22.09. – 10.10.2015. 993 km. 8’868 Höhenmeter. Landschaftlich ist die Strecke kein Highlight. Monokultur, Viehwirtschaft, mit Glück etwas Cerrado. Mit einer Ausnahme. Der Parque National das Emas. Der ist wunderschön und erwartet mich mit einem einzigartigen Spektakel, der Bioilumineszenz! Dazu gibt es noch eine totale Mondfinsternis. Licht und Dunkel im Universum! Ansonsten darf ich hier weiterhin grossartige Gastfreundschaft erleben… und viel Hitze, Durststrecken und einen Banküberfall.

22.09.2015. Campo Grande will mich nicht gehen lassen, aber mich zieht’s weiter. Ein guter Tag für den Aufbruch, der 22. September ist der weltweite Tag ohne Auto! Diesen Tag gehe ich mit einem ganzen Abschiedskommitee an, das mich durch die ganze Stadt begleitet. Diese ist natürlich absolut nicht autofrei, hier wirrt der Verkehr wie immer. Leider! Aber immerhin können wir fast durchgehend auf der Ciclovia fahren. Die Durchquerung der Stadt dauert eine Weile, sind ganze 30 km. Dann heisst es Abschied nehmen, wieder einmal. Wenn es etwas Trauriges am Reisen gibt, dann vielleicht das Abschied nehmen. So viele tolle Leute durfte ich in Campo Grande kennen lernen. Muito obrigada a todos!

 

Dann bin ich wieder alleine! Alleine auf einer komplett seitenstreifenlosen Strasse mit viel Verkehr. Das „ohne Auto“ hat hier wohl niemand mitgekriegt. Autos und Lastwagen donnern pausenlos an mir vorbei. Es wird hügelig und ist jetzt schon heiss. Ich trinke und trinke, das Wasser bald nur noch eine heisse Brühe. Ähhh…! Irgendwie habe ich plötzlich einen totalen Durchhänger, komme kaum noch die Hügel rauf. Was ist nur los? Endlich ein erster Auto Posto. Ich gönne mir ein Gatorade, würge eine Banane runter und schlafe sitzend auf dem Stuhl fast ein. Hm? Ich ruhe noch ein wenig, dann geht’s weiter. Nun etwas besser. In Jaraguari mache ich Mittagspause, würge ein Pastel runter. Danach gibt’s die eher unbequeme Siesta auf einer Holzbank. Nun fehlen noch 20 km bis Bandeirantes, wo ich gegen 16 Uhr einfahre. Ich suche das Haus des Prefeitos, der soll mir hier helfen können. So ist es, die Hilfe kommt in Form eines 100 Reales Scheines. Für Hotel und Essen! Potz! Muito obrigada! So verbringe ich meine erste Nacht in einem brasilianischen Hotel. Nicht schlecht! Und im daneben liegenden Restaurant gibt’s ein gutes und günstiges Nachtessen.

23.09.2015. In der Hotelübernachtung ist ein Frühstück inbegriffen. Und das kann sich sehen lassen. Alles was das Herz, oder der Magen, begehrt. Doch irgendwie bekomme ich auch heute nichts runter. Das geht mit dem Frühstück schon eine Weile so. Keine Ahnung warum. Ich nehme gerne Tipps gegen Frühstückappetitlosigkeit entgegen. Gegen 6.45 Uhr mache ich mich auf den Weiterweg. Viel Verkehr, manchmal kein Seitenstreifen, Hügel, Gegenwind. Wie gehabt. Die Hitze steigt auch mit jeder Stunde. Beim Abzweig nach Camapuá muss ein Gatorade her. Ich setze mich etwas abseits in den Schatten, bin aber bald von 5 neugierigen Männern umringt. Mit den gewohnten Fragen. In Brasilien ist es langsam schwierig, in Ruhe Pause zu machen. Danach biege ich auf die MS 060 ein. Die hat nun definitiv keinen Seitenstreifen mehr und ist oft ins hundemiesem Zustand. Immerhin hat es auch deutlich weniger Verkehr, aber die Trucks donnern auch hier über den löchrigen Asphalt. Hügel, Wind und Hitze bleiben. Gegen 12.30 Uhr erreiche ich Camapuá. Bei Dorfeinfahrt esse ich für 9,90 Reales (2,50 $) zu Mittag. Ich esse gemütlich und studiere über meine weitere Rute nach. Ab hier gibt es zwei Möglichkeiten, eine kürzere, aber wassertechnisch schwierige Variante (140 km ohne jegliche Versorgung) , die andere viel länger aber etwas einfacher mit der Wasserversorgung. Etwas. In beiden Fällen kann man von Durststrecken sprechen. Ich studiere, als mich jemand mit meinem Namen anspricht. Häh! Es ist Humberto, der Stadtrat von Camapuá. In Campo Crande hatte ich seinen Amtskollegen Eduardo kennen gelernt, dem habe ich nun zu verdanken, dass ich gesucht wurde. Nicht nur gesucht, bald finde ich mich in Humbertos Haus wieder, bei Tereré mit der ganzen Familie. Muito obrigada!

Mit Humberto und Sandra

24.09.2015. Auch heute morgen bringe ich kaum einen Bissen runter. Na ja. Gegen 6 Uhr bin ich startklar. Ich werde die längere Route fahren, aber auch da stehen heute 120 km auf dem Programm, dazu ca. 1’600 Höhenmeter Steigung und gestern zeigte das Thermometer in Camapuá 41 Grad C an. Wird kein einfacher Tag. Gleich zu Beginn folgt eine lange Steigung. Gestern ging’s steil in den Talkessel von Camapuá runter, heute wieder raus. Bald biege ich in Richtung Figueirão ab. Eine steile Abfahrt, dann eine steile, lange Steigung, das wiederholt sich ein paar Mal. Für 25 km. Wenn das so weiter geht, schaffe ich die 120 km nie. Und 4 Liter Wasser sind auch schon weg. Nun hält aber ein Fahrer und bietet mir Wasser an. Interessanterweise das allererste Wasserangebot im heissen Brasilien. Und heute nehme ich es dankend an. Eine Sorge weniger. Nun, ein paar Kilometer später taucht aus dem Nichts eine Bar auf. Zeit für zwei Pastelle und ein Fanta. Gestärkt fahre ich weiter. Es wird immer heisser, zudem ist ein guter Gegenwind aufgekommen. Der stand auch nicht auf dem Plan. Schwitzend erklimme ich Hügel um Hügel, versuche soviel Wasser wie möglich zu trinken. Nach 70 km Pontinha do Cocho. Im Minidorf hat es ein Restaurant mit dem bekannten Mittagsbuffet. Ich will nur einen Teller füllen, das ist billiger. Bald bin ich auch hier von allen umringt, Fragen inklusive. Und das Mittagessen geht aufs Haus. Vielen Dank! Ich ruhe noch etwas, dann nehme ich die letzen 50 km in Angriff. Nun ist es brutal heiss, der Schweiss tropft aus allen Poren. Das pisswarme Wasser löscht den Durst nicht mehr, aber ich leere trotzdem soviel wie möglich in mich rein. Die Hügel werden nun etwas flacher, aber Hügel bleiben Hügel. Ich weiss nicht, wieviele ich heute erklummen habe. Und eines muss ich auch noch sagen. Hier auf dieser Strecke hat es nun wirklich weniger Verkehr! So entspannt wie heute bin ich in Brasilien noch nie gefahren. Das ist schön!

Jawohl! Respektiere das Leben!

Der Tag zieht sich dahin, langsam wird die Zeit knapp. Um 17.45 Uhr dunkelt es hier rasant. Zum Schluss komme ich besser voran, es wird etwas kühler. Mit dem letzten Tageslicht erreiche ich schlussendlich Figueirão. Puh! 118 km, 9,5 Stunden im Sattel (das ist glaube ich mein neuer Rekord), gute 1’500 m hochgefahren, 10 Liter Wasser getrunken. Nun muss ich noch einen Vereador suchen, doch der ist nicht da. Aber ich treffe per Zufall auf den Vereador-Präsidenten, der mich gleich ins Hotel inkl. Abendessen einlädt. Der Bruder des Hotelbesitzers schenkt mir dann noch 50 Reales. So endet ein laaaanger Tag auf der Strasse.

Hitzeausschlag. Sieht nicht nur unschön aus, tut auch weh!

25.09.2015. Der gestrige Tag steckt mir in den Beinen, ich bin müde und komme kaum aus dem Bett. Auch hier ist das Frühstück inbegriffen, aber auch heute kein Appetit. Hm?! Bei grauem Himmel mache ich mich auf den Weiterweg. Meine Frage, ob es regnen wird, verneint der Hotelbesitzer. Ich kämpfe mich weitere Hügel hoch und bald tröpfelt es. Ich will den Poncho überziehen, doch auf Knopfdruck schüttet es so stark, dass ich innerhalb Sekunden total nass bin. Nun, den Poncho ziehe ich doch an. Ich fahre durch den Regen, der hört auf, um mich dann wieder zu begiessen. Zudem ist sehr starker Wind aufgekommen. Der lässt den Poncho so unangenehm flattern, das ich beschliesse, lieber nass zu werden. Heute kein Problem, denn ich habe Aussicht auf ein Heim und sicherlich eine heisse Dusche. Denn in Alcinópolis erwartet mich bereits Simones Freundin Leila. Mit leckerem Mittagessen und… der heissen Dusche! Dazu kommt noch ein wunderbar bequemes Bett für eine laaaaange Siesta. Einfach nur noch perfekt! Muito obrigada!

26.09.2015. Am Morgen regnet es wieder, zudem gibt es etwas Organisationsschwierigkeiten mit meinem nächsten Ziel, dem Parque Nacional das Emas. So hänge ich hier einen gemütlichen Ruhetag an, was sicher auch den Beinen gut tut!

Mit Leila und Valdemar

27.09.2015. Eigentlich hatte ich die Erlaubnis, bei einer Pousada am Rande des Parques zu zelten, doch die Besitzerin ist nun doch nicht da. So will mich Margie, auch eine Freundin Simones, bei einem Posto Namens Boliche Seco um 15 Uhr abholen. Über die Kilometerangaben dahin schwirren die Gerüchte, von 80 km bis 120 km liegt alles drin. Und google maps zeigt nicht alle Strassen an. Tja, ich mache mich einfach auf den Weg. Ein weiterer, heisser Tag, viele Hügel und heute ein starker Gegenwind. Ich pedale rauf und runter, leere die warme Wasserbrühe in mich rein und…. dann geht mir das Wasser aus. Auch hier seit 70 km nichts. Ich versuche einen Wagen anzuhalten, doch nicht einer hält. Tja! Aber da ist ein stehender Pick-up und der Fahrer gibt mir all sein Wasser. Er wohnt in der Nähe. Glück gehabt! Die Strasse macht nun eine Kurve und für ein paar wenige Kilometer habe ich guten Rückenwind. Das ändert sich leider bald wieder. Ein erneuter Abzweig auf eine gehabt sehr verkehrsreiche Strasse ohne Seitenstreifen. Ich könnte es bis 15 Uhr schaffen, es fehlen noch ca. 10 km. 95 habe ich schon. Von wegen 80 km… Aber dann kommt mir auch schon ein Wagen entgegen. Margie! Habe ich mir fast gedacht, dass es mit der Zeitdifferenz nicht aufgeht. Goiás ist wieder eine Stunde voraus. Und ich zu spät oder in Mato Grosso do Sul Zeit Margie zu früh. Egal, für heute habe ich genug. Das Rad wird auf den Pick-up geladen. Schnell sind wir bei Boliche Seco, dann geht’s auf einer Schotterstrasse weiter und bald erreichen wir das Gatter zum Parque. Der Parque Nacional das Emas steht leider unter etwas schlechter Führung, der Zugang ist sehr schwierig. Aber Margie ist Monitorin und hat Zutritt. Per Pick-up fahren wir durch die schöne Landschaft. Vorbei an zwei Wildschwienherden, schönen Cerrado-Wiesen mit vielen Vögeln und dann landen wir beim Rio Formosa. Auf dessen Brücke gibt’s einen Imbiss, während auf der einen Seite die Sonne unter- und auf der anderen Seite der Mond aufgeht. Ein schönes Fleckchen. Bald ist es dunkel und und nun beginnt die eigentlich Suche nach dem, warum ich hier bin. Der Biolumineszenz! Hier gibt es etwas ganz Besonderes zu bewundern! Alle Jahre wieder gegen Ende des Winters oder besser gesagt gegen Ende der Trockenzeit präsentiert ein spezieller Leuchtkäfer des Cerrados, Pyrearinus termitilluminans gennant, ein ganz besonders Lichtspektakel. Nach einem Regenfall kriechen die Leuchtkäfer-Larven die Termitenhügel hinauf, um mit ihrem Leuchten Beutetiere wie Termiten, Ameisen und andere Insekten anzulocken. Ein wunderschönes Schauspiel! (Nun, leider hatte es nur sehr wenig geregnet und ich musste den Leuchtkäfern etwas nachhelfen, haha!) Gegen 21 Uhr erreichen wir dann Chapadão do Céu, wo es bald mit einem weiteren Spektakel weitergeht. Einer totalen Mondfinsternis! Ein spektakulärer Tag!

 

28./29.09.2015. Ich verbringe zwei ruhige Tage bei Margie und ihrer Familie. Ich kann das Fazendaleben etwas näher kennen lernen, den Margie und ihr Mann Eduardo besitzen zwei davon. Zudem gebe ich auch hier einen kleinen Vortrag. Danke an all die Ciclistas und Interessierten, die mich in der Garage besucht haben! Den Parque Nacional das Emas kann ich leider kein zweites Mal besuchen. Das ist sehr schade!

Vortrag in Chapadão do Céu

30.09.2015. Goiás-Uhrzeit ist deutlich besser als Mato Grosso do Sul-Uhrzeit. Ich stehe weiterhin um 6 Uhr auf, aber hier werde ich nun abends eine Stunde mehr Licht haben. Heute dauert der Start etwas länger, gemütlich frühstücken mit Margie, dann wieder Abschied nehmen.

Mit Margie und ihrer Familie

Hallo, hallo!

Als ich losfahre ist der Himmel bewölkt. Auf der flachen Ebene komme ich gut voran. Für 30 km. Dann drückt jemand den Wind-Knopf. Heftig bläst er von der Seite her, schwarze Wolken treiben auf mich zu. Dazu gibt’s noch eine gute Einstaubung mit roter Erde, die der Wind gnadenlos über die brachen Felder peitscht. Das rote Pulver dringt in alle ¨Öffnungen. Abends werde ich es an den ungewohntesten Orten wiederfinden… Der Regen droht, doch es fällt kein Tropfen. Der Wind bleibt. In Ilumrim, wo die Strasse eine 90 Grad Kurve macht, gibt’s Mittagessen. Und danach habe ich… Rückenwind. Mittlerweile scheint die Sonne und die Gegend wird ziemlich hügelig. Der Wind ist auch etwas unentschlossen und dreht bald seine Blasrichtung. Gegen 16 Uhr erreiche ich Serranópolis. Ich fahre ins Dorf, sehe die Prefeitura. Doch die ist wegen eines Streiks geschlossen, wie mir eine junge Dame sagt. So lerne ich Gersandrya kennen, die mich spontan in ihr Haus einlädt. Heute habe ich Glück, denn einen Mann hätte sie nicht eingeladen. Hier muss ich als erstes einen Platten beheben. Der Hinterreifen. Auch heute bekomme ich den Mantel kaum weg. Aber heute wird nicht lange gefackelt, Gersandrya fährt mich zur Bicicleteria. Der Chef nimmt sich der Sache an, da geht das Rucksack. Ich staune. Hah! Ich habe wohl einfach keine Kraft in meinen Fingern! Und hoffe, dass mich der Hinterreifen für eine Weile in Ruhe lässt. Obwohl das hier schwierig ist, denn die Seitenstreifen, wenn überhaupt vorhanden, sind total überfüllt mit den zerplatzten Reifen von Trucks. Und diese feinen Drähtchen, die da drinnen stecken haben es bekanntlicherweise in sich…

Mit Gersandrya und ihrer Mama. Muito obrigada!

01.10.2015. Nach Frühstück und Abschied mache ich mich auf den Weiterweg. Es folgen weitere gute Hügel. Von wegen flach, wie mir jemand erzählt hatte! Noch ist es bewölkt, der Wind bläst von der Seite. Von der falschen Seite, denn ab Jataí werde ich Gegenwind haben. So ist es. Dort biege ich nun auf die BR060 ein, eine Autopista. Immerhin mit gutem und breiten Seitenstreifen. Der wird hier noch zum viel schlimmeren Truckreifenfriedhof. Nun folgen 40 km Felder und Kühe mit vielen Hügeln. Dreimal halten Autos vor mir auf dem Seitenstreifen. Bewunderer, die mir oft nur die Hand schütteln wollen. Tzzz! Nun, machmal gibt’s auch Wasser. Gegen 17 Uhr und nach 110 km mit 1’257 m Steigung erreiche ich endlich das einzige Restaurant zwischen Jataí und Rio Verde. Mein heutiges Ziel. Denke ich mir. Doch die Dona lässt mir mitteilen, dass ich hier nicht zelten könne. 3 km weiter hätte es einen verlassenen Auto Posto. So was, was ganz Neues in Brasilien! Ich bin etwas erstaunt und will die Besitzerin persönlich sprechen. Nach einer halben Ewigkeit taucht die Dame auf. Viele Fragen, einer eher unangenehme Person. Ich könne bleiben, müsse aber arbeiten. Wie lange? Einen Monat, sie würde auch bezahlen. Ufff, nein danke! Das geht noch eine Weile hin und her, zudem machen mir winzige, zum Glück nicht stechende Insekten das Leben schwer. Dann gibt die Dame auf, zeigt mir meinen Platz. Ein Zimmer mit Bett ohne Matratze. Es sei gefährlich hier, es hätte Kobras. Und sie wollte mich zur verlassenen Tankstelle schicken… Na, die Dusche darf ich auch benutzen und später lädt sie mich ins Restaurant zum Nachtessen ein. Schweigend sitzen wir uns gegenüber, eher unangenehm. Danach taut die Dame etwas auf und wir unterhalten uns ganz gut. Begleitet von einer sintflutartigen Käferattacke. Gestern hatte es hier geregnet, heute schlüpften Käfer in allen Grössen und Formen. Ich höre sie noch die ganze Nacht an meine Zimmertür prallen.

02.10.2015. Am Morgen trete ich vor der Tür in einen Käferfriedhof, einige zappeln noch vor sich hin. Im Restaurant hole ich mir Frühstück, dann gibt’s von der Dona zum Abschied sogar ein Lächeln und eine scheue Umarmung. So schlimm ist sie ja doch nicht. Aber ich bin doch froh, wieder in die Pedalen zu treten. Ich fahre weiter durch Käferleichen und bei der ersten guten Steigung komme ich ins Bäche-Schwitzen. Es ist heiss. Nach 40 km weiteren Hügeln erreiche ich Rio Verde. Der Seitenstreifen wird zur dritten Spur, der Verkehr dröhnt, es geht kilometerlang hoch und der Gegenwind frischt brutal auf. Eine sehr unangenehme, kaum enden wollenden Stadtdurchquerung. Ich habe Hunger, aber ich will da raus! Dann endlich wieder Autobahn, Seitenstreifen und nach ein paar weigern Kilometern eine Tankstelle. Ich esse was und bald werde ich von zwei Herren mit Fragen durchlöchert. Noch ein paar Fotos und ein Geschenk. Ein Red-Bull. Mal sehen, ob das mit den Flügeln funktionieren wird… Puhh! In der Pause hat der Wind nochmals aufgefrischt, zudem bläst er mir nun heiss entgegen. Ich weiss schon, wieso der in anderen Breitengraden Föhn heisst. Obwohl er hier kaum vom Berge kommt… Noch mehr Hügel, dann wird es etwas flacher. Gegen 13.30 Uhr erreiche ich San Antonio. Dringend Zeit fürs Mittagessen. Auf der anderen Autobahnseite ein Restaurant, das Buffet ist schon fast leer. Aber es reicht gut noch für einen Teller. Ich esse, bald ist mein Rad von Herren umgeben, ich von den Damen. Wie unterschiedlich doch die Interessen sind. Und auch heute geht das Essen aufs Haus. Vielen Dank! Ich stürze mich nochmals in die Föhnhitze, noch 35 km bin Acreuna. Es wird flacher und zum Zvieri gönne ich mir das Red-Bull Special Edition Cranberry. Seichwarm schmeckt das Gebräu noch viel ekliger. Und die Flügel bleiben auch aus…

Red Bull Special Edition, verleiht keine Flügel

Gegen 17 Uhr und nach 125 km erreiche ich Arcreuna. Bomberos gibt es nicht, die Parroquia ist schon geschlossen, aber ein junger Typ begleitet mich zum Haus des Padres. Der junge Padre ist etwas skeptisch, aber ich darf bei ihm duschen, Kleider waschen und er gibt mir was zu essen. Aber eines der beiden Gästezimmer bietet er mir nicht an. Dafür begleitet er mich zur Parroquia, wo ich auf dem Vorplatz mein Zelt aufstellen kann. Das Tor bleibt offen, es sei sicher hier. Und heiss. Sehr heiss. Und laut. Es ist Freitag Abend, die Parroquia gleich bei der Plaza. Aber irgendwann schlafe ich ein. Gegen 3 Uhr morgens in Reisenknall, ich sitze im Zelt. Das war kein Feuerwerk. Dann weitere Knälle. Ja, das ist sicher Feuerwerk…

03.10.2015. Am Morgen macht mir die Putzfrau des Padres Frühstück, er ist schon weg. Na, und der Reisenknall war eine Explosion, letzte Nacht wurde die Bank ausgeraubt. So sicher ist es also hier. Der dritte Banküberfall in Serie, jedes Mal wurde der Bankomat aus den Gebäuden gesprengt. Ich mache mich auch den Weiterweg, bald folgen wieder die geliebten Hügel. Kurz nach Indiara mache ich Mittagspause. Danach ist die Hitze brutal, drückend, es weht fast kein Wind. Die Hügel werden steiler und höher.  Der Schweiss fliesst in Bächen, das warme Wasser löscht den Durst nicht. Bald wird die Gegend richtig bergig, eine Wohltat fürs Auge nach all den Kilometern mit Kühen und brach liegender Monokultur. Nach 105 km erreiche ich Posselandia. Ich frage etwas rum und lande beimHaus des Collegio-Direktors. Und bald nenne ich ein Schulzimmer für eine Nacht mein Eigen, heute inklusive Schlüssel! Obwohl es hier glaube ich keine Bank hat…

Mein Heim für eine Nacht in Posselandia

04.10.2015. Auch heute nichts Neues. Hügel, Hitze und Brühenwasser. Aber heute Sonntag sind viele Ciclistas unterwegs. Man stelle sich vor, in der Schweiz wird Sonntags ein Fahrradausflug auf die Autobahn gemacht. Oder sogar ein Rennradrennen. Ich werde bald von Jose Luiz eingeholt. Der ist happy über die ungewohnte Gesellschaft. So geht’s gemütlich voran, da ein Zuckerrohrsaft-Stopp, da ein Pão do Queijo. Vielen Dank! Heute geht es fast den ganzen Tag nur bergauf, am Ende der letzten Steigung Abadia de Goias. Jose Luiz wohnt hier, will mich in sein Haus einladen. Doch ich sollte weiter, in Goiânia erwartet mich bereits Roberto. Aber für eine Cola bei der Tankstelle reicht’s noch. Dort treffen wir wieder auf 5 Rennradler, die uns beim Aufstieg überholten. Ich verabschiede mich von Jose Luiz, dann geht’s langsam runter und bald holen mich die 5 wieder ein. Sie würden mich gerne zum Mittagessen einladen… Auch hier lehne ich dankend ab. 4 wohnen gleich bei Stadteinfahrt, einer begleitet mich zum Glück noch etwas länger. Goiânia erinnert mich eher an eine Stadt in Peru oder Bolivien, dreckig, wirr, hundsmiserable Strassen. Auf google maps sieht das immer ziemlich geordnet aus, aber hier finde ich mich nicht wirklich zurecht. Aber als sich auch der letze Radler verabschiedet, weist er mir noch den Weg. Ich fahre lange durch den Stadtverkehr und nährere mich meinem Ziel. Doch bei einer grossen Kreisstrasse verliere ich die Logik wieder. Bei einer Policia Civil frage ich nach dem Weg, es fehlen noch etwas 200 m. Ha, fast geschafft! Aber der Polizist ruft gleich Roberto an, der mich abholen kommt. Und dann ist es wirklich geschafft! Willkommen in der Hitze von Goiânia!

05. – 10.10.2015. In Goiania gibt es zwei wichtige Dinge zu erledigen. Nummer 1: Visum. Nummer 2: Paket abholen. Zuerst versuche ich mit dem Visum. Bei Einreise nach Brasilien erhält ein Ausländer nur 3 Monate Aufenthalt. Bei Grenzüberquerung fragte ich nach 180 Tagen und wurde nur mit grossen Augen und runtergefallener Kinnlade angestarrt. Aber man sagte mir, dass ich das Visum bei der Policia Federal verlängern könnte. So finde ich mich nun in der Wartehalle der Abteilung „Ausländer“ wieder. Mein Pass wird eingezogen und nach langer Wartezeit teilt mir eine Dame mit, dass es noch nicht möglich sei, das Visum zu verlängern, erst eine Woche vor Ablauf. Ich erkläre ihr meine Situation, aber Unwille und das System sind stärker. Na ja. Nummer 1 fehlgeschlagen. Für den Moment zumindest. Und wird auch nicht einfacher, denn ab jetzt werde ich keine grösseren Städte mehr passieren. Aber ich habe noch etwas Zeit, um Plan B zu entwickeln… Also zu Nummer 2. Das Paket mit meinem Sommerschlafsack ist noch nicht da, ich hoffe, das dies in nützlicher Frist noch geschieht. Denn mein andentauglicher Schlafbeutel ist hier definitiv zuviel des Guten. Und oh Wunder, das ist es! Dank Taxi Luiz muss ich keine 10 Kilometer in Mörderhitze zur Post laufen. Muito obrigada! Und für einmal ist auch der Zoll ganz anständig, 1,40 Reales (0,35 $) muss ich fürs Auslösen bezahlen! Ha! Glück gehabt mit Nummer 2!

Mein Paket ist angekommen! Inklusive süsser Überraschung!

Vielen Dank Wilson und Familie fürs tolle Nachtessen!

Duschen kann richtig abenteuerlich sein

Ansonsten heisst es arbeiten, Kleider waschen, heiss haben, mich mit Leuten treffen. Vielen Dank für all die Einladungen! Zudem ist ein neues Interview geplant. Mein Gastgeber Roberto ist ebenfalls Grafiker und arbeitet in einer Werbeagentur. Und diese will das ganze produzieren. Mal sehen, was daraus wird. Ich gebe Bescheid, wenn es soweit ist… Muito obrigada para todo Roberto! Ebenfalls gibt es ab nun eine Facebook-Fanpage für Colorfish. Gebt dieser doch eine „like“! Und so nett auch alle sind, es zieht mich raus aus dem Moloch Stadt. Mein nächstes Ziel ist der Parque Nacional dos Veadeiros, der beflügelt meine Vorstellungen weit mehr als das Betonmeer…

Interview „Unglaubliche Frauen“.

Roberto, mein Gastgeber und Berufskollege