08.03. – 2015. 860 km. 4’380 Höhenmeter. Über den eher furchtbaren als fruchtbaren Camino de la Fruta erreiche ich die Ruta 5, auf welcher es zügig in Richtung Süden geht. Ich treffe auf viel Verkehr, Dreck und Gegenwind. Dazu kommen machistische Carabineros und weiterhin absolut gasfreundliche Chilenen. Eine interessante Mischung.
Route: Reñaca – Viña del Mar – Valparaiso – Casablanca – Algarrobo – San Antonio – San Pedro – San Vicente – Las Cabras – Pichidegua – Palmilla – Santa Cruz – Chepica – Teno – Curico – San Rafael – Talca – Maule – Linares – Parral – San Carlos – Chillan – Bulnes – Santa Clara – Los Angeles – Mulchen – Collipulli – Victoria – Perquenco – Lautaro – Pillanlelbun
08.03.2015. Fünf Tage weile ich in Reñaca. Sergio meint, ich könnte so lange bleiben, wie ich wolle. Diese Angebote sind manchmal verlockend und führen zu einer gewissen Faulheit, aber ich mache mich auf den Weg. Sergio hat heute Sonntag ein Rennen, so muss er auch früh raus. Er ist sonst nicht gerade der Frühaufsteher. Aber nun ist er vor mir weg, ich mache mich gegen 8.30 Uhr auf den Weiterweg. Runter zur Ciclovia, die dem Meer entlang nach Viña del Mar und Valparaiso führt, das noch im Nebel liegt.
Der Avenida Argentina folge ich bis zur Kurve, dann geht’s auf der Santos Ossos den Berg hoch. Das ist schon die Ruta 68. Ich fahre lange hoch, 400 Meter sind zu steigen. Da rinnt bald der Schweiss. Diese Strecke wird eine Woche später wegen einem verheerenden Brand gesperrt werden, wie ich erst gerade kürzlich mitbekommen habe. In Valparaiso wütet ein Feuer, dass viele Menschen aus den Häusern vertrieben hat und immer noch nicht unter Kontrolle ist. Schlimm! Danach geht’s hügelig weiter. Immer wieder folgen Ausfahrten, aber ich verpasse meine kleine, geplante Strasse. So fahre ich nach Casablanca und biege später auf der Autopista nach Algarrobo ab. Ich möchte nochmals etwas der Küste folgen. Wahrscheinlich das letzte Mal. Und wie so oft wenn es Richtung Küste geht, habe ich nun Gegenwind. Ich folge weiter hügelig Pinien- und Eukalyptuswäldern, dann geht’s runter nach Algarrobo, das in dickem Nebel verschwindet. Ich suche die Bomberos. „Schwierig hier“, heist es. Der Señor kann nichts entscheiden und der Chef nimmt das Telefon nicht ab. Tja, ich fahre weiter zur Kirche. Der Padre wohne im Centro. Nun, dies ist auch nicht die Kirche, sondern die Kapelle, aber die Schwester hier lässt mich nach anfänglicher Skepsis im Garten zelten. Es folgt das Upgrade in einen kleinen Vorraum mit Sofa. Weil es hier in der Nacht sooooo kalt werden würde. Das bringt mich zum Schmunzeln. Zudem könne ich auf dem Sofa schlafen. Mal sehen, denn ich bin zu lang oder das Sofa zu kurz. Dann darf ich unter die heisse Dusche des Hauses. Hier werden alte Menschen betreut. Diese können nicht mehr alleine essen, sich nicht alleine waschen, nicht alleine aufs Klo, nicht alleine ins Bett. Ist das der Plan des Lebens? Auf jeden Fall eine Bestätigung mehr, jede Minute zu geniessen! Auch auf einem zu kurzen Sofa.
09.03.2015. Irgendwie ist es hier auch um 7 Uhr noch stockdunkel. Das wird mit den kürzeren Tagen weiter im Süden unten noch interessant werden. Kurz nach 8 Uhr bin ich wieder auf der Strasse in Richtung San Antonio. Wenn ich das Meer überhaupt sehe, sehe ich grosse Wellen. Die See ist rau hier.
Bis jetzt war die Strasse hügelig, in Cartagena folgt eine Steigung, die mich zum Absteigen zwingt. Runter, rauf und nach San Antonio. Dort verlasse ich den Pazifik ins Landesinnere in Richtung San Pedro. Ich fahre nun auf der Ruta 66, nichts im Vergleich zur Route 66 (diese kenne ich zwar nicht, aber ich stelle sie mir weitaus interessanter vor). Diese hier wird auch Camino de la Fruta genannt. Zuerst sehe ich mehr Kühe, dann kommen die Früchte dazu. Erdbeeren, Trauben, Oliven. Hmmm, Erdbeeren… Bei einem Stand kaufe ich mir die kleinste Schachtel für 1’000 Pesos. Leeeecker!
Ansonsten ist die Strasse absolut fürchterlich, brutal viele Trucks. Und die Truckfahrer haben hier Null Respekt für einen Radfahrer. Bis San Pedro hat es immerhin noch einen Seitenstreifen, danach leider nicht mehr. Mehrmals muss ich von der Strasse fliehen, um mein Leben zu retten. Und es erstaunt mich absolut nicht, als ich an einem Truck mit einem umgekippten Anhänger vorbeifahre. Später stosse ich auf einen Stau. Weit vorne sehe ich die Kolonne immer noch. Ein Unfall. Auf der Gegenseiet kommen keine Fahrzeuge, so fahre ich an der Kolonne vorbei. 95% Trucks. Wahnsinn! An der Unfallstelle treffe ich auf eine Bombera. Ein Truck ist von der Strasse abgekommen. Auch kein Wunder. Die rasen hier viel zu schnell und ohne Rücksicht. Bald dürfen die ersten Fahrzeuge durch. Mal rechts, mal links. Ich fahre zu letzt, so habe ich eine Weile freie Bahn. Aber so will ich nicht weiterfahren. Zumal die folgende Steigung auch noch sehr lange sein soll. In San Vicente frage ich nach einer Zeltmöglichkeit und lande bei Señora Noni, die die hiesige Kapelle pflegt. Wieder total nette Leute. Zuerst gibt’s gleich Melone, ich spende meine Erdbeeren. Nun muss ich aber mein Rad ansehen. Schon gestern hatte ich das Gefühl, dass das Hinterrad schwadert. Dieses Gefühl wurde heute immer stärker. Sehen konnte ich nichts, aber der Mantel am Hinterrad könnte durch ein. Ich untersuche das Rad der Felge entlang. An einer Stelle ist der Mantel aufgedunsen, ich finde einen Riss. Ich wechsle aus. Das war höchste Zeit! Der Mantel ist an einer Stelle durchgerissen, an anderen Stellen sehr dünn. Aber er hat fast 13’500 km auf dem Buckel, mit schwerer Beladung und viel Schotter. Und nur einen einzigen Platten hat er mit beschert. Ein hoch auf Schwalbe!
10.03.2015. Ich habe gerade Wasser auf dem Gaskocher aufgesetzt, als Señora Noni aus dem Haus kommt. Ich solle das Gas sparen, sie koche Wasser. Dazu gibt’s natürlich Frühstück und zum Abschied gibt sie mir noch 4 hartgekochte Eier vom Lande mit auf den Weg. Vielen Dank! Ich verabschiede mich und nehme die lange Steigung in Angriff. Ha! 2 km, dann bin ich oben. Seeeehr lange. Es geht runter, dann ziemlich flach weiter. Die Trucks rasen weiter im Sekundentakt an mir vorbei. In Las Cabras mache ich in einer kleinen Panaderia Pause und sehe mir die Karte an. Das wollte ich ja schon beim Frühstück tun… Tja, ich bin zu weit gefahren, meinen geplanten Abzweig habe ich verpasst. Aber ich fahre die 6 km zurück, dann in Richtung Pichidegua. Nun hat es fast keine Trucks mehr. Wunderbar! Dort frage ich nach dem Weg. Hm, schon wieder falsch gefahren! Als ob ich das erste Mal eine Strassenkarte in den Händen halten würde… Besser halten und einfach die Füsse hochlegen? Wieder etwas zurück, dann auf einem anderen Weg weiter. Es folgt eine brutal steile Steigung, bei der Hitze fliesst der Schweiss. Dann runter und wieder eher flach weiter in Richtung Santa Cruz. Ich habe keine genaue Ahnung wo ich bin, aber die Richtung stimmt. Puhh! Es ist heute wirklich heiss. Bei einer kleinen Tankstelle sehe ich beim Nebenhaus eine Bank im Schatten. Ein idealer Ort für die Mittagspause. So treffe ich auf Señora Milta, die in dem Haus wohnt. Eine supernette, ältere Dame. Klar darf ich mich setzen, auch am Tisch im Haus. Später bringt sie mir zwei Melonen. Uhh, soviel Platz habe ich nicht, aber die kleinere kann ich mitnehmen. Es folgt eine Tüte mit Trauben und die Cola schenkt sie mir. Ich bin wieder einmal sprachlos. Zudem meint Señora Milta, würde ich bei ihr nach einer Übernachtungsmöglichkeit fragen, würde sie mir sofort ein Bett und Essen anbieten. Hmm, bleiben? Nein, ich fahre weiter in die Hitze. Bei einer Kreuzung stoppt ein Wagen. Es ist Lautaro aus Curico. Ob ich Trauben möge. Die Antwort wartet er nicht ab, schon habe ich einen grossen Zweig in der Hand. Es hat definitiv auch Vorteile, wenn keine Kamera mehr in der Lenkertasche ist. Viel Platz! Lautaro gibt mir seine Visitenarte, wenn ich in Curico bin, kann ich bei ihm übernachten. Sehr nett! Später halte ich kurz, sehe in die Karte. In Curico werde ich morgen Mittag sein. Schlechtes Timing. Nun hält Lautaro wieder neben mir, er war bei einem Kunden. Ich meine, dass ich morgen weiter als Curico fahren würde. Er will mich überreden, doch bei ihm zu übernachten. Als er noch beginnt, wie schöne Augen ich hätte, ist der Fall klar. In Curico werde ich nicht stoppen! Gegen 16.30 Uhr erreiche ich Santa Cruz. Genug für heute. Ich suche die Bomberos. Da muss der Boss gefragt werden. Aber nach einigem Warten darf ich bleiben und drinnen das Zelt unter einer zerfetzten Spanien-Flagge aufstellen. Dies ist eine Bomba España. Von Spaniern gegründet und unterhalten. So gibt es in Chile viele Bombas. Bombas Alemanas, Bombas Suizas und eine soll ganz luxuriös sein. Die Bomba Nueva York.
Hier sind noch fast keine Ciclistas vorbeigekommen, wie man mir sagt. Das erklärt die etwas irritierten Blicke. Aber es sind alles sehr nett hier und bei einer Gaseosa unterhalten wir uns noch lange. Ich erzähle von den respektlosen Truckfahrern. „In Chile ist es günstiger, einen Radfahrer zu töten, als für die Kosten eines Unfalls aufzukommen!“. Das der essenzielle Satz der Diskussion. Wow! Und wie man mir sag,t ist das Gesetz noch so vage, dass so ein Trucker mit einem guten Richter einfach davonkommen kann. Diese Worte schwirren mir noch lange im Kopf rum…
11.03.2015. Um 8 Uhr trifft Bombero Miguel ein, doch sonst ist auch her noch keiner wach. Um 9 Uhr stehe man hier auf. Nichts im Vergleich zu Kolumbien oder Ecuador, wo die Bomberos um 6 Uhr beginnen, ihr Autos zu waschen. Ich mache mich kurze Zeit später auf den Weg nach Chepica. Bald folgt wieder eine saftige Steigung, dann die Abfahrt nach Teno. Dort geht’s in Richtung Ruta 5 sur und bald befinde ich mich wieder auf dieser, der Autopista. Ufff, welch Lärm! Aber immerhin habe ich auf dem Seitenstreifen Platz. Meine Ruhe kann ich ja nicht sagen. Bei der ersten Shell-Tankstelle habe ich kurz genug und etwas Hunger. Im Schatten esse ich zu Mittag, dann gibt’s einen leckeren Kaffee. Und weiter geht das Vergnügen, auch heute bei guter Hitze. Ich komme gut vorwärts, es ist meist flach, umspektakulär und der Verkehr braust pausenlos an mir vorbei. Auf dem Seitenstreifen liegen die zerfetzen Reifen der Trucks und Autos. Mal sehen, wann mein erster Platten folgt? Ich pedale und pedale und bei San Rafael nehme ich die Ausfahrt. Genug! Zu den Bomberos. „No!“ Zu katholischen Schule. Der junge Lehrer ist total überfordert mit meiner Anfrage, man schickt mich zur Alcaldia. Dort wird der Ball an die Carabineros weitergegeben. Dort fahre ich hin. Aber hier ist man nett. Der junge Schnösel-Chef offeriert mir ein sehr bequem aussehendes Bett im Dormitorio. Eine grosse Ausnahme, denn hier dürften nur Männer schlafen. Puro Hombre. Netterweise darf ich auch das „Puro Hombre“-Bad benutzen. Aber bald bekommt der Chef doch kalte Füsse und mein Nachtlager wird in einen Schuppen verlegt. Es könnte ja ein Vorgesetzter kommen und wenn der eine Frau im Dorm sieht… Puhh, was für ein Machismo! Aber ich werde zum Nachessen eingeladen, wie bei den Carabiernos üblich Brot, Käse, Manjar. Das ist sehr nett!
12.03.2015. Zum Frühstück werde ich auch eingeladen, aber so lange möchte ich nicht warten. Ich frühstücke alleine und fülle das gestern gekaufte Gemüse in die Thermosflasche. Kochendes Wasser rein und sehen, ob es zum Mittagessen gekochtes Gemüse gibt. Es geht weiter auf der Ruta 5 in Richtung Süden. Wie schon gestern mit Gegenwind, der im Laufe des Tages immer stärker wird. Vorbei an Fabriken, Traubenfeldern, nichts Spannendes. Um Talca herum wird es sehr mühsam, immer wieder verschwindet der Seitenstreifen. Da heisst es Acht geben, dann Gas! Der Verkehr donnert weiter an mir vorbei, in den Pausen bin ich froh, wenn ich etwas von der Strasse wegkommen kann. So esse ich bei einer Hosteria auf dem schattigen Parkplatz zu Mittag. Mal sehen, was das Gemüse macht. Gekocht! Es ist heiss und wird zu Salat verarbeitet. Nicht schlecht! Danach spule ich weiter Kilometer ab. Ich bin ja auf der Ruta 5, um nun schnell nach Süden zu kommen. Nur der Wind macht mir dies etwas schwerer. Kurz vor Parral ein Restaurante Aleman. Na, da frage ich doch nach einem Zeltplatz. „Spricht hier jemand Deutsch?“ ist meine erste Frage. „Ja, ich.“. So lerne ich Hernan kennen. Er ist Chilene, aber in einer deutschen Kolonie aufgewachsen. Und er spricht perfekt deutsch. Ich darf unter dem Kastanienbaum mein Zelt aufstellen. Mein erstes Mal unter einem Kastanienbaum. Cool! Die Dinger sollen einfach oben bleiben! Und wenn ich schon hier bin, gönne ich mir ein Nachtessen. Bratwurst mit Pommes. Hernan gibt mir einen guten Rabatt und lädt mich gleich noch zum Frühstück ein. Danke!
13.03.2015. Als ich kurz vor 8 Uhr zum Restaurant gehe, steht mein Frühstück schon bereit. Ein Hamburger mit Käse und Avocado. Irgendwie herzig! Und daneben noch einer, schön in Folie verpackt. Zum Mitnehmen. Vielen Dank! Ich esse, wir unterhalten uns und dann heisst es wieder einmal Abschied nehmen. Vielen Dank für alles, Hernan! Und wieder auf die Ruta 5. Gleiches Spiel wie gestern. Viel Verkehr, flach, staubig, dreckig, langweilig. Nur bläst mir der Wind heute schon früh entgegen, am Nachmittag ist er so stark, dass ich deutlich abgebremst werde. Highlights des Tages sind 1 kg Erdbeeren „aus dem Garten“ für 1’000 Pesos und ein upa-Kaffee an einer Shell-Tankstelle. Dieser Kaffee ist echt gut. Es gäbe auch massenhaft Brombeeren am Strassenrand, aber die sind mir etwas zu sehr den Abgasen ausgesetzt. Ich sehe auch immer wieder abgebrannte Landstreifen. Vor 4 Tagen hat es ihr noch gebrannt. Es ist wirklich viel zu trocken. In Santa Clara muss ich dann etwas zum Übernachten finden. Bei Dorfeinfahrt treffe ich auf Taxifahrer Alejandro. Falls ich nichts finde, gäbe es bei ihm Platz. Ich fahre zu den Carabineros. Hier nicht, aber auf dem offenen Nachbargrundstück, da könne ich zelten. Das ist mir zu unsicher. Ich fahre zum Haus von Alejandro. Dort treffe ich auf seine Ex Mari. Sie lädt mich sofort in ihr Haus ein, wo es ein unbenutztes Bett gibt. Und auch hier werde ich wie selbstverständlich zum Nachtessen eingeladen. Die Chilenen übertreffen wirklich alles an Gastfreundschaft. Unglaublich!
14.03.2015. Mari will mir auch Frühstück machen, aber heute gibt es Avena mit Erdbeeren. Sonst werde ich diese Haferflocken nie mehr los. Irgendwie merke ich, dass ich gegen Süden fahre. Es ist auch um 7.15 Uhr noch finster und es ist saukalt. Ich verabschiede mich von Mari und fahre lange Zeit mit Handschuhen und Jacke. Der Gegenwind bleibt mir auch von Beginn weg treu. Tja. immerhin wird es landschaftlich etwas besser. Pinienwald und ein paar Hügel. Und heute Samstag hat es deutlich weniger Verkehr. Ich spule weiter Kilometer ab. Immer wieder hat es Bushäuschen, aber genau bei der langen Umfahrung von Los Angeles kein einziges. Auch sonst nichts. Und ich habe Hunger. Schlussendlich esse ich gegen 15.30 ihr unter einer Brücke etwas Brot, dann weiter. Ich kann es bis nach Mulchen schaffen. Davor einige Campings, aber ich fahre ins Dorf rein. Hügel hoch, Hügel runter und zur Plaza. Dort ist gut was los, es ist ein Fussballspiel im Gange. Überall steht die Polizei, die Stimmung ist eher aggressiv. Bei den Bomberos hat es keinen Platz, so frage ich einen dort stehenden Carabinero. Der meint, ich solle besser sofort verschwinden, das Dorf sei heute viel zu gefährlich für eine alleinige Frau. Darum frage ich ja die Carabineros. Sie funken kurz ins Quartier. Gut, man würde mich erwarten. Ich fahre hin. Erwarten heisst hier warten. Auf den Chef. Wie lange? Keine Ahnung. Ich warte wohl etwa zwei Stunden, dann werde ich ins Büro des Chefs zitiert. Es ist ein grosser Posten, hier läuft alles nach Orden. Der Chef hört mich an. Hm, wo könnte ich denn nur übernachten? Hier sei alles „Puro Hombre“. Ja, ja. Schlussendlich darf ich mein Zelt im Hof in einem gedeckten Raum aufstellen. Super! Ich frage nach dem Klo. Hmmm, ich hier aufs Klo? Hier sein alles „Puro Hombre“. Ja, aber ich muss aufs Klo. Ich solle warten, man kümmere sich darum. Schon wieder. Wäre ich doch bei der Autopista geblieben. Dieses Machogehabe ist mehr als furchtbar. Ich warte, esse mal was. Ich bin müde, will mich nur noch waschen und schlafen. Und nicht mehr warten. Ich gehe zum Guarida, zum Glück eine neue Person. Der ist sehr nett, zeigt mir ein Bad bei den Schliessfächern und gibt mir den Schlüssel. Nur für mich. „Jaaaa, pura Mujer!“
15.03.2015. Der letzte Guardia erscheint am Morgen tatsächlich noch, um zu schauen, wie es mir geht. Wahnsinn!! Ich mache mich auf den Weiterweg, es ist kühl. Die Morgen sind nun nicht nur dunkel, sonder auch merklich kälter. Es geht gen Süden zu! Nun ist das Gelände überhaupt nicht mehr flach, immer wieder folgen längere Steigungen. Aber es hat auch heute weniger Verkehr. Das ist schön! Es geht weiter durch den Wald, dann wird die Gegend wieder flacher.
Der Wind bleibt mir auch hier erhalten, aber zum Glück ist er etwas schwächer. Ich Pedale weiter vor mich hin, die Beine merke ich langsam und auf diesen langweiligen Asphaltstrecken tut mir auch der Hintern wieder weh. Bei einer Shell-Tabkstelle mit Wi-fi halte ich kurz. Ich möchten den nächsten Warmshower in Pillanlelbun benachrichtigen. Aber Wi-fi funktioniert nicht und Telefon hat’s keins. Einfach bis nach Pillanlelbun durchfahren? Das zieht sich hin und ich bin müde. Bei Perquenco sehe ich gleich am Strassenrand ein Haus mit viel Platz, das Tor offen, die Tür offen. Heute will ich es mir einfacher machen als in Mulchen. Ich laufe hin, rufe. Ein Junge erschient am Fenster, dann kommt eine Señora raus. Klar kann ich hier übernachten. Das Rad soll ich unten ins Haus stellen und dann nach oben kommen. Gleich gibts einen frischen Himbeer-Heidelbeer-Saft und kurze Zeit später steht Essen für mich auf dem Tisch. Unglaublich! Ich unterhalte mich mit dem sehr aufgeweckten Leo, dann mit Mama Nadja. Diese beginnt plötzlich zu weinen. Ähhhh…? Familienprobleme, die justo heute ausgeartet sind. Früher am Nachmittag hatte Leo die Polizei gerufen, weil Nadjas Mann einen Ausraster hatte. Soll ich besser gehen, frage ich sie. Nein, nein. Dann taucht der Mann auf, unterhält sich mit mir. Ich fühle mich unwohl. Zum Glück macht sich der Truckfahrer bald auf den Weg nach Osorno. Viel besser und entspannter. Ich unterhalte mich noch eine Weile mit Nadja und Leo und darf ich auch heute in ein weiches Bett sinken. Vielen Dank!
16.03.2015. Ich habe es nicht eilig, es fehlen nur noch wenige Kilometer nach Pillanlelbum. Es ist kühl am Morgen, ich muss wieder mal die Dauenenjacke raussuchen. Nadja macht mir natürlich auch Frühstück. Wir unterhalten uns weiter, sie weint wieder. Heute muss sie zum Familiengericht. Sie wird einfach alles los, was ihr auf dem Herzen liegt. Ich glaube, es tut ihr gut. Eine fremde Person wird nicht tratschen (nun, nur im Blog…). Sie erzählt mir, dass Leo gestern meinte, mich hätte der Himmel geschickt. Einen Schutzengel. Durch mein Erscheinen konnte er die Geschehnisse vom Tag für eine Weile ausblenden. So vermischen sich die Engel! Nadja muss schliesslich losrennen und ich mache mich auf den Weg. Bald erreiche ich die Ausfahrt nach Pillanlelbun. Dort suche ich noch eine Weile nach dem Haus von Carla und Juan. Diese wohnen ausserhalb des Dorfes, total schön und ruhig. Ein perfekter Ort für ein paar Ruhetage, vor allem wenn man diese noch im eigenen Zimmer mit total bequemem Bett verbringen darf! Vielen Dank!
17. –20.03.2015. Carla und Juan arbeiten beide, aber das Haus ist voller Leben. Die Kids Olivia und Miguel sowie Kindermädchen Ana und Nicole sind den ganzen Tag zu Hause. Am Mittag tauchen Carla und Juan kurz zum Essen auf, am Abend herrscht Ramba Zamba bis die Kinder im Bett sind. Aber es bleibt genug Zeit für viele Gespräche und mit gutem Internet kann ich sehr viel Arbeit erledigen. Perfekt! Zudem treffen noch mehr Ciclistas ein. Ana und Ernesto aus Brasilien. Auch das eine schöne Abwechslung. Der Aufenthalt hier ist total entspannt und ich werde rundum verpflegt. Vielen herzlichen Dank, Carla und Juan!
Stick some chicken bones in too next time for even better clever soup!