27.–29.12.2021. St. Gallen, Schweiz. In alpiner Umgebung und bei viel Schnee und Wind lernen wir in drei abwechslungsreichen Tagen einiges über die Beurteilung von Lawinengelände und die Planung von einfacheren Schneeschuhtouren abseits der markierten Wege. Für Wärme und Gemütlichkeit sorgt die schön gelegene Spitzmeilenhütte.
Diesen Kurs wollte ich schon Ende 2020 machen, aber vor einem Jahr hatte dies pandemiebedingt nicht geklappt. Im Dezember 2021 also der 2. Versuch, diesmal mit Erfolg.
Ich bin des Öfteren mit den Schneeschuhen unterwegs, aber schon lange möchte ich etwas mehr über die Beurteilung von Gelände und Schnee in Bezug auf Lawinen bzw. die Handhabung der Lawinengerätschaften wissen.
Tag 01: Tannenboden – Maschgenkamm – Spitzmeilenhütte
So stehe ich am 27. Dezember gegen 10.30 Uhr nach einer längeren Postautofahrt ab Sargans beim Tannenboden in den Flumserbergen vor dem Hotel Cresta und treffe auf die weiteren Teilnehmer dieses Kurses. Es sind so viele, dass die Tour in zwei Gruppen mit zwei Bergführern durchgeführt wird. Wir fassen Schaufel, Sonde und LVS. Etwas chaotisch geht es hoch zum Maschgenkamm. Die einen haben ein Ticket für die Bergbahn, die anderen nicht. Chaotisch geht es weiter im Restaurant auf dem Maschgenkamm, denn keiner der beiden Führer sagt, was jetzt genau abläuft. Ich hole mit etwas zu trinken, wie alle andern auch, und setze mich an den Tisch. Da habe ich wohl gerade die Einführung in das LVS-Gerät verpasst… Das wird mir im Schnelldurchgang erklärt und schon müssen wir raus. Da hätte ein bisschen bessere Kommunikation der beiden Bergführer nicht schaden können. Draussen ein kurzer Gruppencheck mit dem LVS und schon verlassen wir die Piste. Nach der Hangquerung ein erster Halt. Nun teilt sich die Gruppe auf die zwei Bergführer auf.
Der Zufall entscheidet und ich lande bei Tomas. Von jetzt an wird es etwas geregelter und wir laufen abseits der Piste durch den Schnee. Mal rauf, dann wieder steil runter. Da setzt man sich am besten und lässt es rutschen. Das macht Spass! Gegen 14 Uhr erreichen wir die Alp Fursch, wo es einen heissen Tee aus der Thermoskanne und etwas zu essen gibt.
Danach steigen wir durch hügeliges Gelände hoch. Tom erklärt auf dem Weg nach oben, auf was man achten kann und sollte, wo viel Schnee und wo wenig liegt. So bewegt sich unsere Gruppe langsam den Hang hoch, während die andere Gruppe schnell von dannen zieht. War der Himmel bei der Ankunft auf dem Maschgenkamm noch blau, sieht man von der Sonne mittlerweile nur noch eine diffus leuchtende Kugel durch die Schlieren der grauen Wolken. Nach einer Weile Aufstieg erreichen wir ein Hochplatteau und nach einer Traverse des Plateaus stehen wir vor der Spitzmeilenhütte, unserer Bleibe für die nächsten zwei Tage. Hier oben weht ein kräftiger Wind und es tut gut, in die warme Stube zu treten.
Unsere Gruppe, im Moment 7 Leute, wird einem 8-er Zimmer zugeteilt. In der jetzigen Situation vielleicht etwas unnötig, zumal die Hütte fast leer ist. Da könnte man mit dem Platz etwas grosszügiger umgehen.
Nach dem ersten Einrichten gibt es die erste Theorie-Lektion in der warmen Stube. Tomas ist ein junger Bergführer aus Holland, der aber seit seiner Kindheit in den Alpen unterwegs ist und jetzt in Österreich lebt. Geduldig erklärt er uns die ersten wichtigen Dinge im Beurteilen von Wetter- und Lawinensituationen und wie wir das Lawinenbulletin interpretieren können.
Nach dem leckeren Abendessen spielt unsere Gruppe noch Uno und auch sonst ist das ein ganz angenehmes und unterhaltsames Grüppchen. Wie es sich für eine SAC-Hütte gehört machen wir uns kurz vor 22 Uhr auf in Richtung Zimmer. Wie vermutet lässt das Gesäge mit 5 Herren im Zimmer nicht lange auf sich warten. Das wäre der zweite Grund, wieso man sich bei der Zimmerverteilung doch etwas mehr Überlegen könnte. Da es noch so viele freie Zimmer hat ziehe ich sehr bald aus unserem Schlag aus. Denise, die zweite Dame in unserer Gruppe folgt bald.
Tag 02: Spitzmeilenhütte – rund um den Spitzmeilen
Der zweite Tag beginnt mit einem Hüttenfrühstück, heulendem Wind vor der Hütte und Schneegestöber. Wir packen uns warm ein und bald stehen wir draussen in der Kälte. Nach dem LVS-Gruppencheck – unsere Gruppe ist auf 6 Personen geschrumpft – steigen wir weglos in das Gelände.
Tomas erklärt uns Hangexpositionen und Hangneigungen und worauf wir achten müssen. Bei diesem Schneegestöber und dem Wind nicht so einfach, aber gerade wegen dem eher starken Wind sind die Schneeverfrachtungen gut zu sehen. Immer wieder beurteilen wir das Gelände neu. Sprich, Tomas beurteilt und wir hören zu und versuchen uns alles zu merken. Man könnte auch sagen, wir vertrauen unserem Bergführer einfach fast blind. Für einen kurzen Moment reisst der Himmel auf, aber bald schon schneit es wieder.
Nach einem steilen Aufstieg machen wir Halt und betrachten die Schneedecke etwas genauer. Jeder schaufelt ein Loch bis zum Grund und mit den blossen Händen spüren wir die Unterschiede in der Schneedecke. Oder wir versuchen es zumindest. Tomas zeigt uns weitere Arten, wie man die Schneedecke prüft und beurteilt. Nach der Übung schaufeln wir die Löcher wieder zu. Das ist wichtig für kommende Skitouren- oder Schneeschuhgänger.
Eigentlich sollte die Tour am heutigen Tag um den Spitzmeilen herum zum Wissmeilen führen, aber das ist wegen des Neuschnees und des starken Windes nicht möglich. Wir versuchen von dieser Seite zum Wissmeilen hochzusteigen. Tomas beurteilt die Lage immer wieder neu. Als wir in den steileren Hang einsteigen, heisst es, mit Abstand von ca. 10 Metern zum nächsten gehen. So würde bei einem Lawinenniedergang nicht die ganze Gruppe verschüttet werden. Immer wieder prüft Tomas den Schnee, dann signalisiert er, dass es nicht mehr weiter geht. Wir kehren um, die Schneedecke da oben ist zu unsicher. So laufen wir im dichten Schneegestöber wieder langsam zur Hütte zurück.
Nach einer kurzen Aufwärmung in der Hütte geht es wieder in die Kälte. Tomas hat drei Gruben gegraben. Nun spüren wir mit der Sonde, wie sich verschiedene Untergründe und Gegenstände unter dem Schnee anfühlen. Ein Rucksack, ein Schneeschuh und eine Person. Danach geht es ins Gelände und zwei Rücksäcke werden vergraben. Jeder Teilnehmer muss nun mit dem LVS die Rücksäcke suchen. Natürlich so schnell wie möglich. Ich finde es beeindruckend, wie das Gerät sehr genau zum Ziel führt. Bei einem Abstand von 5 Metern muss man auf die Knie gehen und das Gerät tief am Boden halten. Es ist nicht so einfach mit Schneeschuhen an dem Füssen durch den schweren Schnee zu robben. Wird die kleinste Distanz angezeigt wird die Stelle markiert und dann sondiert. Ist ein Rucksack gefunden wird dieser im LVS markiert, sprich er wird vom Gerät nicht mehr angezeigt. Dann geht es weiter zum zweiten Rucksack. Es ist spannend und interessant, das alles zu machen. Aber für den Ernstfall ist man wohl nur sehr am Rande gerüstet.
Zurück in der Hütte geht es weiter mit Theorie. Lawinenkunde und Tourenplanung stehen heute auf dem Plan. Danach lassen wir auch diesen gemütlich in unserer kleinen Runde ausklingen, während der Wind laut pfeifend um die Hütte bläst.
Tag 03: Spitzmeilenhütte – Erdisgulmen – Panüöl – Tannenboden
Der dritte Morgen ist wider Erwarten relativ klar und man sieht die umliegenden Berge. Der Speiseraum der Spitzmeilenhütte hat auf drei Seiten grosse Panoramafenster und bietet schon beim Frühstück einen gewaltigen Ausblick in die Bergwelt und ins Tal. Das schöne Morgenrot kündigt das schlechte Wetter an, aber zum Ansehen ist es trotzdem ganz wunderbar.
Wir begeben uns wieder in die Kälte. Der eisige Wind der Nacht ist geblieben. Zuerst laufen wir dem Winterweg nach über die Ebene, dann verlassen wir den Weg wieder ins unmarkierte Gelände. Es folgen einige Hügel und Mulden. Auch heute gibt es von Tom viele Informationen zu verschiedenen Schneebeschaffenheiten und Hanglagen.
Unsere heutiges Ziel ist der Erdisgulmen, in seiner Richtung sind wir unterwegs. Langsam verlassen wir die Hochebene und der Aufstieg beginnt. In den Felsen über uns steigt eine grössere Herde mühelos die steilen Steinklippen hoch. Das können wir nicht, bei uns geht das etwas langsamer. Kurz vor dem Grat heisst es wieder mit Abstand hochgehen.
Auf dem Grat biegen wir in Richtung Maschgenkamm ab, den Erdisgulmen besteigen wir heute nicht, denn mittlerweile hat uns das schlechte Wetter eingeholt, es schneit und der Wind bläst eisig über den Grat. Zusammen mit der anderen Gruppe laufen wir dem Grat entlang, bis es wieder steil und weglos nach unten geht. Etwas oberhalb der Alp Fursch erreichen wir wieder die sichere Skipiste, auf der heute nichts los ist. Nur ein einziger Skifahrer fährt an uns vorbei, während wir gemütlich durch den frischen Neuschnee laufen.
Bei Panüöl hiesst es, Schneeschuhe abschnallen. Nun, die andere Gruppe steht schon da und will mit der Gondel hoch. Denise und ich wären gerne noch nach untern gelaufen, aber auch in unserer Gruppe sind einige Herren etwas müde. Zudem haben beide Gruppen Material von Tom, dass er natürlich noch einsammeln muss. Schade, so schnallen auch wir die Schneeschuhe ab und mit der Sesselbahn geht es hoch zum Maschgenkamm und von dort mit der Gondel runter zum Tannenboden. Dort lassen wir unser kleines Abenteuer bei einer Suppe im Restaurant Cresta ausklingen und bald verabschiedet sich einer nach dem anderen.
Super und lehrreich war’s! Ich durfte in den letzten drei Tagen viel lernen und erleben. Auch die Touren bei doch etwas erschwerten Wetterbedingungen waren toll. Vor allem lernt man so doch noch das eine oder andere mehr als bei schönstem Winterwetter. Auf Touren in einfaches Gelände abseits der Piste würde ich mich jetzt wagen, aber wenn man sich wirklich mit der Materie Lawinen beschäftigen möchte, dann fehlt noch ganz viel.
Es war ein super Kurs und es hat wirklich viel Spass gemacht. Wir hatten aber auch eine ganz lustige Gruppe und Tomas ist ein sympathischer und vor allem sehr geduldiger Bergführer. Touren mit ihm kann ich sehr empfehlen.
Gerne wieder einmal. Und falls jemand nun selbst einmal etwas mehr Schneeschuh- oder sonstige Alpin-Luft schnuppern möchte, die Höhenfieber Alpinschule bietet diesen Grundkurs und auch sonst tolle Touren an.
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