20.10. – 01.11.2015. 207 km. 2’725 Höhenmeter. In Brasilien gibt es keine Berge mit Gipfeln, sondern nur abgeflachte Tafelberge, Chapadas. Eine der grösseren ist die Chapada dos Veadeiros. Ich bekomme Gelegenheit, einige Orte und Cachoeiras dieser absolut fantastischen Gegend zu besuchen. Des Öfteren fühle ich mich wie im Paradies! Und wie immer in Brasilien wird mir dies mit Hilfe ganz vieler Personen ermöglicht! Muito obrigada!

Route: São Jorge – Alto Paraiso – Teresina de Goiás – Cavalcante

20. – 23.10.2015. Mein Start in der Chapada dos Veadeiros war nicht gerade der Beste, aber es geht fantastisch weiter. Ich wohne auf dem Camping Aldeia da Lua 8 km ausserhalb von Sao Jorge. Schön ruhig! Ich wechsle mehrere Male mein Heim, vom Zelt in ein Chalet und wieder ins Zelt. Aber sonst ist hier alles perfekt, Marcio hat in seinem Haus Internet, das macht das Leben doch sehr viel einfacher… tatsächlich!

In der Aldeia da Lua vom Zelt ins Chalet…

… und wieder auf den Camping

Ansonsten habe ich Glück, Marcio ist für die nächsten drei Tage mein persönlicher Guia. Am ersten Tag machen wir uns auf den Weg in den Corredor Cordovil. Dieser liegt auf dem Grundstück der Aldeia da Lua. Zuerst führt eine steile Treppe runter zu einer ersten Schwimmgelegenheit im Rio São Jorge. Das erste erfrischende Bad des Tages! Danach geht’s weiter und bald kraxeln wir über riesige Steine eines trockenen Flussbettes den Hang hinauf. Klettereinlagen inklusive. Dieser Trail ist schon fast abenteuerlich und er soll der schwierigste in der ganzen Chapada dos Veadeiros sein. Nach dem Flussbett folgt noch ein enger Pfad durch das hohe Gras des Cerrados und der Abstieg zum Poço Esmeralda. Hierher verirren sich nur sehr wenig Leute, wir haben das schöne Fleckchen Erde für uns allein! Natürlich geht es auf dem gleichen Weg wider zurück und bekanntlich sind die Abstiege immer schwieriger als die Aufstiege…

Mein Guia Mario und der Aufstieg über ein steiniges Flussbett

Dann folgt das verdiente Bad im Poço Esmeralda

Der nächste Ausflug führt uns in den Parque Nacional da Chapada dos Veadeiros. Der Eintritt in den Park ist gratis, ganz im Gegensatz zu all den Cachoeiras auf privaten Fazendas, wo Eintritt verlangt wird. Im Park gibt es zwei Wanderwege, einer zum Canon II und den Cariocas, ein anderer führt zu den Saltos. Wir machen uns auf den einfacheren Weg zum Canon II und den Cariocas. Der Pfad führt durch den Cerrado und endet bei einem Rundkurs zu den zwei Sehenswürdigkeiten. Zuerst geht’s zum Canon II mit dem weiten oder tiefen Blick in den Canon des Rio Preto, natürlich gibt’s auch hier ein erfrischendes Bad im dunklen aber klaren Wasser. Danach folgt der steile Abstieg zum den Cariocas. Schön, die Wasserfälle! Auch hier wartet das Bad in den dunklen Wasser!

 

Das Vale da Lua liegt auch ganz in der Nähe der Aldeia da Lua. In Millionen von Jahren hat der Rio São Miguel eine lunare Landschaft in den Fels geschnitzt. Immer wieder eröffnet sich der Blick auf den Fluss unten im Canon, dann wieder ergiessen sich die kalten Wasser in wunderbare Pools. Natürlich stürze ich mich auch hier mit grossem Genuss in das klare Wasser!

 

24.10.2015. War es bis anhin immer trocken und heiss macht sich langsam eine Wetteränderung bemerkbar. Der erste Regen fällt, begleitet von stürmischen Winden. Mein Zelt endet als Staubburg, aber die Natur freut sich über die ersten Regentropfen. Meine Weiterfahrt ist trocken, aber die stürmischen, aus Osten kommenden Winde machen das Leben nicht einfacher. Doch der erste Tag ist ein kurzer und ich fahre tatsächlich auf einer Ciclovia! Zuerst passiere ich den Jardim de Maitreya, dem angeblichen Paradies auf Erden oder dem Tor in andere Dimensionen. Auf Empfehlung von doch einigen Personen halte ich nach etwa 12 km zu einem „Matula do Seu Valdimiro“ auf der gleichnamigen Ranch do Valdimiro. Die Matula ist ein Gericht, dass die Truppenführer früher auf ihre langen Reisen mitnahmen. Deftig und nahrhaft, ein Bohneneintopf mit Fleisch, Carne do Sol, frittiertes Fleisch, Reis, Gemüse und Farofa, das berühmte Mandiokamehl, auch dieses versetzt mit Trockenfleisch.

Der Jardim de Maitreya, das Paradies auf Erden oder ein Tor in einer andere Dimension

Die nahrhafte Matula do Seu Valdimiro

Nach diesem Mahl ist es nicht verwunderlich, dass viele Besucher danach die vielen selbstgebrauten Fruchtliköre degustieren. Hier passe ich und mache mich mit vollen Magen auf die Weiterfahrt nach Alto Paraiso mit seinem „Chacra Cardiaco“. Es wird gesagt, dass wegen dem hohen Kristallvokommen über der ganzen Region ein Schutzschild liegt. Fast jeder Einwohner von Alto Paraiso kann eine Geschichte im Zusammenhang mit Aliens erzählen und die Sichtung von UFOs ist normal. Vielleicht rauchen die Leute aber auch einfach zuviel Marihuana. Ich auf jeden Fall habe ein gutes Flashback nach Vilcabamba in Ecuador. Vielleicht wegen der Aliens oder vielleicht einfach nur weil Samstag ist, versagen hier zwei Kontakte für eine Übernachtungsmöglichkeit und ich bezahle tatsächlich meine erste Übernachtung in Brasilien!

25.10.2015. Nach Alto Paraiso erklimme ich die Strasse zum höchsten Punkt im zentral-westlichen Brasilien, den Pico do Pouso Alto mit seinen fast schon lächerlichen 1’676 m. Danach folgt ein weiterer Meilenstein, oder einfach nur eine Steinanhäufung, der Paralelo 14. Dieser Punkt liegt auf dem gleichen Breitengrad wie Machu Picchu und hat natürlich somit auch eine ganz kosmische Ausstrahlung.

Auf dem Pico do Pouso Alto

Der Paralelo 14 liegt auf dem gleichen Breitengrad wir Machu Picchu

Lange geht es hügelig weiter, der Himmel verdunkelt sich immer mehr. Und nach soviel Steigung folgt wirklich eine gute Abfahrt in eine bergige Cerrado-Landschaft. Kurz vor Teresina befindet sich die Cachoeria Poço Encantado. Ein Kilometer führt die Schotterstrasse von der Strasse weg, das ist machbar. Ich fahre runter und werde dort tatsächlich schon erwartet. Von Fernando, in dessen Haus ich in Teresina eingeladen wurde. Ich hatte ihm am Morgen mitgeteilt, dass ich mir noch die Cachoeria ansehen möchte. So treffen wir uns schon früher, zudem ist noch ein mit ihm befreundetes Paar da. Von den beiden werden wir gleich noch zum Mittagessen in der Pousada eingeladen. Noch so ein Festmahl! Vielen Dank! Währenddessen öffnet der Himmel seine Schleusen! Nach dem Essen machen sich alle auf den Weg, ich laufe noch den kurzen Weg zum Wasserfall mit dem Pool runter, mittlerweile ist es wieder trocken. Es wird gesagt, dass sich auf dem Grunde des Pools ein riesiger Diamant versteckt, dessen Leuchten in Vollmondnächten von weitem sichtbar ist. Daher der Name Poço Encantado.

Heute gibt’s kein Bad im Poço Encantado

Danach folgen nochmals ein paar gute Steigungen, und der Regenfall hat die Luftfeuchtigkeit ziemlich erhöht. Es rinnt aus allen Poren. Bald fahre ich in Teresina ein wo ich bei Fernando einen trocken Unterschlupf finde. Genau richtig, denn 10 Minuten später schüttet es wieder aus vollen Kübeln. Muito obrigada Fernando!

26.10.2015. Eigentlich wollte ich aus wettertechnischen Gründen heute weiterfahren, doch das ist nicht so einfach. Fernando will mir noch eine nahe Kalunga Kommune zeigen. Wir fahren los, vorbei an der Plaza. Halt! Das sind doch bepackte Räder! So ist es und sie gehören Emma (Argentinien) und Noelia (Uruguay), die seit einem Monat mit dem Rad unterwegs sind. Emma ist vor ein paar Tagen gestürzt und hat eine gute Wunde am Knie. Nun, Ciclistas sollen sich vereinen und so sitzen wir bald alle im Auto zur Fazenda Ema. Doch die Kalungas sind fast alle ausgeflogen, der erste Regen lässt das Bepflanzen von Reis zu. Die Kalungas sind nachfahren der Sklaven, die während des Goldrausches im 17. Jahrhundert zu Tausenden von den Portugiesen hergeschleppt wurden. Doch die Goldquellen versiegten und einige Sklaven konnten fliehen und sich im bergigen und dichten Cerrado verstecken. Darunter die berühmte Dona Lió, dessen Sohn wir heute antreffen. Und auch heute gibt es noch etwas Gold zu finden!

 

Wieder zurück in Teresina ziehen auch die zwei anderen Ladys in Fernands Haus. Eigentlich sollte ich noch einige Leute kennen lernen, aber wie das oft ist, wird daraus nichts. Das nennt sich dann wirklich Ruhetag.

27.10.2015. Der Aufruf, eine Ciclista nach Cavalcante zu begleiten, stösst auf grosses Interesse… genau eine Person! Ema muss ihr Knie noch weiter schonen, so fahre ich mit João los. Der Mountainbiker meint dann, ob ich heute nicht etwas schneller fahren könne… Ähhh? Nein, sorry! Halb so schlimm, denn nach ein paar guten Hügeln und 22 km erreichen wir an diesem wunderschönen Tag auch schon Cavalcante, mein letzter Stopp in der Chapada dos Veadeiros. Dort werde ich schon von Thiago und einem kleinen, supersympathischen Chalet erwartet. Echt toll, das Häuschen, ruhig ausserhalb gelegen. Nicht mehr oft, aber manchmal überkommen mich die Gefühle doch noch! Wie schön wäre es hier jetzt zu Zweit… einmal darüber wischen und beim Kleiderwaschen eine Kakerlake ertränken.

Mein Chalet für ein paar Tage dank Thiago!

Es ist gemütlich hier

Cavalcante ist wieder ein ganz anderer Ort und überrascht mich ein wenig. Ich hatte noch so ein Touristenhochburg erwartet, aber dem ist überhaupt nicht der Fall. Hier geht’s gemächlich zu und her. Cavalcante hat eine 300-jährige Kalunga Geschichte, aber der Tourismus hat erst vor ca. 5 Jahren Einzug gehalten. Abends trifft man sich auf der Plaza, sonst ist hier vor allem unter der Woche nicht viel los.

28. – 31.10.2015. Das bekomme ich bald wieder zu spüren. Natürlich möchte ich mir hier die Cachoeria Santa Barbara ansehen. Man sagt, der schönste Wasserfall der ganzen Chapada dos Veadeiros! Doch er liegt 34 km entfernt. Man rät mir, am Morgen bei der Touristeninformation zu warten, vielleicht würde jemand vorbeifahren und mich mitnehmen. Um 7.30 Uhr bin ich da, mein Rad ist sicherheitshalber schon startklar. Denn das ist Plan B. Ich warte, rede mit diversen Leuten. Für viel Kohle würde mich natürlich ein Guia von hier rauffahren und sonst kommen manchmal Leute, manchmal auch nicht. Diese Ungewissheit mag ich nicht, zumal ich nicht ewig warten kann, wenn ich dann doch mit dem Rad hinfahren muss. So mache ich mich um 9 Uhr auf den Weg. Zuerst führt die Schotterstarasse hügelig durch die Gegend, dann folgt bald eine brutale, lange Steigung. Vor der hatte man mich gewarnt, aber sie verlangt nun auch mit leichtem Rad alles von mir. Puhhh! Doch dann ist es geschafft, nur ist der Himmel nun ziemlich rabenschwarz und bald ergiesst sich ein heftiger Regenschauer. Ja ja, darum wollte ich das ganze ja gestern machen… Ich war aber auch heute noch extrem guter Hoffnung und habe meinen Poncho in Cavalcante gelassen. Bald bin ich bis auf die Knochen durchnässt und so komme ich schlussendliche im Quilombo Kalunga Engenho II an. Der Besuch der Cachoerias ist ab hier nur mit einem lokalen Guide möglich. Man hatte mir in Cavalcante gesagt, es gäbe Guias mit Fahrrad, man bietet mir einen mit Motorrad an.

Mein neues Transportmittel

Auch gut, denn der Weg ist noch lang. So setze ich mich patschnass auf das Motorrad von Joelson. Es geht durch Flüsse und Sandpisten weiter zum Start des Trails. Der ist kurz und bald erreichen wir einen ersten kleinen Pool der Cachoeria Santa Barbara. Wooooow!!! Was für klares, türkises Wasser! Ich staune! Doch es geht noch weiter über Stock und Stein und dann stehe ich vor dem schönsten Wasserfall in der Chapada dos Veadeiros. Das Wasser fällt in diesen wunderbaren Pool, rundherum Steine und dichter Wald. Wunderschön! Und ich bin ganz alleine hier! Nun, mit Joelson. Doch mir ist schon richtig kühl, alles ist nass und es weht ein frischer Wind. Doch ich kann doch nicht einfach hierherkommen und nicht ein Bad in diesem wunderbaren Wasser nehmen. Also nichts wie rein und den Wasserfall erkunden. Wieder draussen ziehe ich mein nasses Hemd über und bestaune etwas zitternd diese Naturschönheit. Bei Sonnenschein würde das Wasser noch viel intensiver leuchten und mir wäre wahrscheinlich nicht so kalt. Aber auch so geniesse ich den Anblick. Bis es mir zu kühl wird…

Mein neues Transportmittel

Die Cachoeria Santa Barbara. Ich bin im Paradies!

In der Kommune liegt noch ein zweiter Wasserfall, die Cachoeria Capivara. Die ist im Preis von Guia und Eintritt mit einbegriffen. So holpern wir wieder zurück durch Flüsse und Sand und dann führt eine andere Piste den Berg runter bis zum Trail. Der führt bald steil und steinig runter zum einer weiteren Schönheit. Wieder total anders, aber auch wunderschön, wie das Wasser seinen Weg über die Steine sucht. Dazu gibt es einen atemberaubenden Blick in den Canon. Absolut genial! Aber das Bad macht mich nicht mehr an, bin ich doch mittlerweile etwas angetrocknet….

Der erste Anblick der Cachoeira Capivara inklusive zögerlichem Schnorchler

Der Blick in den Canon

Zudem knurrt der Magen. Ich gönne mir ein gutes Kalunga-Mittagessen und treffe dabei auf zwei Möbelverkäufer. Die sind ganz erstaunt, dass ich es mit dem Rad hierher geschafft habe. Und fragen, ob sie mich runter mitnehmen sollen. Ich meine, die Abfahrt sei einfacher, aber ich weiss auch, dass hier viele Steigungen warten. Ich esse, dann wechsle ich die Kleider. Beim Zurückkommen sind die beiden verschwunden. Na dann, ran an die Pedalen! Ich erklimme gerade ein Hügel, als ein Camion neben mir hält. Die Möbelverkäufer. „Vamos!“ „Siiiiim!!!!“ Schnell ist das Rad aufgeladen und auch so ist der Weg nach unten lang. Was für eine abenteuerlicher Tag!

Ich würde gerne noch mehr Ausflüge machen, doch es wird nicht einfacher und zudem setzt der Regen ein. Und es ergeben sich auch noch andere Dinge. Ich gebe meinen ersten Vortrag in einer Oberstufen-Schule. Was Neues, so eine grosse Schar Teens zu begeistern. Aber es klappt gut! Valeuuuu! Danke auch Thiago und Cristiano fürs Organisieren!

 

In der kürzlich Vergangenheit hat sich gezeigt, dass sich solche Aktionen schnell auf meine Online-Medien auswirken. Mein persönlicher Facebook-Account ist manchmal kaum noch kontrollierbar mit all den Freundschaftsanfragen. Daher gibt es seit einiger Zeit eine Fan-Page. Die dürft ihr liken, teilen, empfehlen und natürlich anschauen: https://www.facebook.com/Colorfish-593366160803955/?ref=hl

Dann durfte ich vor ein paar Wochen noch die Bekanntschaft von Pushbikegirl Heike machen. Nun, zumindest in der virtuellen Welt. Auch sie eine Solo-Radlerin, die sehr schöne Interviews von anderen Solo-Radlerinnen macht. Hier meins in Deutsch: http://www.pushbikegirl.com/martina-gees-interview-deutsch.php

In Cesar Bike Point will ich einige Radteile auswechseln. So mache ich mich mit Cesar ans Werk. Ich glaube, es ist das erste Mal, dass ich mit einem Mechaniker zusammen am Boden hocke und am Rad rumwerkle. Aber Cesar macht einen guten Job und dann ist Fish wieder „ready to roll“! Mit einer neuen Kette, einer neuen hinteren Bremsscheibe und neuen Bremspads! Muito obrigada Cesar! Die Hügel können kommen!

Auch sonst geht es mir hier gut, ich werde zu einer der besten Pizzas in ganz Amerika eingeladen. Gastrô, Artes e Cultura ist der Ort für eine sensationelle Pizza in Cavalcante!

Mit Cesar vom Cesar Bike Point

Einladung zu einer Pizza von Roberto von Gastrô, Artes e Cultura

Da Thiago das nette Häuschen vermietet hat, ziehe ich auch hier nochmals um. Ich werde netterweise von Beatriz adoptiert und habe wieder ein Dach über dem Kopf. Schon schön bei dem Regen. Einfach die Türe immer gut schliessen, denn hier gehen Kobras, Vogelspinnen und Skorpione rein und raus…

Tja, und das war es dann mit der wunderschönen Chapdada dos Veadeiros. Es gäbe hier noch ganz viele Cachoerias und andere tollte Orte zu sehen, ich könnte Monate hier verbringen. Aber es rufen noch viele andere Schönheiten Brasiliens! Fahren wir in den November!