17. – 22.09.2019. 384 km, 5794 Höhenmeter.
Diese kleine Tour führt mich über das Fürstentum Lichtenstein nach Österreich und wieder einmal in die Alpen. Zu viele Tunnels machen mir das Leben schwer, Lech und seine Umgebung begeistern mich und langsam aber sicher zieht der Herbst ins Land.
Route: Chur – Vaduz – Feldkirch – Bludenz – Bielerhöhe (Silvretta Hochalpenstrasse) – Ischgl – Pians – St. Anton am Arlberg – Arlbergpass – Flexenpass – Lech – Hochtannbergpass – Furkajoch – Feldkirch – Chur
Auch diese Tour beginnt vor meiner Haustür in Chur. Dem Rhein entlang fahre ich ins Fürstentum Lichtenstein, bald ist auch die österreichische Grenze erreicht. Einem netten Fahrradweg folge ich dem schönen Ill entlang flussaufwärts.
In Partenen endet der Fahrradweg und ich biege auf die Silvretta Hochalpenstrasse ein. Eigentlich hatte ich mit schönem Herbstwetter und klarem Himmel gerechnet, doch an diesem Morgen hängt der Nebel tief im Tal, alles ist grau. Kurve um kurve arbeite ich mich auf den Pass hoch, der Nebel bleibt mein ständiger Begleiter. Ich habe die Hoffnung, irgendwann die Nebelgrenze zu durchfahren, doch daraus wird nichts. Kurz vor der Passhöhe sehe ich für ein paar Sekunden etwas von der Landschaft, doch dann versinkt wieder alles im Weiss. Ich hatte mich schon auf die schöne Aussicht auf der Bielerhöhe gefreut, aber daraus wird nichts. Auch der Silvretta-Stausee verliert sich im Nebel, alles bleibt weiss umhüllt. Irgendwie doch auch schön…
Ich geniesse eine Weile die Nebelstimmung auf dem Pass, es ist kühl. Auf der anderen Seite der Bielerhöhe dann plötzlich… blauer Himmel. Der Stausee staut nicht nur das Wasser, sondern heute wohl auch den Hochnebel. Immer wieder ziehen einige Schwaden auf die anderen Seite, ein schönes Schauspiel. Und ab und zu erblicke ich doch noch die eine oder anderen Bergspitze. Durch das Paznaun fahre ich vorbei an Galtür (bekannt durch das grosse Hochwasser im 2005), Ischgl, Kappl bis hinunter nach Pians. Dort mache ich einmal kehrt, und fahre wieder westwärts. Vorbei am langgezogenen St. Anton am Arlberg. Die Ausfahrt aus dem grossen Dorf ist sehr steil, wie auch der folgende Anstieg zum Arlbergpass. Zu der steilen Strasse kommt sehr viel Verkehr dazu und bald fahre ich durch eine sehr lange Galerie. Etwas mühsam, die Fahrzeuggeräusche verstärken sich hier um ein Vielfaches, aber immerhin gibt es hier noch Tageslicht. Kurz vor St. Christoph und der Passhöhe fahre ich in einen längeren Tunnel. Am Eingang des Tunnels hängt weit oben ein kleines Schild «Vorsicht Radfahrer». Welcher Fahrer dieses wahrnimmt, ist jedoch fraglich. Ich habe ein Rücklicht, dieses ist selbstverständlich eingeschaltet. Bald dröhnt es wieder im Tunnel, manchmal weiss man nicht, ob von hinten oder von vorne. Im Rückspiegel sehe ich einen grossen Lastwagen. Der sieht mich wohl, überholt. Wer mich aber nicht sieht, sind die etwa 10 folgenden Fahrzeuge, die ohne jeglichen Abstand am Lastwagen kleben. Ich werde von einigen fast angefahren und zwei dieser Vollidioten hupen auch noch gleich neben mir. Als ob es nicht schon genug schlimm wäre in dem Tunnel. Das Adrenalin schiesst ziemlich hoch und ich bin heilfroh, als ich unbeschadet wieder aus dem Tunnel heraus fahre. Tief durchatmen! Ich kontrolliere extra nochmals mein Rücklicht, aber da leuchtet alles wie es sollte.
Nach ein paar Erholungsminuten auf dem Pass geht es kurz runter bis zur nächsten Strassenkreuzung. Da fahre ich rechts und hoffe auf weniger Verkehr und weniger Tunnels. Doch vor mir sehe ich bald eine sehr lange Galerie, dies sich den ganzen Berg hochzieht. Sicherheitshalber wechsle ich noch die Batterien des Rücklichts – man weiss ja nie – dann stürze ich mich wieder ins «Vergnügen». Vor der Einfahrt eine Tafel: «Vorsicht langsame Radfahrer», Tempolimit 40 km/h. Tja, an dieses Limit halten sich wohl die wenigsten. Die Strasse in der Galerie ist eng und kurvig und ich gebe so richtig Gas. So schnell bin ich wohl schon lange keinen Berg mehr hoch gefahren. Aber ich will einfach wieder raus aus diesem Ding! Erst kurz vor der Passhöhe des Flexenpasses endet die Galerie und ich atme auf. Es ist geschafft. Auf dem Flexenpass lasse ich mich erst einmal von ein paar neugierigen Kühen bestaunen, dann erkunde ich die Wasserskulptur. Der Flexenpass ist europäische Wasserscheide.
Von hier geht es wieder runter, durch Zürs und dann habe ich mein heutiges Tagesziel erreicht. Lech. Dieses Lech geistert schon lange in meinem Kopf herum. Im Vorjahr wollte ich eigentlich den Weitwanderweg entlang des Lechs unter die Füsse nehmen. Aber dafür war ich zu spät dran. Dieses Jahr soll es nicht der Weitwanderweg sein, aber 2 Tage möchte ich hier verbringen. Ich niste mich im sehr netten Hotel Filomena ein. Sehr empfehlenswert, dieses Hotel. Nettes Personal, ein schönes Zimmer mit Blick auf den Lech und schon bald befinde ich mich im Wellnessbereich. Ein bisschen Entspannung im Sole- und Aromabad tun an diesem heutigen Tag Wunder!
Nach einem ganz tollen Frühstück fahre ich am ersten Tag in Lech mit dem Rad hoch zum Spullersee. Die Fahrt durch das Spulleralpe-Tal entlang des Spullerbachs erinnert mich sehr an das heimatliche Dischma. Der Spullersee ist ursprünglich ein Hochgebirgssee. Seit 1925 wird er von den Österreichischen Bundesbahnen gestaut und zur Energieerzeugung der Arlbergbahn genutzt. Schön ist er trotzdem.
Der zweite Tag in Lech gehört der ersten Etappe des Lech-Weitwanderweges. Wenigstens diese möchte ich laufen. Der örtliche Bus bringt mich hoch zum wunderschönen Formarinsee. Dieser hochalpine See bildet sich jedes Jahr aufs Neue aus Schmelzwasser. Ganz in der Nähe etwas unterhalb des Sees entspringt der Formarinbach. Der Name täuscht, das Wasser kommt nicht aus dem See. Nach der Schneeschmelze versiegt der Fluss, ich laufe eine Weile einem trockenen Bachbett entlang. Das ist normal. Und irgendwann höre ich es plötzlich plätschern, plötzlich ist Wasser da. Der Bach beginnt langsam ins Tal zu fliessen, wo er durch Zufluss von vielen kleinen Bergbächlein an Grösse zunimmt. Bald stürzt sich der glasklare Bergbach über Steinstufen, dann wieder fliesst er ruhig durch Ebenen. Mit dem Zusammenfluss von Formarinbach und Spullerbach entsteht der Lech. Einer der letzten ursprünglichen Alpenflüsse Europas. 14 km laufe ich dem wunderbaren Fluss entlang, bis ich ein paar Stunden später wieder in Lech lande. Der Lech-Weitwanderweg führt weiter bis nach Füssen, wo sich der Lech über 5 künstliche Stufen in die Tiefe stürzt. In Marxheim schliesslich mündet der er in die Donau.
Der Himmel ist grau verhangen und es regnet leicht, als ich Lech wieder verlasse. Dem Lech folge ich auf der Strasse noch bis nach Warth, dort biege ich in Richtung Hochtannbergpass ab. Natürlich geht es auch hier nicht ohne Galerien und Tunnels, aber es hat ein bisschen weniger Verkehr. Nach dem Pass folgt eine lange Abfahrt nach Au, wo ich zwei Möglichkeiten habe… über den Bregenzerwald nach Dornbirn oder über das Furkajoch nach Feldkirch. Ein Pass darf es noch sein, so wähle ich das Furkajoch. Die Strasse steigt bald wieder sehr steil an, immerhin verziehen sich die dunklen Wolken langsam. In Damüls folgt eine weitere Abzweigung, doch auf die lange Galerie des Farschinajochs verzichte ich gerne. Diese Strasse ist wintersicher ausgebaut, da sich dort oben ein Skigebiet befindet. Ich steige nochmals steil aus Damüls raus, langsam wird es ruhiger auf der Strasse, bis auf die üblichen Idioten auf Motorrädern und in Sportwagen. Nach links habe ich bald eine schöne Aussicht und die Passfahrt ist sehr angenehm. Auf dem Furkajoch hat es eine Beiz und für Motorradfahrer ist da ein Halt wohl obligatorisch. Da stehen gefühlte 100 von den Teilen. Von der Passhöhe sehe ich schon hinunter ins Rheintal, wo ich mich auch bald wieder befinde.
Eigentlich wollte ich den Tag kurz vor Feldkirch enden lassen, um am Montag noch die letzten Kilometer nach Chur in Angriff zu nehmen. Der Wetterbericht hat Regen vorausgesagt, daher entschliesse ich spontan, doch noch bis nach Chur durchzufahren, komme was wolle. Ich fühle mich auch noch sehr fit, was der Entscheidung hilft. Gegen 16 Uhr bin ich in Feldkirch, bis Chur fehlen noch ca. 55 km. Uff! Das wird ein langer Tag werden. Noch einmal quere ich das Fürstentum Lichtenstein und bald befinde ich mich wieder am Rhein. Mit schönem Rückenwind! Ich freue mich wie ein kleines Kind, dass mich dieser Wind sozusagen nach Hause blasen wird. Solche Dinge sollte man nie denken , denn Murphys Gesetz ist allgegenwärtig. Kaum gedacht, dreht sich der Wind doch tatsächlich um 180 Grad. Das mag auch am einmündenden Seez-Tal liegen. Mich verleitet es zu einigen lauten Flüchen. Bin ich gerade noch mit 20 km/h dahingeflogen, kämpfe ich jetzt phasenweise noch mit 10 km/h gegen den Wind. Na ja, immerhin geniesse ich noch die letzten Sonnenstrahlen und es ist immer noch schön warm. Doch der Kampf gegen den Wind wird hart, es wird immer später und langsam wird es dunkel. Normalerweise fahre ich um diese Zeit nicht mehr, aber ein trockenes Dach über dem Kopf treibt mich an. Und Licht habe ich ja… ganz deutlich leuchtet es. Nach 9,5 Stunden im Sattel, guten 134 Kilometern, 2 Pässen und 1600 Höhenmetern an diesem Tag erreiche ich wieder meine Haustüre. Heil, glücklich und doch ziemlich kaputt!
So endet auch diese Alpentour. Für den Moment war es sicher die letzte! Das nächste Mal soll es eine Weitwanderung sein… Ideen schweben da schon seit längerer Zeit in meinem Kopf herum.
Und jetzt widme ich mich wieder einmal einer anderen Radreise, der durch Süd-, Mittel und Nordamerika. Vom 1. – 3. November 2019 findet in Lausanne wieder das Festivelo statt. Ein grosses Festival von Radreise-Begeisterten, Radreisenden und solchen, die es vielleicht noch werden wollen.
Ich selbst werde dort ebenfalls über meine Odyssee Panamericana (in Englisch) berichten:
Samstag, 2. November um 10 Uhr. Falls jemand Interesse hat bitte anmelden, bei einigen Vorträgen sind die Plätze limitiert!
See you there!
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