz bin, sehe ich keinen einzigen Berg. Dann heisst es Abschied nehmen von Nery und ihrer lieben Familie. Mal sehen, ob es ein drittes Wiedersehen gibt. Und so mache ich mich gegen 9 Uhr auf den Weg, mittlerweile scheint die Sonne, der Himmel ist blau. Wie sagt man, wenn Engel reisen… Aus Huaraz raus, dann beginn die 80 km lange Steigung nach Conochocha. Sanft geht’s den Berg hoch, ich nehme die fehlenden Kilos war. Zudem reagiert meine Rohloff wohl tatsächlich auf das Gewicht, denn so funktioniert sie wieder ohne Macken. Seltsame Sache. Der Verkehr auf der N3 ist wie immer schrecklich, mehrere Male werde ich von den Minibussen und Taxis fast über den Haufen gefahren. Die peruanischen Chauffeure haben wirklich absolut keinen Respekt gegenüber dem Ciclista. Ich steige langsam und stetig den Berg hoch, nach 20 km mache ich eine Pause. Da kommt mir ein Radler entgegen, Pete aus Australien. Ich esse meine Kekse und wir unterhalten uns. Er erzählt von einem Deutschen, der einige Tage hinter ihm ist. So vergeht die Zeit und wir machen uns beide wieder auf den Weg. Pete runter, ich hoch. Ich passiere Recuay und andere kleine Dörfer, die Cordillera Blanca versteckt sich leider zum Abschied in den Wolken. Vor mir wird es immer dunkler, bald fahre ich auf eine schwarze Wand zu. Wie war das jetzt mit den Engeln? Es beginnt zu donnern, in der Nähe geht ein Blitz runter.
Ich erreiche Catac, fahre zu einer Tankstelle. Ich frage den Typen, ob es bald regen werde. Er meinet, nein, das Gewitter ziehe nach Süden. Na gut. Ich esse zu Mittag, es ist kühl hier oben. Und bald beginnt es zu regnen. Gute Vorhersage. Es regnet nicht stark, aber ich warte eine Weile ab. Bald tröpfelt es nur noch leicht, ich ziehe die Regenbekleidung an und mache mich auf den Weiterweg. Nun fahre ich durch die Pampa, Häuser hat es fast keine mehr. Ich steige weiter hoch, der Regen hört bald auf, aber Sonnenschein gibt es keinen mehr. Nach 16 Uhr beginne ich mit der Campsuche, aber erst kurz vor 17 Uhr finde ich etwas Passendes. Nun, danach steigt die Strasse wieder an, viele Möglichkeiten habe ich nicht. Ich fahre etwas runter in die Nähe des Flusses, dessen Wasser erstaunlich „warm“ ist für diese Höhe. Ich befinde mich auf ca. 4’000 m.ü.M. Aber ich wasche mich trotzdem im Zelt, danach gibt’s einen Cocatee mit Aussicht und später koche ich.
Nun beginnt es wieder leicht zu regnen. Aber schon beim Zähneputzen habe ich Ausblick auf einen wunderbar klaren Sternenhimmel. Den kann man hier wirklich geniessen, denn Licht gibt es keins. Und so kalt ist es auch nicht, irgendwie. Früh gehe ich schlafen, aber bald friere ich. Es war doch nicht so kalt draussen? Komisch? Mittlerweile scheint der Mond, es ist hell draussen. Ich gehe raus, in der Hoffnung auf ein Mond-Bergfoto, doch ich bin von dichtem Nebel umgeben und Zelt und Rad sind gefroren. Danach ziehe ich die Merinowäsche an und versuche es wieder mit dem Schlafen.
14.09.2014. Ich hoffe, am Morgen etwas Sonnenschein zu bekommen. Und tatsächlich, gegen 7 Uhr wird es heller und wärmer in meinem Zelt. Was für eine Freude. Ich räume zusammen und schaffe alles raus. Auch draussen wärmt die Sonne schon gut. Schlafsack und Zelt müssen getrocknet werden. Derweil bereite ich gemütlich mein Frühstück zu und geniesse die Sonne und die Aussicht. So ist zelten wunderbar. Gegen 9 Uhr bin ich dann startklar, Zelt und Schlafsack einigermassen trocken. Ich stosse das Rad zurück auf die Strasse. Es geht weiter hoch, manchmal führt die Strasse nun fast flach durch diese Hochebene. Nach 13 km erreiche ich Conococha. Mit Blick auf die gleichnamige Laguna fahre ich kurz weiter in Richtung Lima. Bald folgt der Abzweig nach Ticllos. Ab jetzt fahre ich wieder auf Schotter, es holpert wieder.
Zudem habe ich Gegenwind. Langsam fahre ich hoch, dann geht’s etwas runter und immer mal wider hoch. Unten in der Ebene blicke ich auf einige Campoanlagen der Indigenas mit den steinernen Viehanlagen. Das sind fast schon riesige Kunstwerke. Dann erreiche ich den Paso Yantahuain auf 4’230 m.ü.M. Nun geht’s runter, aber auch langsam, die Strasse ist hier nicht die Beste. Links geht’s nun steil ins Tal runter, Felder zieren die Hänge. Eigentlich hatte ich die Hoffnung, ich könnte Ticllos zur Mittagszeit erreichen, doch es folgt eine kurze Steigung. Der Hunger muss jetzt gestillt werden. So esse ich am Strassenrand etwas. Danach folgen bald die nächsten 6 km Abfahrt nach Ticllos, es tröpfelt leicht. Dort fahre ich zur Parroquia. Auch hier sind die Italiener der Organisation Mato Grosso Zu Hause.
Von Stefano werde ich sozusagen im Durchgehen begrüsst. Zum Mittagessen bin ich zu spät, er setzt mir zwei Brötchen und eine Tasse heisses Wasser vor die Nase, dann ist er verschwunden. Hm, eine etwas seltsame Begrüssung. Ich esse ein Brötchen, dann suche ich Stefano, denn eigentlich möchte ich hier bleiben. Der Himmel ist wieder schwarz. Kein Problem, aber der Herr ist etwas im Schuss. Heute wird Käse gemacht. Dabei unterhalten wir uns. Später zeigt er mir mein Zimmer, auch hier purer Luxus. Nur auf die Dusche muss ich verzichten, es gibt kein Wasser. Seit einem Monat wird an den Wasserkanälen gearbeitet, Wasser gibt’ nur sehr sporadisch. Aber ich habe ich Dach über dem Kopf und bekomme wie immer bei den Italienern gutes Essen. Und später unterhalte ich mich auch noch ein wenig mit Padre Andres, der vor 20 Jahren nach Peru, und vor 17 Jahren nach Ticllos gekommen ist.
15.09.2014. In meinem Gemach ist es dunkel und ruhig. Ich schlafe so gut wie schon lange nicht mehr. Als morgens dann auch noch die Sonne durch den dunkeln Vorhang drückt, hüpfe ich schnell aus dem Bett. Strahlend blauer Himmel, von meinem Bad aus sehe ich die Cordillera Huayhuash. Dann noch italienischer Kaffee zum Frühstück. Ein perfekter Tagesstart! Gegen 7.30 Uhr verabschiede ich mich von allen und mache mich auf den Weg.
Es geht weiter runter und genau an der staubigsten Stelle kommt mir der Verkehr entgegen. 3 Fahrzeuge, die einzigen des ganzen Tages. Ich werde gut eingepudert, dann fahre ich weiter runter. Die Strasse ist nicht allzu schlecht. Immer wieder halte ich und blicke zurück auf die Cordillera. Ist vielleicht ihr letzter Anblick. Ich passiere Corpanqui, danach kommt mir ein Ciclista entgegen. Ich spreche ihn auf Deutsch an, in der Annahme dass es Petes Kollege ist. Dies ist aber nicht der Fall, es ist Miles aus England. Wir unterhalten uns eine ganze Weile, dann setze ich die Abfahrt fort. Es folgt die Abzweigung nach Cajamarquilla, nun beginnt ein Anstieg. Gleich zu Beginn kommt mir schnaubend und röhrend (das ist kein Muhen) ein grosser Stier entgegen. Da wird mir gleich etwas mulmig zumute, nach den diversen Berichten von angreifenden Kühen. Ich bleibe stehen und rede ihm gut zu, dann fahre ich langsam an ihm vorbei. Er mustert mich schnaufend und läuft weiter. Recht so. Die Steigung ist bis auf ein paar sehr steile Abschnitte sehr angenehm. Aber in den steilen Stellen merke ich, dass ich immer noch zuviel Gewicht schleppe. Furchtbar. Nach fast 10 km Steigung erreiche ich Cajamarquilla, doch das Dorf kann man auf einem Kuhweg ohne Höhenverlust umfahren. Das ist schon cool an den Angaben von Andes by Bike. Man kann sich wirklich nicht mehr verirren. Nach den Erfahrungen in den Bergen nach Huamachucho ein gutes Gefühl. Wieder auf der normalen Strasse beginnt eine lange Traverse dem Berghang entlang. Es geht sanft rauf, dann zu einem Fluss runter und wieder sehr steil rauf. Hier habe ich einen kleinen Besuch vom Schweinehund, ich schiebe. Vielleicht sollte ich es mal mit Red Bull versuchen. Soll ja Körper und Geist beleben. Bei einer Kreuzung treffe ich auf zwei Peruaner. Ich halte, man trifft hier nicht auf viele Leute. Wir unterhalten uns eine Weile, zudem bekomme ich eine leckere Orange. Dann geht’s weiter hoch und runter nach Rajan. Von hier hätte man nochmals Aussicht auf die Cordillera Huayhuash, doch der Himmel ist trüb. Ich sehe nichts. Im Dorf werde ich zur Begrüssung von zwei Hunden angefallen, bei Dorfausfahrt nochmals. Eine Familie meint, ich solle hier bleiben, aber ich mag deren Hunde nicht. Ich fahre weitere zig Kurven runter, vorbei am ausgestorbenen Llipa Viaja, dann nach Llipa, mittlerweile tröpfelt es. Das Runterfahren dauert seine Zeit, hier hat es sehr steile Abschnitte und die Strasse ist oft mit losem Kies bestückt. Gegen 15.30 Uhr erreiche ich Llipa. Ich fahre zur Plaza, doch auch dieses Dorf scheint eher ausgestorben. Padre hat es hier natürlich keinen, ich frage nach einem Lehrer. Doch der schläft gerade. Aber eine Señora schickt ihre Tochter zum Direktor. Der erscheint nach einer Weile. Ich unterhalte mich mit der Señora und beantworte die regulären Fragen. Warum alleine? Keine Angst? Keine Kinder? Wie alt? Und wie gross ich sei. Sie schätzt mich auf 2,20 m. Wow, so gross wurde ich noch nie geschätzt. Dann kommt auch der Direktor, er kann mir den Comedor der Schule zur Verfügung stellen. Tiptop. Kaum steht mein Rad in dem Raum, beginnt es zu schütten. Glück gehabt! Der Comedor wird schon lange nicht mehr gebraucht, ist sehr staubig und ich finde die Einzelteile einer Tarantel. Interessant. In der Nacht regnet es weiter. Die Regenzeit hat wohl wirklich schon begonnen, obwohl es noch etwas früh ist.
16.09.2014. Um 6 Uhr ist Tagwache, in der Schule muss ich um 7.30 Uhr draussen ein. Kurz nach 7 Uhr bin ich startklar und mache mich auf den Weg. Gleich nach Llipa beginnt die lange Abfahrt in den Cañon. Gleich nach dem Dorf versiegt auch das Grün, die Landschaft wird wüstenartig, braun und grau herrschen vor, Kakteen und rote Blumen zieren den Weg. Dann wachsen überhaupt keine Pflanzen mehr. Nach einer langen Traverse führt die Strasse weiter kurvig in den Cañon runter. Was für eine Abfahrt! Weiter unten wachsen plötzlich wieder ganz viele Kakteen, dann gibt es wieder mondartig fremde Abschnitte. Ich halte oft zum Fotografieren und unterhalte mich mit Joby und dem Selbstauslöser. So brauche ich für die knappen 20 km bis zum Fluss gute 2 Stunden.
Im Cañon überquere ich einen Fluss, danach führt die Strasse auf der anderen Flussseite gute 10 km durch den Cañon. Beim Fluss unten ist es grün, sonst herrschen Braun und Grau vor. Zudem ist es heiss und trocken. Auf tiefen 1’390 m.ü.M. überquere ich den Rio Cajatambo. Es folgt eine Abzweigung und es beginnt der lange Aufstieg. Dem Rio Cajatambo folge ich in ein weiteres Tal, die Strasse ist gut und führt sanft nach oben. Nach ein paar Kilometern sehe ich was? Schon wieder einen Ciclista. Hier gibt es ja fast mehr Ciclistas als Fahrzeuge… Dies muss nun wirklich der Deutsche sein. Heute stimmt es, es ist Felix vom Bodensee. Wir unterhalten uns eine Weile. Auch er meint, dass ich extrem viel Gepäck habe. Und das ist ja nicht mal alles… Dann setze ich den Aufstieg fort. Im Cañon hatte ich Gegenwind, nun habe ich netterweise Rückenwind. Bei Tumac mit seinen 2 Häusern macht die Strasse eine erste Kurve, die erste von vielen weiteren. Ich komme gut voran, obwohl ich manchmal denke, es ist sehr streng für eine fast gerade Strasse. Dann genügt ein Blick zurück, um festzustellen, dass sie doch gut ansteigt. Am Strassenrand ess ich zu Mittag, dann geht’s weiter hoch. Bald erreiche ich die Baños Thermales von Uñoc. Da ist alles zu, nicht mal die Hühner dürfen baden gehen. Das Wasser, das aus dem Gebäude kommt ist heiss. Aber bei der momentanen Temperatur und schwitzend vom Anstieg ist es nicht so verlockend.
So setze ich den Aufstieg fort, Kurve um Kurve. Gegen 16.30 Uhr und nach knappen 1’300 Höhenmetern erreiche ich Yocchi. Immerhin herrscht hier Leben auf der Strasse. Ich frage nach einem Lehrer. Da sitzt gleich eine Profesora. Ich schildere ihr mein Anliegen, dass ich einen Platz zum Schlafen suche. Doch sie kann nichts entscheiden, da muss ich den stellvertretenden Direktor fragen. Ein Chico rennt zu dessen Haus am Hang unten, um ihn zu rufen. Nach langem Warten erscheint Jose, doch nun muss er mit dem Auxiliar sprechen. In dessen Haus verschwindet er, ich warte und warte. Man bietet mir diverse Zimmer an, aber ich warte weiter. Umsonst übernachten kostet oftmals viel Geduld. Dann klopfe ich beim Haus des Auxiliars. Nun, ich kann in der Schule übernachten, Jose kommt raus, verschwindet aber noch zweimal. Und kurz vor 18 Uhr fahre wir wirklich zum Colegio. Auch das liegt steil den Hang runter, innen hat es gleich eine Treppe. Aber ein paar Chicos helfen mir mit dem Gepäck. Sehr nett. Ich bekomme meinen Saal und Jose meint, hier habe es auch ein „Restaurant“. Nun, Señora Nelly kocht auf Anfrage. Das ist ok für mich, Jose will sie informieren, dass sie auf 19 Uhr kocht. Er will mich um 19 Uhr abholen und zu ihr begleiten. Ich richte mich ins dem Saal ein und heute gibt es sogar eine kalte Dusche. Doch das Haare waschen kann noch einen Tag warten. Dass Peruaner nicht pünktlich sind, ist mir klar, aber der Hunger treibt mich um 19.15 Uhr ins Dorf. Ich suche Señora Nelly, doch die weiss von nichts. Na ja, dann koche ich eben selbst, in dem Laden kaufe ich Pasta und Tomaten. Das ist auch Peru.
17.09.2014. Jose hatte am Vorabend behauptet, dass er das Tor der Schule um 22 Uh schliessen würde. Meine Vorahnung, dass er auch dies nicht gemacht hat bestätigt sich. Auch gut, so kann ich gleich los und muss nicht warten, bis er um 7.30 Uhr auftaucht. Nun heisst es aber zuerst, das Rad wieder den steilen Weg hoch zur Strasse schieben. Für das letzte Stück muss ich die Vordertaschen abmontieren, dann ist es geschafft. Ich fahre los, die Strasse führt weiter sanft nach oben. Der Himmel ist nach dem nächtlichen Regen immer noch bewölkt, aber so ist das Ansteigen sehr angenehm. Die Strasse führt zuerst in Kurven nach oben, dann führt sie in ein weiteres Tal. Eine Kurve, dann blicke ich wieder auf einen Nevado. Das ist jedes Mal wieder toll!
Und bald sehe ich hinten im Tal Cajatambo, mein heutiges Ziel. Aber bis dahin fehlen noch einige Kilometer. Noch weiter rauf, dann folgt eine kurze Abfahrt und holprige Kilometer durch erste Häuseransammlungen. Um 11.30 Uhr hört das Geholper auf, ich rolle über Cajatambos Betonplatten. Ich fahre zur Plaza und frage in der Parroquia nach Padre Claudio. Auch er ist Italiener, doch diese Parroquia gehört nicht zur Organisation Mato Grosso. Aber auch hier darf ich bleiben und bald gibt es leckeres Mittagessen. Später bekomme ich auch hier ein Zimmer mit Bett und nach 5 Tagen gibt es endlich eine heisse Dusche. Meine Haare freuen sich auch über eine Wäsche und ich geniesse einen freien und gemütlichen Nachmittag.
18.09.2014. Um 4.30 Uhr fahrt der Bus durch Cajatambo. Dies kündigt er schon von Weitem mit lautem Hupen an. Dann hält er bei der Plaza vor der Parroquia, das Hupen geht weiter, bis er um 5 Uhr natürlich hupend weiterfährt. So ist das. Ich schäle mich um 6 Uhr aus dem warmen Schlafsack und packe, dann bereite ich mein Frühstück zu. Um 7.15 Uhr bin ich startklar und verabschiede mich von Maria und dem Padre. Es geht weiter den Berg hoch in Richtung Oyon. Nach Cajatambo ist die Steigung nun oft steiler und die Strasse streckenweise ziemlich steinig. Diese beiden Faktoren drosseln das Tempo merklich. In langen Kurven geht es den Berg hoch, dann führt die Strasse tief in das Tal hinein. Die grünen Felder werden von beiger Pampa abgelöst, soweit das Auge reicht.
In Cajatambo war der Himmel noch blau, aber hier in den Bergen ist er nun grau und es beginnt zu tröpfeln. So ernst ist das Nass zum Glück nicht. Obwohl es hier kürzlich viel geregnet haben muss, die Strasse ist nass und von Pfützen übersät. Die 25 km bis zum Paso Pacomayo ziehen sich lange dahin, ich erreiche die Passhöhe auf 4’540 m.ü.M. erst gegen 13 Uhr. Nun geht es runter und ich suche mir bald einen windgeschützten Platz fürs Mittagessen. Es ist kühl hier oben, zumal der Himmel auch noch grau bedeckt ist. Nach einer kurzen Abfahrt beginnt die Strasse wieder anzusteigen. In Pacomayo – oder sprich der Schule von Pacomayo, Häuser gibt es hier keine – biege ich nach links ab. Kaum sind die ersten Meter Steigung zurückgelegt, beginnt es zu hageln. Ich ziehe die Regenjacke an, aber der Spuk ist bald vorbei. Ich fahre weiter hoch, und nach einer kurzen Weile werde ich wieder beschossen. Diesmal richtig heftig. Ich bleibe eine Weile stehen, dann lässt der Hagel etwas nach. Die Berge um mich herum werden immer farbiger und bald erreiche ich die Mina Chanca. Auch diese wirkt sehr ausgestorben. Ich fahre weiter hoch, umfahre die Mine. Langsam wird es anstrengend und wieder habe ich diese Motivationskrise. Beine sind ok, Atem auch, aber der Wille fehlt. Ich halte oft, stosse immer mal wieder, obwohl die Strasse absolut fahrbar wäre. Ich kämpfe mich wirklich hoch zum zweiten Pass dieses Tages, aber die Minengegend lädt nicht zum Campen ein. Ich fahre und stosse weiter hoch. Nun passiere ich eine tolle Lagune. Aber in einem anderen Blog hatte ich gerade kürzlich gelesen, dass dem Paar abgeraten wurde, hier oben zu zelten. Wegen Überfallgefahr. Der Lagunenrand sieht so einladend aus und ich bin fertig. Und ich habe schon lange keine Menschenseele mehr gesehen.
Aber ich fahre weiter. Oder stosse weiter. So folgen die letzten harten Meter bis zur Punta Chanca auf 4’850 m, die ich gegen 16.45 Uhr erreiche. Von unten holt mich der Nebel ein, es ist kalt. Passfoto gibt’s keins, ich ziehe mich warm an und mache mich schnell an die Abfahrt. Auch mit den dicksten Handschuhen sind meine Finger bald eiskalt. Das Bremsen hält eben nicht warm. Auf dieser Seite des Passes sind die Felsen schroffer, es gibt nur noch grau und grün. Hier oben hat es noch ein paar Hüttchen und Kühe, dann beginne ich eine lange Traverse dem steilen Hang entlang. Ich fahre so schnell wie möglich runter, was nicht sehr schnell ist auf der Holperpiste. Aber erst im Tal unten wird es etwas flacher. Das steht ein Haus am Strassenrand, zwei Señoras bringen gerade die Schafe heim. Ich frage die Ältere, Victoria, ob ich mein Zelt neben das Haus stellen darf. Klar, kein Problem. Sie zeigt mir den Platz, wohl der Pferdestall, oder das Pferdeklo, zudem hat es Dornenpflanzen am Boden. Aber unten auf der Wiese ist vom vielen Regen alles sumpfig. Victoria bring mir einen Besen und ich zupfe die Stacheldinger aus. Und mit dem wirklich allerletzten Tageslicht stelle ich das Zelt auf. Kaum ist alles drinnen, beginnt es zu tröpfeln. Das war ein langer und harter Tag, gute 8 Stunden im Sattel und mehr als 1’600 Höhenmeter auf einer Rumpelpiste. Ich will nur noch essen und schlafen.
19.09.2014. Die Nacht ist absolut ruhig, für das ich von Schafen, Kühen, Eseln und Hunden umgeben bin. Das einzige Rumpeln kommt von meinem Magen. Früh raus muss ich auch nicht, denn mein heutiges Ziel Oyon ist bald zu erreichen. Gegen 7 Uhr schaue ich mal aus dem Zelt, der Himmel ist blau. Ich stehe langsam auf, gehe raus. Das Zelt steht genau im Schatten des Hauses und ist gefroren, darum herum scheint die Sonne. Das geht natürlich nicht. Ich packe alles raus und stelle es zum Trocknen in die Sonne, so ergeht es auch dem Schlafsack. Dann gibt es Frühstück, genauestens beobachtet von einem jungen Hund.
Eilig habe ich es nicht, so bin ich erst gegen 9.30 Uhr abfahrbereit. Ich verabschiede mich und nehme die weitere Abfahrt in Angriff. Bald nach dem Haus führt die Strasse in einen kühlen Cañon hinein, Die Strasse ist ziemlich nass und oft matschig. Dann fahre ich durch diverse Dörfer. Es folgt eine Abzweigung und ein kurzer Anstieg nach Oyon. Gleich bei Dorfeinfahrt fummelt ein Bub hinten an meinem Gepäck rum, dann greift mich ein Alter beim Arm. Gegen 11 Uhr erreiche ich die Plaza. Dort ist es laut, auch hier ist der Wahlkampf in vollem Gange. Am 5. Oktober sind hier Wahlen. Hm, und zudem ist es Freitag und morgen Samstag. Hier wollte ich eigentlich einen Ruhetag entlegen, Aber irgendwie ist mir das Ganze nicht so sympathisch. Ich schaue ein paar Hostales an, nun, zumindest die, die mir die Türe öffnen. 35 Soles mit Baño privado, 20 Soles ohne Bad, ein Zimmer gibt’s für 10 Soles, aber das Bett ist eine Hängematte. Ich fahre zur Parroquia, doch der Padre kommt erst um 15 Uhr zurück. Am liebsten würde ich weiterfahren, aber ich glaube, ein Pause wäre nicht schlecht. So fahre ich eben noch zur Alcaldia. Obwohl das mit dem Wahlkampf vielleicht keine so gute Idee ist. Na, ich frage nach dem Alcalde, doch auch der ist nicht da. Aber ein Señor spricht mich an, was ich wolle und mit wem ich sprechen wolle. Ich erkläre ihm, dass die Alcaldia mich manchmal unterstützt. Der Señor meint, in der Alcaldia gäbe es nur Büros, aber es gäbe Hotels. Ja gut, dann suche ich ein Hotel. Nun meint er, er würde mich unterstützen. So laufe ich mit Ninidio zu einem Hostal. Gleich geht’s die Treppe rauf, zudem ist niemand da. Ich meine, ich würde ins Hostal Olimpia gehen, das war mir am sympathischsten. Ninidio begleitet mich auch dorthin und sagt der Señora, dass sie mir ein Zimmer mit Bad geben soll. Er bezahlt die erste Nacht, 35 Soles. Dann will er mich zum Mittagessen einladen. Ich habe einen Riesenhunger, obwohl mein Magen immer noch rumpelt. Wir gehen in die Arbeiterkantine, dort gibt es ein gutes Menu. Beim Gespräch wird klar, dass Ninidio auf ein Abenteuer aus ist. Nein. Auch kein Klitzekleines. Nein. Aber er scheint zu verstehen, will mich aber trotzdem zum Abendessen abholen. Nun gibt’s für mich eine heisse Dusche und ein Siesta. Ahhh. Dann laufe ich etwas durchs Dorf. Eine grosse, blond-gelockte Gringa ist schon ein echter Hingucker. Abends kommt Ninidio wie versprochen vorbei. Wir gehen wieder in die Kantine, aber nun essen wir mit drei Lehrern, die ebenfalls zu Besuch in Oyon sind. Und nach dem Essen ruft die Wahlkampfarbeit. Wie schade. Aber für Samstag will mich Ninido zum Frühstück, Mittagessen und Abendessen einladen…
20.09.2014. Früh morgens werden hier schon lautstark Wahllieder durch die Gegend geplärrt, so stehe ich eben auch früh auf. Wäsche waschen, Reissverschlüsse vom Zelt putzen. Ninidio hatte ich erklärt, dass für mich Frühstück nur Kaffee und Brot ist und das er mich nicht einladen muss. Ich gehe zum Mercado einkaufen, gleich von Beginn weg verfolgt mich ein alter Señor etwas zu auffällig, dann bettelt er mich um Kohle an. Eigentlich wollte ich hier einen Saft trinken, aber die Lust ist mir vergangen, zumal mir der Señor immer noch aufhockt. So gibt es Frühstück im Hostal.
Zum Mittagessen holt mich Ninidio schon wieder ab. Danach gibt es einen Besuch im Wahlkampfbüro und leider muss er danach in ein anders Dorf zum Wahlkämpfen und kommt erst am Sonntag wieder zurück. Er versucht mich zu überreden, doch noch ein oder zwei Tage zu bleiben. Mich aber ruft die Strasse. Ganz laut. Peruanisch laut. Ich bedanke mich ganz herzlich für alles bei Ninidio. Das war eine sehr grosszügige Geste. Am Nachmittag putze ich das Rad un die Kette, spanne sie nach. Dann bezahle ich die zweite Nacht bei der jungen Chica. Später kommt die Señora zu mir und gibt mir das Geld zurück, der Señor würde das regeln… Ich überlege, ob ich das annehmen soll, aber wieso auch nicht. Na, und zum Abendessen kann ich in die Kantine, ist auch schon bezahlt. Das wird mir etwas zuviel, ich freue mich schon sehr auf den nächsten kraftraubenden Pass…
21.09.2014. Auch am dritten Tag rumpelt mein Magen noch. Der dritte Tag mit Durchfall. Doch ich fühle mich absolut ok, bin voller Tatendrang, Oyon zu verlassen. Nach einem sonnigen Ruhetag ist der Himmel heute natürlich grau und wolkenverhangen. Na ja. Kurz nach 7.30 Uhr verlasse ich Oypn in Richtung Cerro de Pasco. Im Beschrieb von Andes by Bike steht etwas von einer Asphaltstrasse, doch ich fahre nur auf Schotter. Langsam steigt die Strasse an. Nach ein paar Kilometern sehe ich unten im Tal die Asphaltstrasse. So ein Pech. Ich kehre um und treffe auf zwei Arbeiter. Ich frage nun nach dem Weg nach Rapaz und der Mina Izcaycruz. Ich könne auf der Strasse bleiben, es folge ein Desvio zum Fluss runter. So fahre ich weiter, immer weiter hoch. Müsste ich nach Cerro de Pasco, wäre diese Ausfahrt absolut richtig gewesen, denn hier hätte ich der Asphaltstrasse gegenüber schon viel Höhe gewonnen. Aber ich muss ja nicht nach Cerro de Pasco… Dann kommt der Abzweig und ich fahre steil zum Fluss runter. Das war ein guter Zeitverlust und ein paar zusätzliche Kilometer und Höhenmeter. Aber na ja, nun bin ich auf der richtigen Strasse. Diese steigt auch gleich an und ist teilweise ziemlich steinig und holprig. Ich passiere die Mine. Auf ein paar sehr steilen Stücken stosse ich jetzt schon. Immer noch zuviel Gewicht. Zudem bin ich doch nicht so fit. Das wird ein lustiger Aufstieg. Nun führt die Strasse in Kurven den Berg hoch und es hat verhältnismässig viel Verkehr. Trucks und die Pick-ups der Minenarbeiter. Alle Brettern wie die Irren und ich bekomme eine gute Staubschicht ab. Auch hier sind einige Abschnitte so steil, dass ich schiebe. Und leide. Heute ist nicht mein Tag. Immerhin scheint nun etwas die Sonne. Es folgt eine kurze Abfahrt zu einem Fluss, dort esse ich zu Mittag. Dann beginnt eine gut steile Traverse in ein Tal hinein. Es ist schön hier und wie schon zuvor weiden auch hier überall Alpacas. Weiter oben sehe ich einige Vizcachas, die hasenähnlichen Nager mit dem langen Schwanz. Doch bis die Kamera draussen ist, sind sie meist schon in einem Steinloch verschwunden. Auch hier komme ich schleppend vorwärts, die Sonne hat sich auch wieder verabschiedet und es beginnt zu schneien. Aber die Wolken tun sich in der Ferne soweit auf, dass ich einen letzten wehmütigen Blick auf die Cordillera Huayhuash erhalte. Grandios! Danke für den Abschied!
Ich erreiche einen ersten höchsten Punkt, einen Vorpass auf 4’870 m. Nun schneit es ziemlich heftig und ich muss mich gut einpacken. Ich nehme eine kurze Abfahrt in Angriff, diese führt mitten durch das geschäftige Treiben der Mina Izcaycruz. Es hat viel Truckverkehr, doch hier fahren sie erstaunlich rücksichtsvoll. Ich fahre durch die Mine, dann lässt der Verkehr wieder nach und ich erkämpfe die letzen Kilometer bis zum Abra Rapaz auf 4’940 m. Geschafft! Es ist kalt und grau hier oben. Ich ziehe mich noch wärmer an und fahre runter. Zu Beginn ist die Strasse ziemlich mies, v.a. in den Kurven. Aber die Aussicht auf eine Lagune und das Tal ist genial. Nun schneit es wieder stärker und meine Finger sind jetzt schon eiskalt. Ich fahre weiter runter. Nach einem Abzweig wird die Strasse massiv besser und ich komme schneller voran. 15 km und knapp 1’000 Meter weiter unten erreiche ich Rapaz. Es folgt eine kurze Auffahrt ins Dorf und hier schon kommt mir eine ganze Horde besoffener Männer entgegen. Es ist Sonntag. Eine unangenehme Begegnung. Ich Dorf frage ich nach dem Weg nach Huancahuasi. Der Minenarbeiter meint, es sei gefährlich, da runter zu fahren, es hätte sehr viele Besoffene unterwegs. Das glaube ich gerne. Der Señor meint, hier gäbe es Zimmer. Eigentlich wollte ich zu den Aguas termales von Huancahuasi und dort zelten, aber für 7 Soles nehme ich doch das Zimmer hier. Denn es ist auch schon spät, 16.45 Uhr und ich bin ziemlich kaputt. Im Zimmer ist es ziemlich kalt, 9,5 Grad Celsius, wird sind ja immer noch auf 4’020 m. Das Waschen kostet etwas Überwindung und dann gibt’s einen heissen Kaffee im Restaurant. Dort esse ich später unter den Blicken von ca. 20 Minenarbeitern auch zu Abend. Später im Zimmer schaue ich etwas genauer auf mein Rad und was sehe ich da? Die Schraube des Lowrider ist locker. Die fasste im Metall der Gabel schon vor Abreise nicht mehr, aber mit einer Titanschraube konnte ich das Problem lösen. Doch nun fasst auch die Titanschraube nicht mehr. Das ist nicht gut. Ich ziehe die Schraube so gut wie eben möglich an und in der Nacht träume ich von brechenden Lowridern.
22.09.2014. Wie üblich wird schon früh morgens rumgelärmt in dem Dorf und dem Haus. Ich stehe um 6.15 Uhr auf, nun fühlt es sich nicht mehr so kalt an. Um 7.30 Uhr bin ich startklar und drücke der Señora 7 Soles in die Hand. Sie schaut mich komisch an und will 10 Soles. Das sei der übliche Preis. Der Señor, der mir am Vortag das Zimmer organisierte, gehöre nicht zur Hospedaje. Für 10 Soles wäre ich wohl weitergefahren. Aber nun kommt ein junger Señor und meint, es sei schon ok. Ich setze die Abfahrt fort, steil den Berg runter, bald fahre ich in einen schönen Cañon und nach 40 Minuten erreiche ich die Aguas termales von Huancahuasi und Picoy. Das hätte ich gestern noch gut geschafft und beim Anblick des Dampfenden Wassers bereue ich die Entscheidung ein wenig. Na ja. Ich fahre durch Huancahuasi, dann geht’s weiter runter nach Picoy. Dort beginnt die Auffahrt nach Parquin gleich sehr steil. Dann fahre ich Kurve um Kurve den Berg hoch, wie immer. Später führt die Strasse in ein Tal hinein. Und zwar so steil, dass ich teilweise schiebe. Zudem ist die Schraube vom Lowrider schon wieder locker. Da muss ich dringend was tun. Ich erreiche Parquin, dort will ich Brot kaufen, denn die nächsten Tage gibt es kein Dorf mehr. Doch hier gibt es Montag Morgen nur Bier trinkende Männer und kein Brot. Weiter oben soll es aber eine Panaderia geben. Die Strasse durchs Dorf ist brutal steil. Untern den Blicken und Kommentaren von jenen Dorfbewohnern schiebe und reise ich mein Rad hoch, doch helfen würde keiner. Ich schiebe weiter durchs ganze Dorf, weiter oben ist die Panaderia. Doch Brot gibt’s erst um 14 Uhr, jetzt ist es 11 Uhr. Das nenne ich Pech, ich hatte die Hoffnung auf den Brotkauf voll auf Raquin gesetzt. Ich nehme den weiteren Anstieg in Angriff, der von Andes by Bike als „brutal climb“ bezeichnet wird. Da werde ich wohl oft schieben müden. So ist es, vor allem zu Beginn. Bald mache ich Mittagspause und ruhe mich etwas aus. Der Magen ist immer noch verstimmt, zudem schmerzt mir der Unterleib wegen den lunaren Tagen. Danach schiebe ich weiter, die Strasse ist nicht nur sausteil, sondern oft auch noch sehr steinig. Später kann ich wieder längere Abschnitte fahren. Das tut gut. Ich weiss nicht, ob hier je ein Auto durchfährt, aber immerhin sehe ich ab und zu Esel, Schafe und Kühe. Das tut auch gut, man fühlt sich dann nicht so alleine. Obwohl null Verkehr absolut klasse ist. Ich denke mir gerade, hier würde ich sogar mitten auf der Strasse zelten, wenn ich keinen flachen Platz finden würde. Denke ich so. Und dann kommt tatsächlich ein Auto. Wohl besser doch nicht auf der Strasse zelten. Der Hang wird immer steiler, ich kämpfe mich hoch. Ich muss einfach die erste Wasserstelle erreichen, ich bin heute wie ausgetrocknet. Nach einer Kurve weitet sich der Hang plötzlich und da steht eine Hirtenhütte. Zwei Hunde „begrüssen“ mich wie immer unfreundlich, ich rufe dem Señor zu, ob ich das Zelt auf die flache Wiese neben seinem Haus stellen darf. Ich hatte schon lange keine flache Stelle mehr gesehen. Zudem ist hier auch die Wasserstelle. Ich bin wohl auch nicht die erste, der Señor meint, hier hätten schon viele Ciclistas übernachtet. Unter den scheu-neugierigen Blicken von Sohn Josein stelle ich mein Zelt auf, dann bastle ich mit Kabelbindern eine Fixierung für die lose Schraube vom Lowrider. Ich hoffe das hält, bis ich eine andere Lösung finden kann. Langsam kommen die Schafe zurück, wohl von ganz alleine. Ich beobachte sie eine Weile. Und höre ich sie etwas Husten? Das hört sich extrem menschlich an, doch es sind tatsächlich die Schafe. Sehr interessant.
23.09.2014. Nachts ist der Himmel bewölkt, so ist es nicht so kalt. Doch auch morgens ist die Wolkendecke noch da. Als ich gegen 8 Uhr losfahre drücken aber ein paar Sonnenstrahlen durch. Es geht weiter den Berg hoch, schiebend und fahrend. Es folgt eine kurze Abfahrt zu einem Bach, dann geht’s links hoch in eine weiters Tal. Die Strasse bleibt gnadenlos steil und wird noch steiniger. Der Himmel ist grau und es ist kühl. Ich schiebe die meiste Zeit, das zehrt an den Kräften, die nach 5 Tagen mit Durchfall sowieso nicht auf der Höhe sind. Aber die genommenen Immodiums hatten absolut keine Wirkung gezeigt. Auch hier oben hat es Hirtenhütten und Schaf- und Alpacaherden. Es folgt eine Kuppe, dann geht’s weiter ins Tal hinein. Noch eine Kuppe, ein megasteiler Abschnitt, dann geht’s noch weiter ins Tal. Wann folgt denn endlich der Pass? Der muss wirklich härtest erarbeitet werden. Aber gegen 11 Uhr ist es geschafft! Ich bin oben auf dem Abra Chucopamapa auf 4’860 m.
Ich ruhe etwas aus, esse ein paar Kekse. Auf der anderen Seite erwartet mich eine Lagune und Felsen und Berge in allen Farben und Formen. Wahnsinn! Doch ich muss mich auf die Strasse konzentrieren, die ist auf dieser Seite noch grauenvoller. Steine, gross und klein, Furchen, Schlamm. Und sie wird nicht besser. So ist auch das Runterfahren eine anstrengende Sache. Und dauert. Ich biege auf eine andere Strasse ein, die besteht nur noch aus grossen Kieselsteinen. Dann bin ich unten, ich erreiche die Strasse über den Abra Antajira nach Cerro de Pasco. Guter Schotter. Nun geht’s wieder hoch, aber hier kann ich wenigstens Pedalen. Der Verkehr hält sich in Grenzen und zudem bläst der kühle Wind von hinten. Hah! Rückenwind. Einem Fluss entlang fahre ich in das Tal hoch. In dem engen Tal sehe ich hoch oben sogar zwei Kondore. Meist steigt die Strasse sanft an, richtig wohltuend. Ab und zu wärmt auch die Sonne ein bisschen. Ich arbeite mich weiter nach oben und am späten Nachmittag frage ich bei einer Hütte, ob ich neben dem Coral campen darf. Auch hier kein Problem. Bald wird es kühl, immerhin lässt der starke Wind hier nachts nach. Aber hier in dem Tal ist es viel kühler als gestern weit höher oben. Und heute Abend habe ich endlich genug von dem Magenrumpeln, es wird Zeit für ein Antibiotikum. Das habe ich diesmal zum Glück nicht aus der Tasche geräumt.
24.09.2014. In der Nacht schneit es eine Weile lang, am Morgen ist der Himmel klar. Doch die Sonne erreicht das Schattenloch erst nach meiner Abfahrt. So wurden Zelt und Schlafsack nass eingepackt, in der Hoffnung auf etwas Sonne später im Tagesverlauf. Auf der Hauptstrasse geht es weiter den Berg hoch und in das Tal hinein, doch schon jetzt verschwindet die Sonne langsam wieder, graue Wolken ziehen auf. Nach einer Weile erreiche ich den Abzweig zur Mina Chungar. Dieser Strasse folge ich nun den Berg hoch. Die Strasse ist gut, sogar sehr gut, die Steigung angenehm. Hier treffe ich auf keine Schafe, aber auf einen Fuchs. Gegen 11 Uhr erreiche ich den Abra Mio auf 4’760 m. Ich esse gerade ein paar Kekse, da beginnt es zu regnen. Na dann. Aber wie so oft hält der Regen zum Glück nicht lange an. Ich fahre runter und bald erreiche ich die schöne Laguna und etwas weiter unten die paar ausgestorbenen Häuser von Chungar. Gleich nach dem Staudamm geht’s auf der anderen Laguenenseite wieder den Berg hoch.
Hier ist die Strasse zu Beginn sehr steinig, dann wird sie besser. Der als „easyish“ bezeichnete Pass zwingt mich trotzdem manchmal zum Schieben. Meine Beine fühlen sich kraftlos an. Und der Durchfall hält an, das gestern genommene Antibiotikum zeigt noch keine Wirkung. Ich hoffe sehr, das kommt noch. So kämpfe ich mich mutterseelenallein durch die Gegend und zur Punta Fierro Cruz hoch. Aber wie so oft, oben angekommen sind die Strapazen schon fast vergessen. Ein Passfoto, dann geht’s wieder runter. Ich passiere eine kleine Lagune. Schön! Ich fahre weiter runter. Ohhhh! Was für eine Aussicht. Eine blau-türkis schimmernde Lagune, daneben eine hellere, kleinere. Jetzt sogar mit etwas Sonnenschein. Hier möchte ich campen, doch es ist nicht so leicht, einen ebenen Platz zu finden.
Schlussendlich stelle ich mein Zelt hinter ein paar Steinen neben der Strasse auf. Aber ich habe heute den ganzen Tag kein Fahrzeug gesehen, sprich keine Person. Hier oben auf 4’700 m sehe ich nur Alpacas. Es ist windig hier, aber so trocknet das Zelt sicher noch. Dann geniesse ich noch ein paar Sonnenstrahlen, vom Tal her ziehen schwarze Wolken auf. Bald beginnt es zu schneien. Ich schliesse die „Türen“ und geniesse die Wärme meines kleinen Heims. Immer wieder erstaunlich, wie warm und gemütlich es doch da drinnen ist. Ich koche eine Tasse Tee, höre dem Donner zu und lasse mein Zeltinneres von Blitzen erleuchten. In solchen Momenten fühlt man sich irgendwie klein, aber ich bin glücklich, hier sein zu dürfen, in dieser grossartigen Natur. Einzig die Gesellschaft fehlt in solchen Momenten.
25.09.2014. Der Himmel ist düster bewölkt, kurz vor Aufbruch beginnt es leicht zu schneien. Ich packe mich warm ein. Es geht noch ein paar Kilometer runter, dann etwas hoch und wieder runter zum Wasserkanal. Doch zuerst muss ich einen Bach durchqueren. Kneippkur am frühen Morgen und wieder saubere Füsse. Danach folge ich eine Weile dem Wasserkanal. Flach! Flach! Was für ein Erlebnis! Dann geht’s auch schon wieder hoch und auf der Hauptstrasse La Viuda – Huayllay fahre ich weiter hoch. Mittlerweile schneit es wieder, nachdem kurz die Sonne schien. Beim Abzweig zur Mina Alpamarca steht die Bodega Gimena. Perfekt! In dem kleinen Häuschen gibt’s für mich Znüni. Panqueques con su Cafecito. Obwohl Panqueques hier frittierte Teigfladen sind. Ich esse eine Portion von zwei und bestelle zwei nach. Die sind lecker und sicher die ideale magenfreundliche Schonkost. Draussen schneit es nun heftig, als zwei Minenarbeiter ins Häuschen treten. Der eine meint, diese Woche beginne die Regenzeit. Dem heftigen Schnee zufolge könnte das zutreffen. In der Bodega bekomme ich auch noch Klopapier, Kekse und Brot. Fast unglaublich. Als ich gut gestärkt wieder aufbreche hat der Schnee etwas nachgelassen. Es geht runter, dann auf der Strasse nach Canta und Yantac wieder hoch auf den Abra Alpamarca auf 4’710 m.
Hier gibt es etwas Sonnenschein. Es geht wieder runter und dann ziemlich hügelig weiter nach Yantac. Der Regen holt mich wieder ein. Kleiderwechsel sind heute ein Dauerthema. In Yantac esse ich unter der Hutstatue zu Mittag und treffe seit drei Tagen auf den ersten Mülleimer. Danach geht’s der schönen Lagune entlang weiter. Das Wetter wechselt weiter im Miuntentakt. Bald werde ich von Hagelkörnern beschossen. Der Hagel lässt etwas nach, um mich eine Weile später aufs Heftigste zum bombardieren. Die Körner sind richtig gross, aber auch das geht vorbei. Runter, flach und hügelig geht es weiter durch die Pampa, dann sehe ich die Laguna Marcapomacocha und das gleichnamige Dorf. Ich muss nur noch die Lagune umradeln, wobei vor dem Dorf nochmals eine Steigung erfolgt. Meine Beine sind wirklich müde. Oder vielleicht eher der Geist? Ich weiss es nicht.
Gegen 15.30 Uhr erreiche ich Marcapomachocha. Den Dorfnamen kann ich noch tags später kaum aussprechen. Erinnert mich an Zacatecoluca in El Salvador… Hier möchte ich mir das Hotel gönnen, doch da ist niemand. Ich warte eine ganze Weile, dann kommt die Señora. Auch hier sind alle mit dem Wahlkampf beschäftigt. 25 Soles soll ein Zimmer in dem wohl einst richtig tollen Hotel kosten. Von toll ist nicht mehr so viel übrig, immerhin handle ich einen „Warten in der Kälte Rabatt“ aus. Die heisse Dusche funktioniert auch nicht und der Fernseher ist in meinem Zimmer nicht mehr vorhanden. Na ja, das mit der Dusche versuche ich dann trotzdem mal. Und siehe da, ich erhalte doch heisses, nun, warmes Wasser. Eine gute Wäsche. Später esse ich im Comedor unten im Gebäude zu Abend. Ich setze mich zu einem Minenarbeiter. Und siehe da, auch die Schweizer sind hier. Der Señor arbeitet für eine Schweizerisch-Englische Firma. Peru ist offensichtlich reich an Bodenschätzen. In den letzten Tagen und Wochen habe ich viele Minen und ihre visuellen Auswirkungen auf die Umgebung gesehen, dass es weh tut. Von den umwelttechnischen Auswirkungen ganz zu schweigen. Ich hoffe, die Schweizer bringen ihr Knowhow mit und halten die Kontamination so gering wie möglich. Immerhin behandeln sie ihre Mitarbeiter gut, wie ich höre. Hier oben trinkt man übrigens keinen Mate de Coca gegen die Soroche oder Magenprobleme, sondern Mate de Muña. Ein Kraut, dass eben hier oben auf 4’500 m.ü.M. wächst. Denn Coca kommt ja bekanntlich aus der Selva. Ich probiere den Tee, nun es ist ein Kräutertee. Danach ziehe ich mich wieder in mein Zimmer zurück. Mit 7,3 Grad Celsius ist es dort ziemlich kalt. Ich glaube, in meinem Zelt wäre es wärmer.
26.09.2014. Das Frühstück gönne ich mir auch nochmals im Comedor. Brot, Marmelade, Spiegelei y su Cafecito. Dabei studiere ich nochmals Karten und Daten. Hier muss ich nämlich eine Entscheidung treffen. Weiter dem Great Divide folgen oder nach La Oroya fahren und einer anderen Route folgen? Das Wetter wird schlechter und mein physischer Zustand lässt immer noch zu wünschen übrig. Zudem schleppe ich wie bemerkt immer noch zuviel Gewicht. Bis in den Süden Perus fehlt noch einiges und die Regensaison zieht auf. Dieses Jahr ziemlich früh, aber daran soll El Niño und die Klimaerwärmung schuld sein. Daher lieber etwas schneller vorankommen. Ich würde liebend gerne noch weiter auf dem Great Divide leiden, aber ich entschiede mich für die Route nach La Oroya. Nach dem Frühstück mache ich mich satt auf den Weg. Ausserhalb von Marcapomacocha biege ich vor der Wäscherei nach links ab, nach der Brücke geht’s rechts hoch. Dies ist eine Abkürzung in Richtung Corpachanca. Die Strasse ist durch den Regen ziemlich matschig, aber es geht hauptsächlich runter. Dann treffe ich auf die JU910, der kann ich bis zur berühmt berüchtigten 3N folgen. Es folgt eine erste Barriere, doch hier ist niemand. Ich schlüpfe durch. Nun geht’s meist flach durch Grasland mit vielen Kühen. Eine zweite Sperre. Hier wohnt ein Señor, der sich über etwas Unterhaltung freut. Das ganze Vieh gehört einem Privaten und um Viehdiebstähle zu vermeiden, liess er die diversen Kontrollposten erstellen. Ich will sicher keine Kuh stehlen und darf durch. Ich erreiche Corpachacha, ein seltsames, der Milchwirtschaft verschriebenes Dorf. Danach wird die Gegend hügeliger, es geht rauf und runter, dem Regen entgegen. Dann ragen auf beiden Seiten tolle Felsformationen auf, eine total andere Landschaft als die letzten Tage.
Am Boden liegt Schnee, mittlerweile scheint hier die Sonne. Um nicht aus der Übung zu kommen hat es auch hier ein paar fiese Steigungen und der Strassenzustand lässt der Öfteren zu wünschen übrig. Holper, holper. Bald folge ich einem grossen Fluss, der sich zu einer Lagune weitet. Hier hat es sogar Flamingos. Die Lagune wird zu einem See, der sich auf einen Cañon zubewegt. Links von mir donnert es wieder und es zucken die Blitze. Ich fahre dem See entlang und es beginnt zu regnen. Diesmal heftig. Ich muss die ganze Regenausrüstung montieren. In der Hitze des Gefecht vergesse ich, den Spinnen-Gummispanner festzumachen. Er macht sich heute von dannen. Die Befürchtung hatte ich die letzten Tage schon ein paar Mal. Vier Jahre hat er mich begleitet, wohl der bester Spanner, den ich je hatte. Faz sei Dank! Nun beginnt auch die längste Steigung des Tages entlang der steilen Cañonwand. Ich arbeite mich durch den Regen und die Wand hoch. Den Verlust des Spanners bemerke ich erst weit oben. Zurücklaufen? Das waren einige Kilometer. Ich fahre weiter und ärgere mich. Es geht weiter den Berg hoch, links in den Bergen gewittert es heftigst. Es folgt wieder eine Kontrolle, dann ein Kuhstau.
Noch etwas weiter hoch, dann fahre ich steil runter zum Wasserkraftwerk von Malpaso. Klar, ein so toll gelegener Fluss oder See muss gestaut werden. Danach bleibt noch ein kleines Rinnsal. Nun holpere ich auf einer breiten Strasse aus dem Tal raus. Und hier treffe ich doch tatsächlich wieder auf einen Ciclista. Francisco aus Spanien. Er ist ziemlich gut beladen. Wir unterhalten uns lange, dann wünsche ich ihm viel Animo für die kommende Strecke. Ich fahre weiter dem Fluss entlang und bald treffe ich auf die 3N. Da wird man nach Tagen auf Schotter und viel Silencio einfach so in die laute Asphaltwelt ausgespuckt. Seit Tagen richte ich wieder den Rückspiegel und wage mich auf die grosse Strasse. War das eine gute Idee? Immerhin komme ich gut voran und bald erreiche ich La Oroya. Francisco riet mir, ein Hostal im neuen Stadtteil zu suchen. Ich sehe ein Hostal, es geht gleich die Treppe rauf. Hier lasse ich mein Rad aber nicht alleine stehen. Ich fahre zur Municipalidad und treffe im Gang auf den Alcalde. Er empfiehlt mir nach Marcavalle zu fahren und empfiehlt mir zwei Hostales. Nun muss ich doch tatsächlich noch mehrere Kilometer hochfahren. Die zwei Hostales entpuppen sich als viel zu teuer und keine der Dueñas lässt mit sich handeln. Nun, ich wollte viel handeln. Schliesslich finde ich im Hostal Tifi doch noch ein günstiges und ruhiges Zimmer. Hoffentlich, denn es ist wieder Freitag. Ich habe einfach ein schlechtes Timing für die Städte und Pausen. Der Radau ist mir schon viel zu laut und ich vermisse El Silencio und die Berge. Aber immerhin gibt es eine heisse Dusche und nach Tagen bekommen die Haare wieder eine Wäsche. Beim Abendessen im Restaurant will ein Typ Kaugummis verkaufen. Ich will keine, aber der Typ schwatzt sowieso nur noch von meinen Augen. Auf der Strasse treffe ich ihn wieder, er istfaszinirt von der Muñeca mit den blauen Augen. Als er mich dann als Peluche, Kuscheltier, bezeichnet, muss ich wieder so schnell wie möglich Reissaus nehmen. Lange werde ich mich auch hier nicht aufhalten. Ich muss so schnell wie möglich eine Route nach Süden finden…
27./28.09.2014. Etwas ausruhen muss ich hier. Und die Kleider waschen. Zudem leiht mir der Dueño des Hostales einen Wasserschlauch, so kann ich vor dem Hostal sogar mein Rad waschen. Ansonsten esse ich die ganze Zeit. Hier verkaufen die Frauen auf der Strasse ihre selbstgemachten Kuchen und Leckereien. Die sind wirklich der Hammer und ich muss einfach alles probieren. Dem Magen geht’s zum Glück wirklich wieder besser, das Antibiotikum zeigt seine Wirkung. Ebenfalls muss die Unterlippe wieder heilen, die ist wieder total verbrannt von der Höhensonne. Na ja, oder vom Höhenregen. Zudem decke ich mich mit Proviant ein. Hier gibt es wieder so viele Dinge, dass ich wie immer zuviel Sachen kaufe. Typisch Martina. Aber ich muss sie ja dann auch schleppen. Aber das Einkaufen ist interessant. Wenn man nach etwas fragt, dass es nicht gibt, sagen die Leute jeweils, dass genau das gerade gestern ausgegangen ist. Und zwar in jedem Laden. Hier gibt es kein „haben wir nicht“. Nun, die Peruaner können auch nicht sagen, dass sie den Weg nicht kennen, wen man danach fragt. Es ist dann jeweils ein vages por ahi. Marcavalle ist ein kleiner Vorort von La Oroya und viele Gringos verirren sich nicht nach hier oben. So wird schnell überall getuschelt, wenn ich vorbeilaufe. Na ja, so lange sie mich in Ruhe lassen… Sonst bin ich etwas geschockt von dem Ort, die Klospülung reicht einfach raus aus der Wand und alles fällt in den darunter fliessenden Bach. Ebenfalls fliesst der ganze Müll vom Strassenmercado wohl in denselben Fluss. La Oroya ist wohl nicht nur lufttechnisch die am stärksten verschmutze Stadt der Welt…
Und wie es so ist in einem günstigen Hostal, die Nacht von Samstag auf Sonntag wird busy. So eine laute und schreckliche Nacht habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Um 1 Uhr klingelt jemand 20 Minuten Sturm, wieso niemand die Tür öffnet weiss ich auch nicht. Dann kommt alle halbe Stunde ein Paar ins Hostal, klingelt, poltert die Treppen rauf und dann geht das Gestöhne los. Bis um 5 Uhr morgens. So schmerzt am morgen mein Kopf. Der Dueño versichert mir, dass nur Samstag Nacht so schlimm sei. Hoffentlich. Zum Glück gibt es auf dem Mercado einen Saft gegen Kopfschmerzen. Orange mit Sanky, einer Kakteenfrucht. Den Rest des Tages widme ich dem Schreiben, der Routenplanung und sonstigen Dingen. Und dann hoffe ich auf etwas besseres Wetter für Montag. Auf geht’s nach Ayacucho.
Ganz zum Schluss möchte ich noch etwas zum Beschrieb von Andes by Bike sagen. Man könnte die Strecke ohne Karte und GPS fahren, so gut sind die Wege beschrieben. Bis auf ein paar Abzweigung ist alles sonnenklar. Für mich hatte es auch etwas von Schnitzeljagd, ich wartete jeweils auf eine neue Info oder was zu tun ist. Das nahm dem Weg zwar seine Spannung, aber man wusste immer, was einem erwartet. In einem anspruchsvollen Gelände nicht das Schlechteste. Die Wege sind wirklich absolut toll, landschaftlich einfach einmalig, fast verkehrsfrei. Ich bewundere die Arbeit der Pikes sehr, zumal gewisse Weg nicht einmal auf den sehr detaillierten Karten vom MTC (Ministerio de Transportes y Comunicaciones) erscheinen. Aber wie sie auf ihrer Seite schreiben, die Routen sind für leichtgewichtige Räder optimiert. Da sollte man sich zu Herzen nehmen.
respect what agreat adventure – keep going Martina!