12.10. – 24.10.2014. 489 km. 10’238 Höhenmeter. … oder von Mäusen und Menschen. Dieser Titel kommt mir während des Fahrens in den Sinn, die Story von John Steinbeck. Ich bin auch eine Art Wanderarbeiter, aber aus Versehen umbringen tue ich weder Tiere noch Menschen. Aber Mäuse bescheren mir eine schlaflose Nacht und von den Menschen gibt es eben die guten und die schlechten. Diesmal treffe ich beide Sorten an.
Route: Ayacucho – Abra Toccto (4’240 m) – Condorchocha – Vischongo – Vilcas Huaman – Raymina – Pitecc – Pongococha – Anta – Belen – Chalcos – Chilcayocc – Putongo – Abra Putongo (4’350 m) – Abra Jayuri (4’400 m) – Autama – Soras – Larcay – Chicha – Abra Millamar (4’000 m) – Sañayca – Chalhuanca – Yanaca – Saraica – Matara – Antabamba
Und wieder ist seit dem letzten Blogeintrag viel Zeit vergangen… Im Süden Perus war es nicht mehr so einfach, gutes und einigermassen schnelles Wi-fi zu finden. Und da ich ja nun den eigenen Rechener mitschleppe, werden Blogeinträge von diesem aus hochgestellt. Ich mühe mich deswegen nicht mehr stundenlang in Intertnetcafes ab. Dies die Erklärung, warum man so lange nichts von mir gehört hat. Nun aber zu den Erlebnissen seit Ayacucho…
12.10.2014. Nach einer Woche relaxen und peruanischer Kulinarik in Ayacucho ertönt wieder der Ruf der Strasse. Als ich aufstehe, tröpfelt es leicht, der Himmel ist grau. Einfach wieder ins Bett kriechen? Nein! Ich stehe auf, packe einige Sachen zusammen. Ich frühstücke und packe die letzten Sachen. Ich habe soviel Essen bei mir, man könnte wieder einmal meinen, ich verschwinde für Tage ins Niemandsland. Dabei leert sich noch eine sehr klebrige Orangenlimonde in eine der Vordertaschen. Das Zeugs klebt ganz schön eklig und es gibt noch eine längere Putzaktion. Danach heisst es von allen Abschied nehmen. War eine schöne Zeit in Ayacucho! Dann stürze ich mich ins Verkehrschaos, dies ist zum Glück am heutigen Sonntag um diese Uhrzeit noch nicht ganz fatal. Tja, Uhrzeit. Als ich auf meinen Bordcomputer (meine mit Kabelbindern festgemachte Casio-Uhr) schauen will, stelle ich entsetzt fest, dass die verschwunden ist. Na, man muss in den Hotels eben doch aufpassen. Schade, die begleitete mich seit Kanada im 2012, aber kein Weltuntergang. Auf der Strasse nach Cusco und Andahuaylas beginnt noch in Ayacucho der Aufstieg. Der Himmel wird noch grauer, bald nieselt es leicht. Doch dann bricht die Wolkendecke wieder auf. Das wiederholt sich noch ein paarmal. So steige ich auf der guten Asphaltstrasse langsam den Berg hoch. Im 2010 befand sich diese Strasse im Bau, über eine furchtbare Staub-Bachbettpiste erreichten wir damals Ayacucho. Bei etwas Sonnenschein mache ich Mittagspause.
Es geht weiter hoch, dabei kommen mir diverse Jungs auf Skateboards entgegen. Mit rasendem Tempo sausen die den Berg runter… Dann überholt mich ein Lastwagen, bald öffnet sich die Beifahrertür und es pisst einer raus. Später kommt das Klopapier hinterhergeflogen. Hm… Die Gegend wird kahler und nach 40 km Aufstieg erreiche ich den Paso Toccto auf 4’240 m. Nun folgt der Abzweig nach Vilcas Huaman. Die Strasse befindet sich im Bau, ich werde heute das erste Mal eingestaubt. Es ist kühl und ohne Uhr am Lenker habe ich die Zeit nicht so präsent. 16 Uhr. Es geht weiter runter durch diverse Campamentos der Strassenarbeiter. Dann folgt Condorcocha. Zu Essen gibt’s hier bestimmt, ein Comedor nach dem anderen. Und eine Tankstelle mit Hotel. Das sieht ziemlich neu und edel aus. Das grössere Dorf Chanquil liegt nicht gerade auf meinem Weg, ich will nach dem Preis des Hotels fragen. Doch da ist niemand. Auch gut. Ich fahre durch die Tankstelle, sehe ein Haus mit Vordach, dort könnte ich zelten. Ich frage nach dem Besitzer. Dort wohnt der Encargado der Tankstelle, doch der ist gerade auf dem Berg. Er komme aber in 5 Minuten zurück. Ich warte 15 Minuten, Nun funkt einer der Tankstelle den Encargado an. Eine Señorita. Diese meint über Funk, ich solle warten, bei der Laguna hätte es einen schönen Ort mit Strohdächern. Nun, ich warte und unterhalte die Männer der Tankstelle. Dann kommt die Gruppe vom Berg runter, Señorita Elisabet begrüsst mich herzlich. Kein Problem, da gäbe es einen Platz. Ihre Kollegin Patricia ist die Señora des Hotels und dort will mir Elisabet ein Zimmer bezahlen. Wow, cool! Und was für ein Zimmer, totaler Luxus inklusive heisser Dusche!
Zum Abendessen werde ich auch noch in die Kantine der Tankstellenarbeiter eingeladen. Dabei unterhalte ich mich bei einem Bier noch eine ganze Weile mit Elisabet. Schon erstaunlich, was man für Menschen trifft!
13.10.2014. Kurz nach 6 Uhr verlasse ich die Wärme meines Schlafsacks. Ich schlafe auch in guten Hotels lieber in diesem, die zig Schichten von Wolldecken erdrücken mich fast. Packen, Kaffee kochen. Ich denke noch, ob ich frühstücken soll oder nicht. Aber ich habe noch so viele Chaplas. Dann bringe ich das Gepäck runter und treffe auf Patricia. Die mich zum Frühstück bittet. Nun, einen Cafecito kann ich noch trinken. Doch kaum in der Kantine steht schon ein Teller mit Reis und einer Gemüsetortilla vor mir. Uff! Die Tortilla ist sehr lecker, aber den Reis schaffe ich nicht. Plötzlich kommt Hektik in die Kantine, Elisabet springt auf und verabschiedet sich schnell. Wir sehen uns im Face, wie es hier jeweils so schön heisst. Ich gehe bald weiter packen, dann verabschiede ich mich von Patricia und ihrer Kollegin. Ein nettes Frauenteam der Tankstelle.
Weiter geht’s. Ich nehme den Abzweig nach Vilcas Huamam und nun fahre ich auf einer rüttligen Steinpiste. Ich fahre an der Lagune vorbei. Wäre wirklich auch schön gewesen. Hier baut der Besitzer der Tankstelle Bungalowas. Er erwartet hier eines Tages grosse Touristenströme, da Condorcocha ein Verkehrsknotenpunkt ist und die Gegend viel zu bieten hat. Die Strasse führt nun flach mit einigen Auf- und Abfahrten durch die Gegend. Bald werde ich von drei grossen Hunden attackiert. Ich hebe gleich Steine auf, aber oh Wunder. Eine Premiere. Ein Señor läuft auf die Strasse und ruft die drei. Ob ich Angst hätte? Nein, aber ein Hundebiss reicht. Nun will mir der Señor die Vögel bei der kleinen Lagune auf seinem Grundstück zeigen. Danke, aber ich fahre lieber weiter. Die Piste ist wirklich gut steinig, ich und das Rad werden gut durchgeschüttelt. Bald geht’s steil runter nach Vischongo, dann beginnt der Aufstieg nach Vilcas Huaman. Es ist warm heute, mein neues Hemd etwas dicker. Ich komme gut ins Schwitzen bei dem steilen Aufstieg. Dann wird die Strasse etwas flacher und gegen 16 Uhr erreiche ich Vilcas Huaman. Das ganze Dorf ist eine Inkastätte, die Plaza sieht schon mal speziell aus. Gleich bei der Plaza finde ich ein Zimmer für 10 Soles. Hier will ich zwei Nächte bleiben und mir in Ruhe die Inkastätten ansehen.
14.10.2014. Die Inkaruinen sind in Vilcas Huaman im ganzen Dorf verstreut. Beim Ushno bezahlt man 3 Soles für den Rundgang. Der Mirador des Inka ist eine pyramidenförmige Konstruktion, zu oberst befindet sich der Doppelsitz, wo der Inka und die Coya (die Hauptehefrau) die Zeremonien betrachteten. Dahinter ist der Palast des Inka mit seinen 5 Pforten.
Danach sehe ich mir den Sonnentempel und den Mondtempel an. Auf die beiden dreistufigen Tempel wurde im 17 Jahrhundert die San Juan Bautista Kirche gebaut. Das Machtsymbol der Katholiken thront wie so oft auf den ursprünglichen Inkabauten. In der einen Ecke der Plaza befindet sich der Opferstein, ein monolithischer Stein in Form eines Fernsehers. Die zwei Mädels sind begeistert, als ich ihnen erzähle, dass sie nun in der Schweiz im Fernsehen zu sehen sein werden. Ich suche noch einige andere Inkareste, aber finden tue ich nicht alles. Dafür gibt es auf dem Strassenmarkt ein Mittagessen für 3 Soles, dann treffe ich wieder auf den Cicilista Juan Carlos, den ich am Vortag schon angetroffen hatte. Für ihn muss ich als Psychiater für seine Beziehungsprobleme herhalten. Mein Tipp:“Das Leben geht weiter.“ Das sollte ich mir selbst wohl auch zu Herzen nehmen. Ich schlendre noch etwas weiter durch das Dorf, die grosse blonde Gringa ist wie so oft bald überall Tuschelthema.
Wieder im Hostal mache ich mich an die Bremsen. Die hintere bereitet mir Probleme. Nun, gut mache ich das, denn dabei stelle ich fest, dass eine Speiche gebrochen ist. Shit! Meine erste gebrochene Speiche in 4 Jahren! Tja, was nun? Der Sohn der Hostaldueña empfiehlt mir einen Señor Buitre, der das richten kann. Doch der Señor schickt mich zu seinem Bruder Hernan, der bei Dorfeinfahrt eine Werkstatt hat. Hernan ist wohl der erste Peruaner, der extrem beschäftigt ist. Er hat keine Zeit. Um 18 Uhr soll ich nochmals vorbeikommen. Doch auch dann hat er keine Zeit, am nächsten Morgen um 6 Uhr vor der Arbeit könnte er sich das Rad ansehen. Super! Nun, da mache ich mich selbst hinter die Speiche, das Auswechseln ist nicht so schwer. Aber zentrieren kann ich das Rad nicht selbst. Das muss ich noch lernen…
15.10.2014. Kurz nach 6 Uhr stehe ich vor der Werkstatt und siehe da, der vielbeschäftigte Hernan hat kurz Zeit. Das Rad wird dann tatsächlich ein ein Zentriermaschine eingespannt. Hernan zentriert das Rad sehr sorgfältig. Man sagt, er mache seine Arbeit immer sehr sorgfältig und gewissenhaft. Darum hat er wohl soviel zu tun. Ich hoffe nun, das hält! Um 6.30 Uhr ist mein Rad wieder fahrbar und bald darauf verlasse ich Vilcas Huaman in Richtung Viscachayocc. Dies übrigens wieder ein Teil einer Route von Andes by Bike. Es geht weiter rauf, durch ein paar kleine Dörfer, dann durch die Pampa.
Heute halten jene Fahrzeuge. Der erste Señor fragt gleich zu Beginn, warum ich alleine unterwegs sei. Meine Lieblingsfrage. Die nächsten zwei wollen mich mitnehmen, was ich dankend ablehne. Am Strassenrand wieder viele Huacuro-Kakteen, ich halte für ein paar Fotos. Als ich wieder zum Rad laufe, kommt mir ein Schafhirte mit Pferd entgegen. Er gibt mir seine Pranke und lässt meine Hand nicht mehr los. Ich rieche seine Coca-Fahne, seine Augen sind glasig. Der schmeisst sich noch mehr als nur Coca rein. Er nennt sich Aguila, das Pferd auch. Schön. Nun will er, dass ich mit ihm komme, um mir seine Andenstories anzuhören. Ich müsste dann ein Buch schreiben. Er fängt auch gleich an, dass es in den Bergen gefährlich sei, wegen den Geistern. Zudem gäbe es Füchse, die sich in kleine Männchen verwandeln und im Queñualwald solle ich auf keinen Fall übernachten. Er gibt noch ein paar Stories preis, greift sich wieder meinen Arm, die Hand hatte er kurz losgelassen. Nun will er meine Telefonnummer. Zum Glück habe ich kein Telefon. Der Typ wird mir sehr unangenehm, aber die Strasse ist schlecht, zum Hoch- wie Runterfahren. Zudem hat er ein Pferd. Fliehen kann ich also nicht. Aber mit sanftem Zureden kann ich mich rausreden. Ich fahre hoch zum höchsten Punkt auf 3’970 m, mit stetem Blick in den Rückspiegel, dann geht’s runter und wieder etwas rauf nach Pitecc. Dort nehme ich den Abzweig nach Pongococha. Dort hat es eine nette Plaza, idealer Ort fürs Mittagessen.
Ein Señor meint, ich solle vorsichtig runterfahren, aus dem Stachelwald fielen manchmal Kaktusteile auf die Strasse und die können Platten verursachen. Ich fahre weiter runter, langsam beginnt der Stachelwald und es wird wärmer. Die Strasse ist ziemlich schlecht, ich komme nur langsam voran. Immer weiter runter geht’s ins Tal, ein Bachüberquerung und ich bin in Anta.
Wieder so ein ausgestorbenes Kaff. Ich suche etwas herum, treffe auf eine alte Señora. Ich möchte auf dem Betonfussballplatz zelten, dazu solle ich mit dem Professor reden. Ich treffe gleich auf alle Professoren, die Herren mit dicker Cocabacke. Und man bietet mir ein Schulzimmer an, ohne dass ich fragen muss. Ebenfalls gibt es schlussendlich die erste peruanische Chicha. Den Becher kann ich zum Glück irgendwo unauffällig stehen lassen, ich finde die Chicha eklig. Wie so oft schwärmen die Herren von meinen blauen Augen, wollen, dass ich bleibe und mir einen Peruaner suche. Niemand würde mich vermissen, wenn ich in Anta verschwinden würde, meint der Professor. Die altbekannten Sprüche. Später gibt es einen Teller Caldo de Gallina, danach gehe ich schlafen, ich bin müde.
Um 22 Uhr höre ich, wie die Tür des Schulzimmers aufgeht, das Licht wird angemacht, dann erschallt brutal laute Musik. Ich schaue aus dem Zelt raus, sehe den Professor und zwei Compañeros, alle ziemlich besoffen. Ich möchte überhaupt nicht wissen, was sie wollenl! „Raus, und zwar sofort!“ schreie ich so laut wie möglich. Mehrmals. „Fuera!“. „Lasst mich in Ruhe, ich will schlafen!“ Ich schreie noch ein paar wüstere Ausdrücke durch den Saal. Der Professor lallt blöde rum. Ich schreie wieder, nun erscheint zum Glück eine Señora, zerrt die Herren mühselig raus. Sie will mich nun in ihrem Haus schlafen lassen, doch ich räume nicht wieder alles zusammen. Ich mache die Türe zu, klemme sie mit einem Stuhl ab und versuche zu schlafen. Schwierig. Ein wahrer Mier… coles!
16.10.2014. Als ich am nächsten Morgen aufstehe, höre ich schon einige Stimmen. Ich gehe raus, da sitzt der Professor. Ich grüsse kühl, er schaut mich nicht an. Eine sehr peinliche Situation. Kurz nach 7 Uhr mache ich mich auf den Weg, verlasse das berüchtigte Anta. Es geht zum Fluss runter, dort hätte ich wunderbar zelten können. Ich fahre über die nicht sehr vertrauenswürdige Brücke über den Rio Pampas, auf der anderen Seite beginnt der Aufstieg.
Trotz Schatten komme ich hier unten gut ins Schwitzen. Die Strasse ich oft sehr steinig, aber nicht allzu steil. Kurve um Kurve fahre ich hoch, der Blick ins Tal ist genial. Es ist immer wieder cool, wenn man irgendwann den zurückgelegten Weg von oben sieht… und Anta hinter sich zurücklässt. Nach Socos wird die Strasse viel besser, ich passiere Belen, nun geht’s in 5 km 500 Meter nach oben. Das sind steile Steigungen, die mich ab und zu zum Stossen bringen. Ich erreiche 3’710 m, nun geht’s etwas runter nach Chalcos, einen grösseren Ort. Ich fahre weiter, wieder hoch. Bald werde ich von drei Schulchicas begleitet. Die drei haben tausend Fragen und eine Weile laufe ich mit ihnen.
Dann fahre ich weiter, runter nach Chilcayocc. Trotzt allem frage ich wieder nach einem Lehrer. Man ruft eine Señora im Haus gegenüber. Die ist gerade am Essen, ich werde in den Innenhof geschleppt und halte gleich einen Teller Caldo de Gallina in der Hand. Man weist mir einen freien Sitzplatz, natürlich genau inmitten einer Runde gut angeheiterter Männer. Na toll! Nun kann ich endlich nach dem Fest fragen. Es ist eine Leichenmahl. In Südamerika ist es üblich, dass die Trauerfamilie das ganze Dorf zum Essen und eben Trinken einlädt. Als sich der Besoffenste gerade neben mich setzt, stehe ich auf. Genug! In dem Moment rettet mich zum Glück auch die Señora und bringt mich zum Colegio. Sie ist die Putzfrau, aber der Direktor lässt mich im Kindergarten übernachten. Seine 6-jährige Tochter Nicole leistet mir noch lange Gesellschaft und quasselt ununterbrochen. Das ist echt ermüdend nach 1’600 Metern hochfahren auf Schotter.
17.10.2014. Die Nacht im Kindergartenzimmer ist ruhig und ungestört. Wunderbar. Bei strahlend blauem Himmel verlasse ich Chilcayocc in Richtung Putongo. Es folgt wieder eine gute Steigung bis zum Pass, nochmals gute 500 Höhenmeter in guten 5 km, dann die Abfahrt nach Putongo. Dort versuche ich es wieder mit dem Brotkauf, in Chilcayocc gab es kein Brot, nur süsse, in Plastik gepackte Pastelle. Aber auch hier das gleiche Bild. Nun, kaufe ich eben eine paar gut konservierte Muffins. Nach der Pause folgt die nächste Steigung. Auch hier gibt es wieder ins paar gute Mörderabschnitte für mein 60-kg Fahrrad. Ein Pick-up hält, die Männer wollen mich bis zum Pass mitnehmen. Ich würde leiden müssen. Aus unerfindlichen Gründen lehne ich dankend ab und quäle mich weiter den Berg hoch. Ich leide gerne.
Die 15 km ziehen sich gut dahin und der Himmel wird immer dunkler. Beim Mittagessen habe ich audiovisuelle Unterhaltung. Vor mir donnert es im Minutentakt, die dunkeln Wolken nahen. Es geht weiter, ich treffe auf einige Vicuñaherden. Dann ist der Abra Putongo auf 4’350 m erklommen. Und das Gewitter ist woanders hingezogen. Bald biege ich auf einen kleinen Track ab. Zweispurig führt der nun durch die Pampa in ein ebenes Tal hinein. Links donnert es schon wieder und bald hat mich dieses Hagelgewitter eingeholt. Das war’s mit dem schönen Wetter. Doch der Hagel lässt bald nach, ich fahre durch eine riesige Alpaca-Schaf-Herde. Eine alte Señora ruft mir auf Quechua etwas zu. Hört sich an wie „da geht’s nirgends hin“. Ich rufe nur „Abra Jayuri“, da nickt sie nur noch.
Bald werde ich von einem weiteren Gewitter überfallen. Aber auch das hält nicht allzu lange an. Ich erreiche den höchsten Punkt auf 4’400 m, den Abra Jayuri. Ich fahre etwas runter, suche ein Plätzchen fürs Zelt. Das dauert ein Weilchen, denn der Wind bläst ziemlich stark und ich finde nicht allzu viel Windschutz. Aber dann steht bald das kleine Heim und ich verziehe mich in dessen Wärme. Nun 10 Grad. Und bald höre ich es wieder aufs Zelt prasseln. Das berühmte dritte Mal.
18.10.2014. Um 4 Uhr höre ich ein Motorrad vorbeifahren und irgendwie wird es schon hell. Bald ist es hell, aber ich bleibe bis kurz nach 6 Ihr liegen. Ich glaube, die Sonne scheint. Ich gugse aus dem Zelt. Tatsächlich, blauer Himmel und Sonnenschein. Und da hat es Nevados! Wow, was für ein Morgen! Ich packe schell zusammen und raus geht’s. Dort ist es noch kühl, Zelt und Rad sind gefroren. Aber die Sonne wärmt langsam. Heute wird draussen gefrühstückt! Herrlich! Ich geniesse und lasse das Zelt trocknen. So liebe ich das Nomadenleben!
Dann fahre ich auf dem Track bis zur Querobamba-Paico-Strasse, eine neue, gute Schotterstrasse. Bald folgt der Abzweig nach Autama. Bei der Plaza mache ich eine Pause, gleich werde ich von drei Männern belagert. Die üblichen Fragen und der eine Soltero will mich gleich behalten. Ich fahre aber weiter runter nach Soras. Wow, dort gibt es endlich Brot zu kaufen. 8 Chaplas für 1 Sol. Später denke ich, hätte ich doch mehr gekauft. Na ja. Ich mache mich auf den Weiterweg nach Larcay. Nun steigt die Strasse wieder an, es geht durch wüstenartigen Stachelwald.
Und trotz 3’500 m.ü.M. ist es ziemlich heiss, ich komme gut ins Schwitzen. Es folgt eine Mini-Gewitterfront, dann wird es wieder warm. Nach knappen 10 km erreiche ich Larcay. Hier gibt es Aguas termales, auf die habe ich mich schon gefreut. Doch sie liegen unten am Fluss. Der Umweg ist mir zu mühsam, da müsste ich frisch gewaschen wieder hochfahren oder -laufen. Ich fahre weiter, es folgen nochmals 10 hügelige Kilometer nach Chicha. Heute Samstag ist niemand von der Schule da, man schickt mich zum Haus des Präsidenten. Er hat den Schlüssel der Casa Comunal. Doch die kann er mir ohne Gemeindeversammlung nicht öffnen. Na dann. Aber er bietet mir netterweise ein Cuarto in seinem Haus an. Das nehme ich gerne an und hoffe, dass es rattenfrei ist.
Nun, mausfrei ist es auf jeden Fall nicht, beim Nachessen kochen sehe ich drei an der losen Holzdecke vorbeiziehen. So trippelt und raschelt es dann die ganze Nacht auch über mir, neben mir, hinter mir, beim Rad und wo auch immer. Zu viel Schlaf komme ich dabei nicht.
19.10.2014. Gegen 7.30 Uhr mache ich mich auf den Weg in Richtung Abra Millamar. Zuerst geht’s auf einer guten Schotterstrasse hoch, nach ein paar Kilometern folgt der Abzweig nach Sañayca und eine steinige Holperpiste. Zum Teil fahre ich über puren Stein, oft schiebe ich, um weniger Schläge auf die Räder abzubekommen. Ich habe immer noch etwas Angst vor weiteren Speichenbrüchen.
Zudem setzt heute der Kilometerzähler ständig aus. Der Ersatz ist gerade auf dem Weg in die Schweiz… Auf Stein rumple ich weiter hoch, dann wird das Gelände eben, die Strasse teilweise besser. Sogar hier oben wird gebaut, immer wieder muss ich ins Gras ausweichen, weil Kieshaufen die Strasse versperren. Nach einem winzigen Dorf ist die Strasse dann viel besser und bald erreiche ich den Abra Millamar auf 4’000 m. Nun geht’s runter, teilweise wieder etwas hoch. Der Himmel wird immer grauer und es weht ein kalter Gegenwind. Es folgt die Abfahrt nach Sañayca, dann geht’s weiter runter bis zur asphaltierten Nazca-Abancay Hauptstrasse. Ich biege nach rechts in Richtung Puquio ab. Es geht flussaufwärts leicht rauf, zudem ist es hier auf 2’670 m ziemlich warm. Auf Asphalt und mit etwas Rückenwind fliege ich nur so dahin. Doch der Wind ist sich nicht so einig, bald habe ich starken Gegenwind. Und nach einer Kurve weiss ich auch warum. Ich fahre direkt auf eine schwarze Gewitterfront zu. Nun kämpfe ich gegen den Wind und die Kilometer nach Chalhuanca ziehen sich dahin. Dabei überholen mich drei Motorräder, auf dem hintersten ein Paar, alle geben mir ein Daumen-rauf. Ich schaffe es trocken nach Chalhuanca und quartiere mich in einem Hotel mit Wi-fi ein, hier gibt’s mindestens einen Ruhetag. Und nach 5 Tagen gibt’s eine heisse Dusche. Oleeee! Die Haare sind auch glücklich über etwas Shampoo und dann heisst es Futtersuche. Ich habe Hunger! Ich kaufe Brot und suche ein Restaurant. Bei einem will ich nach dem Menu fragen, drinnen sehe ich 4 Motorradfahrer sitzen. Ich spreche sie an, ob sie mich überholt hätten. So kommen wir ins Gespräch und es stellt sich bald heraus, dass sie von der anderen Seite hergekommen sind. Doch die drei Herren aus Tarapoto und die Chilenin Alicia sind sehr nett, Javier lädt mich auch gleich zum Essen ein. Forelle! Die schmeckt sehr gut! Vielen Dank!
20. – 22.10.2014. Einen Ruhetag möchte ich mindestens in Chalhuanca verbringen. Wäsche waschen, etwas relaxen, die üblichen Dinge erledigen. Das Wetter passt auch, es regnet nämlich den ganzen Tag. Was zur Folge hat, dass die Wäsche nicht trocknen will. So gibt es eben einen zweiten Ruhetag. Bei besserem Wetter und mit trockener Wäsche. Auf dem Mercado lerne ich beim Saft-Trinken Señora Maura kennen. Eine evangelische Missionarin, die 2 Jahre in Deutschland missionierte. Sie lädt mich in ihr Haus ein, auf einen Schwatz, übernachten dürfte ich auch dort. Aber die Hotelnacht ist schon bezahlt. Solche Leute lernt man immer zu spät kennen.
Am Mittwoch will ich eigentlich weiterfahren. Ich schlafe wie so oft mit Ohropax, das geht in Hotels oft besser und ruhiger. So bekomme ich fast nichts mit. Auch nicht das Prasseln des Regens aufs Blechdach. Das nehme ich erst beim Rausnehmen der Schaumstoffstöpsel wahr. Ein Blick aus dem Fenster, grau, tiefe Wolken, Regen. Uff, das demotiviert mich total. Ich krieche zurück in meinen Schlafsack. Später hört es auf zu regnen, aber nicht für lange. Entschluss gefasst, heute fahre ich nicht weiter. Noch ein Tag mit mehr schlecht als recht funktionierendem Internet. Aber das ist die einzige Unterhaltung, Chalhuanca hat sonst nichts zu bieten. Später wird das Wetter dann merklich besser und morgen gibt es keine Ausrede mehr, Regen hin oder her!
23.10.2014. Ich werde von Sonnenstrahlen geweckt. Da springt es sich ganz leicht aus dem Bett. Bald bin ich startklar. Dabei stelle ich fest, dass die hintere Bremse überhaupt nicht funktioniert. Hm, das muss bis abends warten… Bei der Plaza von Chalhuanca beginnt der Aufstieg in Richtung Yanaca. Die Steigung ist angenehm und die Sonne bringt mich bald ins Schwitzen. Kurve um Kurve arbeite ich mich den Berg hoch, Verkehr hat es fast keinen. Einmal hält ein Minibus, vollbeladen mit Material. „Que mujer valiente!“, meint der Fahrer. Er würde auch nach Yanaca fahren. Nun, wohl ein bisschen schneller.
Ein paar Strassenarbeiter wollen ein Fotico. Das ist auch ok. Interessant, dass hier überall auch viele Frauen an der Strassenausbesserung arbeiten. Nun, arbeiten. Oft sehe ich die Arbeiter am Strassenrand sitzen. Ich fahre weiter hoch, die Kurven werden länger und die Landschaft wechselt zur andienen Pampa. Nach 26 km erreiche ich den höchsten Punkt. Es ist kühl hier oben, ich überlege, was ich für die Abfahrt anziehen soll. Da sehe ich vor mir einen Kondor durch die Lüfte ziehen. Er kreist, dann zieht er ca. 40 bis 50 Meter über meinem Kopf hinweg. Woooow!!! Was für ein gigantischer Vogel. Ich sehe ihm lange nach, wie er auf der anderen Seite verschwindet.
Bewegt nehme ich die Abfahrt in Angriff, langsam auf der Holperpiste. Gegen 15.30 ihr erreiche ich Yanaca. Ich fahre noch weiter, bis Saraica sollte ich es noch schaffen. Ich treffe auf einen Señor, der mich in Yanaca gerne zum Abendessen eingeladen hätte. Na, ein ander Mal vielleicht… Nach einer letzen kurzen Steigung erreiche ich gegen 16.40 Uhr Saraica und treffe auf den Chauffeur vom Morgen. Er hat Schulmaterial ausgeliefert. Ich frage nach einem Lehrer, die Professora wohnt in dem Haus, vor dem ich stehe. Ein anderer Professor, Hernan, steht auch gerade da und bietet mir spontan sein Cuarto an, denn er fährt über Nacht weg. Wow, was für eine freundliche Geste. Das nehme ich gerne an. Zum Glück gibt es doch mehr gute als weniger gute Menschen…
Während er seine Sachen packt, bastle ich an der hinteren Bremse rum. Die Pads sind schon wieder durch, zumindest eines, zudem hat sich der Draht verbogen. Ich setze neue Pads ein, die ich zum Glück in Ayacucho als Notfallpads gekauften. Mal sehen, ob sie was taugen. Dann gibt es heute eine kalte Dusche und später koche ich was, denn Hernans Küche darf ich auch benutzen.
24.10.2014. Saraica ist ein komischer Ort. Nun, ein normales peruanisches Kaff, würde da nicht die protzige Villa eines Millionärs stehen. Die passt überhaupt nicht in das Ortsbild. Der Señor, dem sie gehört, verbringt auch fast keine Zeit im Dorf, aber anscheinend hat er seine Wurzeln dort. Ich verlasse Saraica kurz nach 7 Uhr. Eine Señora will mich bis zum Fluss runter begleiten. Sie ist dann auf den Kuhpfaden schlussendlich schneller unten als ich auf der Rüttelpiste. Nun geht’s dem Rio Antabamba entlang flussaufwärts durch das enge Tal. Es ist heiss hier unten und ich komme gut ins Schwitzen. Rauf und runter geht’s dem Fluss entlang. Bald will mich ein Señor mitnehmen. Interessant, wie oft das im Moment passiert. Ich erinnere mich an Ecuador, da hat nie einer gehalten, selbst wenn ich fast unter dem Fahrrad gelegen bin. Hier fahre ich natürlich per Rad weiter. Seit langem gibt’s im ersten Dorf einen Powerade-Stopp. Dann fahre ich schwitzend weiter. Bald beginnt die Steigung nach Antabamba. Nach einer Weile macht sich der Hunger bemerkbar, doch die Schattenplätze sind hier rar. So setze ich mich am Strassenrand unter ein Bäumchen. Ich verspeise gerade ein letztes Brötchen, als ein Arbeiterbus vorbeifährt. Weiter vorne hält der Bus, der Chauffeur winkt herum, dann setzt er zurück. Ob er mich mitnehmen soll? Ich sei wunderschön und er würde auch warten, bis ich gegessen habe. Ich lehne wieder dankend ab. Danach geht’s in der Hitze weiter hoch, nach eine Weile wird es anstrengend. Ich fahre durch Matara, die letzen 7 km nach Antabmaba ziehen sich in die Länge. Ich bin geschafft. Das waren heute 1’500 Höhenmeter, mehr als am Vortag bei der Passüberquerung. Uff! In Antabamba suche ich die Parroquia, wo man mir nach einer Weile ein Zimmer zur Verfügung stellt. Dann stelle ich mich unter die eiskalte Dusche, das muss heute sein. Zudem wasche ich die Kleider aus, so geschwitzt habe ich schon lange nicht mehr. Später treffe ich auf eine nette Schwester, wir unterhalten uns eine Weile. Sie lädt mich noch in ihr Haus ein, doch dazu habe ich keine Zeit mehr. Ich muss mich mit Proviant eindecken und die kommende Route etwas studieren. Ansonsten ist die Parroquia ziemlich ausgestorben. Nun, bis auf die Bichos, die sich in meinem Bett tummeln, wie ich am nächsten Morgen verstochen feststellen darf… Das war dann eben: of Mice and Men… and Bugs.
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