07. – 09.09.2021. 55 km, 2080 m Aufstieg, 3450 m Abstieg. Schweiz, Graubünden. Die eindrücklichen Kalktürme des Rätikon auf der einen, wechselnde Aus- und Tiefblicke auf der anderen Seite: das ist wunderbares und abwechslungsreiches wandern auf dem Prättigauer Höhenweg.
Route: Klosters Dorf – Madrisabahn – Saaser Alp – Zastia – Jägglisch Horn – St. Antönien – Partnunstafel – Partnunsee – Carschinahütte – Gafalljoch – Schesaplanahütte – Stürfis – Seewis Dorf
Der Prättigauer Höhenweg steht schon lange auf meinem Wanderplan. Nun war es an der Zeit, den Plan umzusetzen. Gleichzeitig ist die Wanderung ein Test für leichteres Material. So trage ich in meinem Rucksack eine leichtere Matte und ein leichteres Zelt.
Der Prättigauer Höhenweg führt in 4 Etappen von Klosters entlang dem eindrücklichen Rätikon und der schweizerisch-österreichischen Grenze in die Bündner Herrschaft oder umgekehrt. Ich teile die Etappen etwas anders ein und wandere ihn schlussendlich in 2,5 Tagen.
Etappe 01: Klosters – St. Antönien
Ich beginne meine Tour mittags in Klosters Dorf. Der eigentliche Prättigauer Höhenweg führt von hier durch das Schlappintobel hoch nach Schlappin und von da auf die Saaser Alp. Ich kürze ab und nehme eine Gondel der Madrisabahn, die mich hoch ins Madrisa-Land bringt. Von dort geniesse ich den Blick in die Silvrettagruppe sowie in Richtung Heimat Davos und starte meine Wanderung. Der Prättigauer Höhenweg ist mit der Nummer 72 ausgeschildert und meist nicht zu verfehlen. Die auf den Schildern angegebenen Zeitangaben sind aber extrem sportlich und ich empfehle, immer mehr Zeit einzurechnen.
Der Weg führt vorbei an einigen Station des Heilkräuterweges und des Energie-Spürweges und bald beruhige ich auf einer schönen Bank mit Ausblick ins Tal die Knurr-Energie meines Magens mit einem mitgebrachten Sandwich.
Ich steige über ein steiles Wegstück hinunter, dann führt der Weg dem steilen Hang entlang. Bald tut sich der Blick in die Arena von Geisshorn, Bockhorn und dem Saaser Calanda auf. Ich passiere die Alphütten von Zastia. Die Familie einer Schulfreundin hat hier oben eine Hütte, daran erinnere ich mich noch alten Zeiten. Ich war damals einmal zu Besuch hier oben, heute treffe ich auf keine Menschenseele.
Von Zastia steige ich sanft über grüne Matten vorbei an Kühen aufs Fürggli. Noch ein paar Meter weiter rauf und ich stehe auf dem Jägglisch Horn. Von hier oben hat man einen wunderbaren Ausblick über den ganzen Rätikon, den Prättigauer Höhenweg und das Prättigau auf der anderen Seite. Ich sitze eine ganze Weile auf der gemütlichen Bank und lasse die Landschaft und den Ausblick auf mich einwirken.
Beim folgenden Abstieg höre und sehe ich immer wieder Murmeltiere. Munggen, wie wir hier sagen. Bei der Aschariner Alp geniesse ich nochmals einen eindrücklichen Blick auf die Rätschenflue. Danach folgt ein längerer Abstieg auf Bergwegen und Alpstrassen nach St. Antönien. Man könnte die Abfahrt auch beschleunigen und ein Trottinett mieten, aber ich laufe. In St. Antönien geniesse ich noch eine Weile die Sonne auf einer Bank beim Steinbock-Spielplatz, da an Hotel-Ruhetagen erst um 17 Uhr eingecheckt werden kann. Meine erste Nacht verbringe ich für meine Verhältnisse luxuriös im gemütlichen Hotel Rhätia mit seinen charmant-urchigen Zimmer.
St. Antönien ist eine ursprünglich erhaltene und typische Walser Streusiedlung. Die Kirche und ein paar Häuser bilden einen kleinen Dorfkern, die restlichen Höfe und Häuser liegen verstreut an den grünen Hängen. St. Antönien ist auch eines der ersten Bergsteigerdörfer der Schweiz. Bergsteigerdörfer zeichnen sich aus durch Kleinheit und Ruhe sowie die vielfältigen Bergsportaktivitäten, die in der Nähe erlebt werden können.
Etappe 02: St. Antönien – Uf den Sätzli
Ich starte den Tag gut gestärkt von einem leckeren Frühstück. Zuerst führt der Weg der Strasse entlang, dann biegt er in den Hang ab. Nach einem kurzen Aufstieg erreiche ich Partnunstafel. Hier könnte man im nostalgischen Berghaus Sulzfluh übernachten.
Von dort ist es nicht mehr weit bis zum Partnunsee. Hier kann man im kalten Wasser baden, für CHF 2.– ein Ruderboot mieten oder den Tag an einer der vielen Grillstellen geniessen. Brennholz steht weiter unten am Wegrand zur Verfügung. Nach dem See steigt der Weg etwas steiler an und bald höre ich es aus dem Felsen der Sulzfluh rufen und juchzen. Bei genauerem Hinschauen erkenne ich zwei Gruppen, die auf dem Klettersteig unterwegs sind. Die Sulzfluh bietet für alle Schwierigkeitsgrade Kletterfelsen und Klettersteige an. Ebenfalls gibt es ein paar Höhlen zu entdecken.
Ich wandere weiter vorbei an vielen Kühen, Wollgrass und nach einer Kuppe blicke ich das erste Mal auf die schön auf einer Anhöhe gelegene Carschinahütte. Ich höre wieder die Munggen pfeiffen und bald läuft mir ein Jäger mit zwei geschossenen Murmeltieren entgegen. Für ihn gibt es heute Munggenleber zum Nachtessen. Ich bleibe gerne bei meinen Chinanudeln.
Gegen Mittag erreiche ich die Carschinahütte. Sie ist das Ziel der zweiten Etappe des Prättigauer Höhenweges. Eine sehr kurze Etappe, die man aber zu einer schönen Tageswanderung erweitern kann. Zum Beispiel mit der Umrundung der Schijenflue und einem Besuch in der österreichischen Tilisunahütte von Partnunstafel aus oder mit dem Aufstieg auf den Gipfel der Sulzfluh.
Die Carschinahütte ist eine Hütte des Schweizer Alpenclubs (SAC) und bietet in normalen Zeiten 80 Übernachtungsplätze. Im Moment sind diese in der Anzahl reduziert.
Eigentlich wollte ich in der Carschinahütte einen Kuchen essen. Aber ich habe keinen Hunger, darum laufe ich weiter. Nun beginnt der wohl schönste Abschnitt des Prättigauer Höhenwegs. Rechts ragen imposant die Kalktürme des Rätikons empor. Zuerst die drei Türme und die mächtige Drusenfluh. Immer wieder bleibe ich staunend stehen und schaue einfach hoch. Lange begegne ich niemandem, da sind nur diese eindrücklichen Wände und ich. Einfach herrlich! Aber auch ein Blick nach unten lohnt sich, am Wegrand und in den kargen Wiesen blühen viele verschiedene Alpenblumen.
Ich blicke wieder hoch in Richtung Drusator, ein weiterer Übergang nach Österreich, hier zur Lindauer Hütte. An einem klaren Bergbach, der ein paar Meter weiter oben dem Boden entspringt, fülle ich Wasser nach. Lange laufe ich weiter auf dem gut ausgebauten und angenehmen Weg, der nun wirklich eine Höhenweg ist. Ohne grosse Höhenverluste und -gewinne führt er vorbei an den weissen Felstürmen.
Gegen den späteren Nachmittag kommen mir doch einige Wanderer entgegen, wohl alle auf dem Weg zur Carschinahütte. Nach einer Kuppe führt der Weg immer wieder über Geröll nach unten, vorbei an ein paar markanten Felsen. Beim Chilchli ist der Abzweig zum berühmten Schweizertor, ein weiterer Übergang nach Österreich. Ich steige weiter nach unten und beim Pardutzbödeli bekommen meine heiss gelaufenen Füsse ein erfrischend eiskaltes Bad in einem kleinen Bergbach und ich fülle meine Wasservorräte auf. Ich steige entlang der Kirchlispitzen wieder nach oben und auf einer kleinen Anhöhe mit Blick auf Drusenfluh und Kirchlispitzen lasse ich den Tag langsam ausklingen.
Hotel- und Hüttentouren habe ihre Vorteile. Man weiss, dass man abends ein Dach über dem Kopf hat und wo es ist. Aber manchmal wünsche ich mir etwas mehr Flexibilität in der Etappenführung. Auf dem Prättigauer Höhenweg kann man in ganz tollen Hütten übernachten. Sollte man biwakieren oder zelten, macht man dies selbstverständlich mit dem nötigen Respekt. Mehr Infos dazu gibt es hier. Nun, ich bestaune hier ein letztes Alpenglühen an der Drusenfluh und beobachte, wie die Milchstrasse langsam in Richtung Tal erscheint.
Etappe 03: Uf den Sätzli – Seewis Dorf
Der Morgen ist bewölk und als ich loslaufe ist der Himmel grau. Ich steige hoch auf eine weitere Kuppe und laufe dann dem Hang entlang teilweise durch lockere Geröllfelder zum Gafalljoch oder Cavelljoch. Ich stehe direkt an der österreichischen Grenze und blicke auf den Lünersee. Zwei andere Wanderinnen mit grossen Rucksäcken blicken in die gleiche Richtung: «Da ist ja ein See, ein Stausee. Der ist ja gar nicht so schön.» Das ist wohl etwa genau das, was ich in dem Moment auch denke. Das mag aber auch an dem grauen Wetter liegen. Ich unterhalte mich eine Weile mit den beiden Mädels, dann ziehen alle weiter.
Es weht ein kalter Wind hier oben ich muss eine Jacke anziehen. Ich überquere wieder ein Fürggli, dann führt der Weg über grosse Wiesen und vorbei an unzähligen Schafen runter und wieder hoch. Immer wieder biegen alpine Wanderwege in Richtung Berg ab. Hier kann man blau-weiss die Schesaplana besteigen oder via Gamsluggen zur Totalphütte wandern. Die Schesaplana (der Name bedeutet «flacher Stein») ist mit 2964 m ü. M. der höchste Berg des Rätikons und die Felsen an diesem Berg sind nicht flach, sondern brüchig und verschrundet. Waren Sulzfluh und Drusehnfluh eindrückliche Türme, ist die Schesaplana eher ein rauher, steiler und wuchtiger Berg. Weiter dem Hang entlang erreiche ich die Schesaplanahütte. Hier treffe ich auf ein paar wilde Hühner, Jäger und Biker. Ich hätte Lust auf Kaffee und Kuchen, aber ich verzichte wieder, da der Tag heute sehr lang werden könnte.
Auch die Schesaplanahütte ist eine Hütte der Schweizer Alpenclubs (SAC) und bietet 66 Personen Platz zum Übernachten.
Von hier aus kann man in ca. 3 Stunden nach Seewis absteigen oder die Talfahrt wieder einmal mit einem Trottinett beschleunigen. Ich folge weiter der Nummer 72. Wenn schon, denn schon. Über das Altsäss und ein paar romantische Alphütten führt der Weg in einen Wald und bald wieder steil den Berg hoch. Es folgt eine weitere Hangquerung mit viel losem Geröll und immer wieder steilen Abgründen zur Linken, rechts blicke ich zu Tschingel und Hornspitz hoch. Vor mir erhebt sich das Glegghorn. Bei Stürfis macht der Weg eine Kurve. Hier kann man via Fläscher Alp zur Bergstation der Älplibahn wandern und mit dieser ins Tal fahren. Ebenfalls erreicht man von hier aus die schönen Fläscher Seen. Das wäre bei schönerem Wetter eine Option für eine weitere Nacht da draussen gewesen, aber der Himmel ist immer noch grau verhangen. Ich folge weiter dem Prättigauer Höhenweg, der führt nun runter und dem wilden Canibach entlang wieder raus aus dem Tal.
Langsam hellt sich der Himmel doch noch auf und ich bekomme sogar noch etwas Blau zu sehen. Meist auf der Fahrstrasse zieht sich der Weg lange hin bis Seewis. Ich bin froh, als ich schlussendlich das kleine Dorf erreiche, mir tun Füsse und Knie weh. Mein Prättigauer Höhenweg endet hier, ich steige in das Postauto nach Landquart. Und ich habe Glück, das nächste fährt in 20 Minuten, ansonsten hätte ich lange warten müssen, denn die Postautos fahren nicht sehr regelmässig. Manchmal lohnt sich der Verzicht auf Kaffee und Kuchen… Der offizielle Höhenweg führt noch weiter via Fadärastein nach Malans und endet in Landquart.
Fazit
Der Prättigauer Höhenweg ist eine sehr abwechslungsreiche Weitwanderung. Landschaftlich bietet er sehr viel: eindrückliche Kalktürme, Tiefblicke ins Prättigau, artenreiche Alpenblumen, glitzernde Bergseen sowie charmante Alpen, Dörfer und Hütten.
Die Wanderung ist durchaus familientauglich und mit einigen zusätzlichen Gipfelbesteigungen ist sie auch für den ambitionierten Bergwanderer sehr interessant. Die Etappen lassen sich mit diversen Grenzüberschreitungen nach Österreich erweitern und verlängern. Und natürlich kann man die Abfahrten immer mal wieder mit einem Trottinett beschleunigen.
Der Prättigauer Höhenweg ist ein wunderbarer kurzer Weitwanderweg in beeindruckender Kulisse und ich kann wirklich empfehlen, ihn selbst mal unter die Füsse zu nehmen.
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