15. – 24.10.2018. Tromsø. Mit dem Besuch der Stadt im hohen Norden Norwegens geht ein sehr lange gehegter Traum in Erfüllung. Zum ersten Mal in meinem Leben sehe ich die Nordlichter. Eine absolut beeindruckende Erfahrung!
Eigentlich wollte ich in meinen Herbstferien weitere Teile der Schweiz mit dem Fahrrad erkunden oder wandern gehen, aber wie immer verschiebe ich aus Goodwill bis Mitte Oktober. Damit alle anderen früher gehen können. Dass der europäische Herbst nicht enden will, weiss ich damals nicht, aber ganz spontan komme ich auf eine ganz andere Idee. Der hohe Norden. Die Nordlichter! Die wollte ich schon seit Ewigkeiten einmal sehen. Meine Wahl fällt ganz spontan auf Tromsø und für einmal muss mein Fahrrad zu Hause bleiben.
Die Wettervorhersage für meine Zeit in Tromsø ist nicht die beste, aber wirklich genau vorhersagen kann man das Wetter sowieso nicht. Bei meiner Ankunft auf dem kleinen Flughafen bläst ein kalter Wind, der Himmel ist wolkenverhangen, aber ich bin gleich fasziniert von der schönen Fjordlandschaft. Im sehr überschaubaren Stadtzentrum beziehe ich ein Zimmer im Hotel With gleich am Wasser. Etwas darf man sich ja gönnen, schliesslich arbeite ich seit einiger Zeit wieder… zudem gibt’s hier im doch eher teuren Norwegen Nachmittags Waffeln und Abends eine kleine Mahlzeit. Alles mit dabei. Der Ausblick von meinem Zimmer ist grandios, ich sehe den Hafen, die berühmte Eismeerkatherdrale und die Tromsøbrua, die Brücke über den Tromsøysund. Diese verbindet das Zentrum der Stadt auf der Insel Tromsøya mit dem Tromsøer Stadtteil Tromsdalen auf dem Festland. Bald befinde ich mich auf der Mitte der Brücke und geniesse die Aussicht auf das launische Wolkenspiel, wobei ich fast fortgeblasen werde.
Tromsø liegt 344 km Luftlinie nördlich des Polarkreises. Dies entspricht der geographischen Breite vom nördlichsten Teil von Alaska. Ich befinde mich also nördlicher, als damals in Inuvik, als ich den nördlichsten Punkt meiner Fahrradreise erreichte. Ein faszinierender Gedanke. Durch den Ausläufer des Golfstroms hat Tromsø für die nördliche Position ein recht mildes Klima. Im Winter wird es selten kälter als −10 °C. im Sommer selten wärmer als 20 °C. Ich glaube, ich könnte mich hier sehr wohl fühlen!
Fleissig beobachte ich die Wettersituation, wie ich schnell lerne ist diese sehr lokal. Zudem wühle ich mich durch die Webseiten der vielen Agenturen, die Nordlicht-Touren anbieten. Für mich passt es schliesslich bei Aurora Photo Guide, wo ich im Büro an der Kaigata bald Besitzer Geir Ytterstad kennen lerne.
Ihn kann ich auch absolut weiterempfehlen, falls sich jemand in Tromsø für die Touren interessiert:
Aurora Photo Guide
Geir Ytterstad
Kaigata 5, Tromsø City Center
Phone +47 900 18 900
www.auroraphotoguide.com
Ganz aufgeregt begebe ich mich an dem Abend ins Büro. Auf den Thermoanzug verzichte ich, ich habe mich schon sehr warm eingepackt. Zuerst gibt es einige Informationen und Erklärungen zu den Polarlichtern und den Kameraeinstellungen. Bald fahren wir ein ganze Weile aus der Stadt raus. Erstens, um der Lichtverschmutzung zu entfliehen, zweitens um ein gutes Wetterloch zu finden. Fahrer und Guide Geir Hammer, also Geir Nummer 2, findet den Ort in der Nähe von Skibotn mit Blick auf den Lyngen Fjord. Dort sieht er grünes Licht. Sprich die Kamera sieht grünes Licht.
Das Polarlicht, auch Aurora Borealis (Nordlicht) oder Aurora Australis (Südlicht) genannt, ist eine kosmische Lichterscheinung, die meist nördlich 60° nördlicher Breite und südlich 60° südlicher Breite in einer Höhe von 100 bis 1000 km erscheint.
Polarlichter entstehen durch elektrisch geladene Teilchen (Elektronen, Protonen und schwere Ionen), die von der Sonne mit einer Geschwindigkeit von 500 bis 833 km/s auf die oberen Schichten der Erdatmosphäre geschleudert werden, den sogenannten Sonnenwind.
Das Magnetfeld der Erde lenkt zwar viele dieser Teilchen von der Erde weg. An den Polen dringen jedoch Anteile des Sonnenwindes in die Erdatmosphäre ein. Dort kommt der Sonnenwind mit Teilchen der Atmosphäre (Moleküle/Atome) in Berührung, vor allem mit Sauerstoff- und Stickstoffteilchen. Diese werden dabei zum Leuchten angeregt, was wir von der Erde aus als Polarlicht am Himmel sehen.
Die Sauerstoffteilchen reagieren auf den Sonnenwind, indem sie rotes oder grünes Licht abstrahlen. Ob rot oder grün hängt davon ab, wie tief die Sonnenteilchen in die Erdatmosphäre eindringen.
Es entstehen aber noch andere Farben. Stickstoffatome geben violettes und blaues Licht ab, wenn sie mit dem Sonnenwind wechselwirken. Weil die Stickstoffteilchen aber viel Energie benötigen, um blaues oder violettes Licht auszustrahlen, lassen sich diese Farben nur bei starken Sonnenwinden beobachten.
Die Polarlichter sind also nicht nur ein Licht, sondern Milliarden von kleinen Lichtern. Das menschliche Auge sieht in der Dunkelheit sehr schlecht, daher muss ein Polarlicht sehr stark sein, damit wir es von Auge grün wahrnehmen. Schwache Polarlichter sehen wir nur als weisses Schimmern am Himmel. Die Kamera aber fängt mit einer langen Belichtungszeit viel mehr von den kleinen Lichtern ein, daher sieht man auf der Kamera, ob Polarlichter zu sehen sind oder nicht.
Und Geirs Kamera sieht grünes Licht. Daher installieren wir uns am Rande des Fjords und warten. Und plötzlich sehe ich sie auch, die weissen Schimmer, die über den Himmel huschen. Die Nordlichter. Zum ersten Mal sehe ich sie. Ich bin tief beeindruckt und total begeistert.
Das Wetter ist sehr wechselhaft in Tromsø. Regen und Sonne wechseln sich teilweise im Minutentakt ab, meist weht dazu ein kalter Wind. Aber das hindert mich nicht daran, die Gegend zu erkunden. Bald steige ich zum ersten Mal auf den Fjellheisen. Eine neue Sherpa-Treppe führt steil nach oben. Weiter geht es zu einer Bergspitze Namens Fløya. Die Aussicht von da oben ist gewaltig, obwohl mich der eiskalte Wind fast davon bläst.
Natürlich jage ich noch weitere Male nach der grünen Lady. Die restlichen Mal mit Geir Ytterstad persönlich. Der ruhige Norweger ist sehr geduldig mit all seinen Gästen und erklärt jedem einzelnen seine Kamera. Vor Ort serviert er heisse Getränke und Kekse und immer hat er einen guten Tipp auf Lager. Ich kann ihn wirklich absolut empfehlen, falls es jemanden mal nach Tromsø verschlagen sollte. Er scheute keine Mühe, immer den besten Ort zu finden. Auf meiner zweiten Jagd ist das Wetter sehr instabil und hält sich absolut nicht an die Vorhersagen. Lange telefoniert Geir bei Freunden rum, die an verschiedenen Orten wohnen. Und nach Mitternacht befinden wir uns schlussendlich auf einem kleinen Hügel wo die Milchstrasse bald mit einem grünen Himmel konkurrieren muss. Dieser explodiert so quasi in Grün, Formen sind nicht viele erkennbar. Einfach gewaltig und extrem beeindruckend!
Ein nächstes Mal muss Geir bis an die finnische Grenze fahren, um ein gutes Wetterloch zu finden. Die Grenze befindet sich auf ca. 800 m, was man deutlich an der kühleren Temperatur merkt. Der Boden ist gefroren und für einmal bleibt die grüne Lady den ganzen Abend sehr scheu. Die Landschaft ist auch so wundervoll, ein nahender Vollmond taucht den nahen See in ein wunderbares Licht.
In den vielen nächtlichen Stunden im Minibus denke ich mir oft, wie die Gegend wohl aussieht, denn nachts sehe ich nicht sehr viel davon. Daher leiste ich mir noch eine Tagestour mit dem Minibus. Nun, natürlich hätte ich mir von Beginn an liebend gerne ein Auto gemietet, aber da ich in dem letzten 10 Jahren nur auf 2 Rädern unterwegs war, möchte ich so eines nicht zu Schrott fahren… Es ist der wohl regnerischste Tag meines ganzen Aufenthalt, aber die Busse fahren nur sehr sporadisch. Von der Landschaft sehe ich nur bedingt mehr. Wir fahren über die andere Brücke nach Kvaløya, die Walinsel. Entlang des Ersfjords und des Kattfjordeidet geht’s nach Sommarøy. Von dort sieht man auf die Insel Håja, welche dem Architekten als Vorbild für die Eismeerkathedrale diente. Auf der Fahrt zurück fliegt ein Adler im Tiefflug über das Büsslein. Was für ein gewaltiger Vogel. Ich bin tief beeindruckt von seiner Grösse, die Flügelspanne kann 2,40 m erreichen!
Nebst Kormoranen sehe ich noch viele Rentiere. Diese grase friedlich am Strassenrand und wohl auch des Öfteren in den Gärten der Anwohner. Gehören tun die Tiere den Samen, doch die halbdomestizierten Tiere laufen frei herum und folgen ihren natürlichen Wanderrouten.
An meinem letzten Tag in Tromsø setzt ein totaler Wetterwechsel ein. Eine Schönwetterperiode ist im Anmarsch. Das ist ganz schön gemein. Aber so ist das nun mal… Ich laufe nochmals auf den Fjellheisen, diesmal eine ganz andere Route. Und schönes Wetter… mitten im Aufstieg beginnt es zu schneien und bald sehe ich den Weg nicht mehr, zudem ist der Untergrund gefroren. Eine spannende und rutschige Sache. Aber ich komme oben an und gönne mir sogar einen Kaffee in der Bergstation der Bahn. Mit der kann man in 4 Minuten auch auf den Berg fahren, aber da ziehe ich laufen natürlich immer vor.
Es ist kalt hier oben, bei besserem Wetter ist die Aussicht noch spektakulärer. Man stelle sich dies bei Nacht und mit Nordlichtern vor… ein absoluter Traum von einer Stadt!
Natürlich gibt es an meinem letzten Abend hier nochmals eine Aurora-Jagd. An diesem Abend sehe ich das erste Mal einen Stern am Nachthimmel von Tromsø. Geir fährt trotzdem eine ganze Weile Richtung Inland. Am ersten Standort tut sich nicht viel, ausser dass der fast volle Mond die Gegend hell erleuchtet. Geir fährt noch etwas weiter und bei bester Sicht auf einen schneebedeckten Berg und einen See stellen wir uns erneut bereit. Bald beginnt das Licht zu tanzen. Und wie! Wunderschön. Geir erzählt von Rottönen, ich sehe irgendwie je länger je weniger. Auf die Idee, die Linse anzusehen komme ich spät. Ich wische mit einem Tuch drüber, aber die Trübheit wird noch schlimmer. Irgendetwas klebt da drauf. Jetzt tanzt das Licht über mir, vor mir, hinter mir. Wie gemein! Geir rät mir in den Bus zu gehen, dort ist es wärmer. Das tute ich, und hilfsbereit wie er ist kommt er mit und lässt sogar die Heizung an. Meine Linse ist gefroren. Jetzt schiebe ich kleine Eisstücke beiseite und bald ist sie wieder klar. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Was für ein Idiot ich doch bin. Klar, der nahe See produziert bei Feuchtigkeit und bei -6 °C gefriert das Kondenswasser irgendwann. Also, wenn man nicht gerade fotografiert Objektivdeckel drauf und vor jeder Aufnahme Linse abwischen. Wieder etwas gelernt. Oder zumindest aufgefrischt! Ich bin ziemlich frustriert, aber die grüne Lady ist guter Dinge und tanzt nochmals. Nur für mich, denke ich mir dabei… und wie bei allen Fototouren schickt Geir einem einige seiner Aufnahmen. Ist natürlich nicht das gleiche wie die eigenen, aber in dem Fall nicht schlecht…
Eines kann ich zum Abschluss mit Sicherheit sagen, ich werde wiederkommen! Wer weiss wann und wohin, aber die Polarlichter haben mich in Ihren Bann gezogen. Ich möchte sie unbedingt wiedersehen. Am besten so schnell wie möglich!
Dass dieses Erlebnis wirklich tiefgreifende und bewegende Auswirkungen hat merke ich daran, dass ich nach Rückkehr in die Schweiz immer noch von Nordlichtern träume. Ich vermisse sie…!
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