05. – 09.01.2015. 269 km. 1’933 Höhenmeter. Nach einer langen Pause in La Paz geht es endlich weiter. Und es ruft der höchste Berg von Bolivien, der Sajama. An dessen Fusse fahre ich meinen Kilometer 10’000 seit Nicaragua und feiere genau an dem Tag auch noch ein Jahr auf Achse. Ganz alleine. Zeit für eine Bilanz. Und etwas Luxus.

Route: La Paz – Calamarca – Patacamaya – Rio Desaguadero – Abzweig Curahuara de Carangas – Lagunas – Sajama

Nun, wie gesagt, hier folgen nun endlich die weiteren Einträge. Obwohl es schon wieder eine Verzögerung gab. Vorgestern wurde mir leider in Argentinien meine geliebte Kamera gestohlen. Auf nimmer Wiedersehen. Ich bin untröstbar und verärgert. Zum Glück habe ich nur zwei Wochen Fotos verloren, da ich immer wieder mal ein Back-up mache. Das die guten News. Ich brauche nun so schnell wie möglich eine Ersatzkamera. Das jedoch ist gerade in Argentinien äusserst schwierig. Die wirtschaftlich-politische Situation ist absolut beschissen, ich habe keine grossen Dollarvorräte, Importe sind hier fast unmöglich und somit das Angebot winzig zu horrenden Preisen. Aber ich will ungern ohne Kamera weiterfahren. Nun, falls ihr weiterhin Fotos sehen wollt, bin ich für jede Art von Unterstützung dankbar!

Herzlichen Dank und nun wieder zurück nach Bolivien. Zum Glück immer noch mit Fotos…

05.01.2015. Nach mehr als einem Monat La Paz geht’s endlich wieder auf die Strasse. In der besten Zeit, der Regenzeit. Zusammen mit Xaro, Carlos und der kleinen Lila mache ich mich in der Casa de Ciclistas startklar. Es regnet in Strömen. Netterweise will uns Cristian nach El Alto fahren. Um ca. 10 Uhr will er uns abholen. Hora Boliviana ist dann um 12.30 Uhr. Na ja. Alles auf und in den Jeep laden und hoch geht’s den Berg. Cristian fährt uns ziemlich weit aus dem Moloch El Alto raus. Das ist nett. Nach einem gemeinsamen Mittagessen beladen wir die Räder. Ich bin bald startklar, Xaro und Carlos brauchen mit dem Kinderanhänger länger. Da sie viel langsamer fahren werden, verabschiede ich mich und mache mich alleine auf den Weg. Es ist mittlerweile 15 Uhr und im höllischen Minibus- und Truckverkehr fahre ich in Richtung Süden. Bald lässt der Verkehr zum Glück etwas nach, zudem hat die Strasse einen guten Seitenstreifen. Wunderbar. Es geht weiter über das Altiplano, doch so flach ist es hier nicht. Zudem habe ich leichten Gegenwind und bald regnet es wieder. Mit dem späten Start wird es immer später. Gegen 18 ihr erreiche ich Calamarca. Steil geht’s ins Dorf hoch. Im Eco Pueblo kann man übernachten, doch es ist Ferienzeit und der Caretaker hat keinen Schlüssel. Im Puesto de Salud weist man mich ab, der Padre ist nicht da. In einem Laden frage ich nach dem Padre. Señora Yolanda ruft ihn an, doch er ist nicht erreichbar. Aber die Señora rettet mich und stellt mir einen Raum zu Verfügung, wo ich meine Matte auslegen kann. Aber typisch Boliviana, verlangt sie was dafür. Immerhin ist in dem Preis dann ein Tee, Brot und das Frühstück inbegriffen. Wenn man dem so sagen kann.

06.01.2015. Es regnet die ganze Nacht über immer wieder mal, aber am Morgen sehe ich etwas blauen Himmel. Schön! Nach dem Frühstück mache ich mich auf den Weiterweg. Es folgt weiteres, hügeliges Altiplano. Nach 45 km erreiche ich Patacamaya. Hier biege ich in Richtung Chile ab. Nun folgt todlangweiliges, fast flaches Altiplano inklusive Seiten- bis Gegenwind. Immerhin kann ich Truckfahrer anfluchen, die wie gestört überholen. Bei einem verlassenen Haus mache ich Mittagspause. Wäre ein guter Übernachtungsort, doch es ist noch viel zu früh. Immerhin wird die Gegend nun etwas interessanter, bergiger. Vom Norden her ziehen immer dunklere Wolken auf, die ersten Tropfen fallen. Doch es bleibt bei ein paar Tropfen. Für den Moment. Immer wieder passiere ich ausgestorbene Minidörfer. Zudem hat’s erste Chullpas, das sind die Bestattungstürme der nobleren Aymara. Hier ist alles rot, auch die Flüsse.

Chullpas

Bald überquere ich den Rio Desaguadero, dann ein Abzweig in ein Dorf. Ca. 3 km. Soll ich? Ich esse was und fahre weiter auf eine schwarze Wolkenwand zu. Das Unwetter naht, zudem habe ich nun extremen Gegenwind. Hätte ich doch in das Dorf fahren sollen? Da sehe ich einen Señor von einem Haus weglaufen. Bei dem Wind habe ich Mühe, ihn einzuholen. Doch dann ist es geschafft, ich frage ihn, ob ich neben einer der Hütten mein Zelt immerhin etwas windgeschützt aufstellen darf. Kein Problem. Er muss noch sein Vieh holen gehen. Mit Müh und Not bekomme ich das Zelt aufgestellt und bald fallen wieder Tropfen. Auch der Señor kommt wieder, nun mit Schafen, Kühen Lamas, Frau und sehr neugierigen Kindern. Die sind happy, dass mal was aussergewöhnliches passiert. Zudem verirrt sich ein Minilamm in mein Zelt und andere Schafe verkauen mir die Leinen. Zum Glück wird das ganze Vieh über Nacht weggesperrt!

07.01.2015. Der Mond war erst kürzlich voll, die Nacht ist hell. Zudem laufen um Mitternacht Leute an meinem Zelt vorbei und bewundern es. Später höre ich eine Katze miauen. Eben diese klaut mir dann beim Frühstück die Butter vom Brot. Tzzzz! Der Himmel ist blau, es verspricht ein schöner Tag zu werden. Wow! Ich verabschiede mich von der Familie, dann geht’s weiter leicht den Berg hoch. Später fahre ich hügelig durch die cañonartige Landschaft und gegen 11 Uhr erreiche ich den Abzweig nach Curahuara der Carangas. Hier direkt an der Strasse hat es zwei Restaurants mit Shops. Ich kaufe Brot und fülle meine Wasservorräte aus der Regenwassertonne auf. Weiter geht’s durch den Cañon, vorbei an grossen Herden von grasenden Lamas und Alpacas. Dann kommt der Sajama, mit 6’542 m, der höchste Berg Boliviens und einer der höchsten Vulkane der Welt, in Sicht.

Mit Wahnsinnsaussicht

Es folgt ein teilweise sehr steiler Aufstieg, der mich gut ins Schwitzen bringt. Oben wird der Blick auf den Sajama immer besser, obwohl sich im Norden des Vulkans gut was zusammenbraut. Es geht wieder runter. Bei der km 125 Tafel biegt eine Schotterstrasse zur Nordseite des Sajama ab. Der sichtbare Regen macht mich nicht an, ich bleibe auf der südlichen Asphaltstrasse. Auch hier hat man tolle Aussichten auf den Vulkan, obwohl sich dieser immer mehr in Regenwolken verschanzt. Es fallen erste Tropfen. Ich stürze mich in die Regenmontur, doch nichts. Rund um mich herum donnert es, es sieht düster aus. Bei einem Restaurant frage ich nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Die Bolivianer sind ja nicht gerade das hilfreichste Volk. Nach einer Weile meint die Señora, sie hätten ein freies Cuarto, doch man müsste den Tio fragen. Doch der ist nicht da. Da waren die Peruaner viel easier drauf! Nun, ich warte den nun fallenden Regen ab, dann fahre ich weiter. Es geht runter, ich halte Ausschau nach einem geschützten Zeltplatz. Nicht einfach hier. Beim einem Fluss wieder ein paar Häuser. Ich frage eine Señora, die gerade ein lama fachgerecht zerschneidet, ob ich mein Zelt neben einem Haus aufstellen darf. Auch sie nicht gerade sehr freundlich, aber sie weist mir ein windgeschütztes Plätzchen zu. Immerhin etwas.

Mit Wahnsinnsaussicht

Wow!

Die Aussicht folgt doch noch. Farbspektakel am Dämmerhimmel!

08.01.2015. Der Regen kommt doch noch, es regnet die ganze Nacht über. Zudem rüttelt der Wind heftigst an meinen Plastikwänden. Der Morgen ist dann trocken und bewölkt, mit einem tollen Blick auf den Sajama und einen kleineren Kollegen.

Sajama am frühen Morgen

Ich mache mich auf den Weiterweg. Bald erreiche ich meinem Kilometer 10’000! Und das genau heute, dem 08.01.2015. Genau ein Jahr bin ich nun seit Nicaragua unterwegs.

10’000 km am Fusse des Sajama

Aber es war weder Plan, Ziel noch Wunsch, dies alleine zu erleben! Wenn ich genau jetzt zurückblicke, dann bereue ich die Entscheidung, damals für einen Typen alles wieder aufgegeben zu haben. Für den grössten Egoisten aller Zeiten. Aber zum Glück braucht es eine Weile, um hinter diese Fassade zu blicken, sonst wären viele Menschen so enttäuscht wie ich. Nun, ich könnte schön in der Schweiz arbeiten und meine Asienpläne wären sicher schon weit fortgeschritten. Obwohl da fehlt mir noch die wichtigste Zutat. Der Reisepartner. Interessierte können sich gerne melden! aber ich hatte es gewagt und verloren. So schreibt das Leben seine Geschichten. Mal mit einer positiven Bilanz, mal mit einer negativen. Diese gehört der zweiten Sorte an. Aber wer weiss, vielleicht war das Ganze doch zu etwas gut? Das muss ich immer noch herausfinden… Eigentlich könnte ich ja einfach in die Schweiz fliegen und jetzt mit dem ehemaligen Plan beginnen. Aber ich habe noch eine offene Rechnung mit Ushuaia. Damals im Jahr 2009 konnte ich wegen einem Gfrörli nicht in Ushuaia beginnen. Ich fuhr von El Calafate bis nach Inuvik, Canada. Zudem bin ich sturer Bündner Bock. Soviel zum Thema Bilanz…
Ich fahre nun weiter dem Sajama entlang, ein toller Anblick. Doch bald schon hüllt er sich wieder in Wolken ein. Es folgt eine längere Steigung, dann eröffnet sich der Blick auf die Zwilligsvulkane Parinacota und Pomorape. Auf der anderen Seite sehe ich den Acotang, Hualltiri und den Capureta.

Die Zwillinge Parinacota und Pomorape

Es geht runter und bald folgt der Abzweig nach Sajama. 12 km Schotterstrasse. Hin und wieder zurück. Warum? Nun, um eine Pause zu machen und um das Jubiläum zu feiern! Darum! Diese Strasse soll sehr sandig sein, nach Lagunas führt noch eine andere Piste nach Sajama. Nach Lagunas folgt eine kleine Militärbasis, danach eine kleine Baustelle. Das ist der Weg. Die Piste ist nicht schlecht, ich komme gut voran. Und fahre genau auf eine gewaltige Gewitterfront zu. Immer wieder fahre ich durch winzige Häuseransammlungen, immer wieder verzweigt sich die Piste. Vor mir zucken die Blitze runter, es donnert überall. Ich überquere einen Fluss, ein Schuh bleibt im kalten Nass stecken. Zudem habe ich nun höllischen Gegenwind. Das Gewitter zieht genau auf mich zu. Mit 6 km/h kämpfe ich mich auf der flachen Piste vorwärts. Es fallen ein paar Tropfen, aber der grosse Guss folgt nicht. Dann kommt endlich das Dorf in Sichtweite. Ein letzter Dreckwall und ich bin in dem verlassenen Kaff.

Auf dem Weg nach Sajama

Minidörfer mit Minikirchen

Es ist Tiefsaison, geschlossenes Hostales reihen sich aneinander. Nur das Hostal Sajama ist offen. Das war auch mein Ziel. Den Luxus möchte ich mir zur Jahresfeier gönnen. 60 Bolivianos soll das Hobbit-Kabinchen kosten. Ich handle einen Windkampf-Rabatt aus. 50 Bolivianos. Dann gönnt sich der Hobbit eine mehr oder weniger heisse Dusche und eine Siesta, während es draussen regnet. Später laufe ich durch das tote Kaff. Man kommt eben nicht im Januar hierher. Die Wolken hängen tief, es ist kalt und der Sajama ist verschwunden. Und ich ganz alleine! Etwas triste ist das alles schon!

Meine Hobbit-Kabine

Die Kirche von Sajama

09.01.2015. Wenn schon in Sajama, dann gibt’s auch einen Ruhetag. Bei strahlend blauem Himmel stehe ich auf. Das soll normal sein in der Regenzeit. Morgens schön, gegen Mittag ziehen die Gewitter auf. Na ja. Hier kann man ganz schöne Dinge unternehmen. Für die Ambitionierten gibt es diverse Berge oder Vulkane zu besteigen. Ob man im Moment einen Guia auftreiben kann, keine Ahnung. 8 km entfernt gibt es ein Geysirfeld und etwas näher liegen die Aguas Termales Manasaya. Dort will ich hin. Um den Beinen etwas Abwechslung zu gönnen, laufe ich. Die Strasse führt von Vulkanen umgeben nach Norden. Toll!

Tolle Aussicht

Nach ca. 3,5 km folgt der Abzweig zu den Termales. Es geht zu einem Fluss runter, dann wieder hoch. Nach den Parkplätzen und nach dem Fluss ist ein erstes Becken. Das sehe ich aber erst beim Rückweg. Ich laufe zu dem Gebäude, dort bezahle ich 30 Bolivianos und bekomme ein Badetuch. Hier hat es einen grossen, natürlich Pool, es tummeln sich einige Leute darin. Die Señora meint, weiter oben hätte es noch einen kleinen, dort hätte ich meine Ruhe. Da gehe ich hin. Und tatsächlich. Ein Pool ganz für mich alleine. Wow!! Wie wunderbar! Aber eben, genau in diesen Momenten vermisse ich Gesellschaft… Ich unterhalte mich etwas mit den Lamas, doch die furzen nur ab und zu.

Das wäre ein perfekter Übernachtungsort!

Ansonsten ist es absolut genial hier. Blick auf den Sajama, heisses Wasser, wohl so um die 40 Grad. Es hat hier auch zwei Umkleidehäuschen und eine Windschutzmauer, das wäre ein absolut genialer Campspot. Ich geniesse das heisse Wasser, die Aussicht und schaue zu, wie die Wolken aufziehen. Es fallen auch mal ein paar Tropfen. Ein echt genialer Ort!

Da wärst du auch gerne, nicht?

Nach 2 Stunden bin ich aufgeweicht und ich mache mich auf den Rückweg. Und wo ist jetzt Scotty? Der mich einfach zurückbeamt? Nirgends! So liegt wieder eine gute Stunde Fussmarsch vor mir, doch es tut wieder auf und ich habe beste Aussichten. Wieder in Sajama geniesse ich noch den Rest des Tages. Das Gewitter folgt auch noch und ziel lautstark über mein Hobbitdach, während ich in einem speziellen Fundstück schmökere. Das nennt man geniessen…!

Ein spezielles Fundstück

Wer mir so einen serviert, wird für immer mein Held sein!