16.05. – 26.05.2022. 652 km, 10014 Höhenmeter. Schweiz, Italien. Vom Kanton Bern führt mich meine langsame Reise in die französische Schweiz. Entlang der Rhone geht es flussaufwärts durch das Wallis und eine Fahrt über den Simplonpass bringt mich nach Italien. Jasminduft begleitet mich im Süden und über den Lukmanierpass lande ich wieder im Heimatkanton, in der romanischsprachigen Surselva.
Route: Burgdorf – Walkringen – Thun – Wimmis – Frutigen – Adelboden – Hahnenmoos – Lenk – Zweisimmen – Gstaad – Col du Pillon – Les Diablerets – Col de la Croix – Villars-sur-Ollon – Ollon – Massongex – Martigny – Sion – Sierre – Brig – Simplonpass – Crevoladossola – Druogno – Malesco – Finero – Cannobio – Ascona – Locarno – Bellinzona – Biasca – Acquarossa – Lukmanierpass – Disentis – Ilanz – Chur
Hier die grobe Route:
Lange hatte ich überlegt, wohin mich meine diesjährige Frühlingsreise bringen sollte. Da der Schnee dieses Jahr sehr früh schmolz, hoffte ich auf ein paar mir noch unbekannte Pässe. Zudem war ich mit dem Fahrrad noch nie im Wallis und Tessin unterwegs. Ein paar Ideen, ein paar lose Teile, das genügt.
Meine Tour startet in Burgdorf, da es seit diesem Jahr eine direkte Zugverbindung von Chur nach Bern gibt. Ganz bequem ohne Umsteigen in Zürich. Die erste Nacht verbringe ich auf dem Camping und das Schöne an Städten ist, dass man sie noch etwas erkunden kann. Und wer einmal in einem Schloss übernachten möchte, das Schloss von Burgdorf ist mittlerweile eine Jugendherberge. Kaum liege ich wieder in meinem Zelt, zieht ein Gewitter darüber. Es sollte nicht das letzte Mal bleiben.
Entlang der Emme startet meine Tour gemütlich in Richtung Thun. Der Himmel ist eher bedeckt, aber das ist ganz ok bei den bald folgenden Hügeln. Durch Thun geht es langsam in Richtung Frutigtal, wo mich ein weiterer Regenschauer erwischt. Der ist von kurzer Dauer und bald blicke ich auf die schneebedeckten Berge von Kandersteg. Ein schöner Ausblick. In Frutigen fahre ich auf den Camping. Zum Glück verbringe ich so viel Zeit mit der Suche nach meinen Platz, dass ich mein Velo einfach unters nächste Dach schiebe, als die ersten Gewitterzellen vorbeiziehen. Schnell stelle ich mein Zelt auf, dann folgen die nächsten. Zum Kochen nutze ich den überdachten Platz, das ist doch etwas angenehmer. Und ich bin froh, dass ich die Daunenjacke eingepackt habe, es wird ziemlich kühl.
Nach Frutigen folge ich der Mountainbike-Route Nummer 1. Der besagte kräfteraubende Anstieg folgt bald und für mich heisst das immer wieder mal schieben, weil die Strassenabschnitte extrem steil sind. Immer weiter arbeite ich mich hoch, mit tollem Ausblick in das Engstligental. In Höchst ist der höchste Punkt erreicht und jetzt folgt die Abfahrt nach Adelboden. Es ist eine Mountainbike-Route, immer wieder lenke ich mein Rad über Single Trails. Das macht Spass!
In Adelboden gibt es eine kurze Stärkung und bald folgt der nächste längere Aufstieg. Auf einer ruhigen Strasse führt mich der Weg teilweise auch wieder ziemlich steil hoch zum Hahnenmoos-Pass. Dort oben liegen noch vereinzelt Schneefelder, aber für 2000 m hat es auch hier für die Jahreszeit nicht mehr viel Schnee. Auf dem Pass statte ich dem kleinen künstlichen See einen Besuch ab. Dann folgt die zuerst steile und holprige, dann rassige Abfahrt nach Lenk.
Dort lenke ich mein Velo zum Lenkerhof, wo ich von Jan erwartet werde. Jan habe ich im Jahr 2005 in Vancouver kennen gelernt und seit 12 Jahren führt er den Lenkerhof. Das Hotel befindet sich gerade im Umbau, aber ich bekomme trotzdem ein Zimmer. Und was für eins! Mit Sofa und wunderbarer Aussicht auf die Berge. Tausend Dank Jan! Dann gibt es noch eine Führung durch die Baustelle und später lassen wir den Tag bei einem Abendessen in der lokalen Beiz ausklingen. Es ist immer schön, Leute auf einer Fahrradtour wieder zu sehen. Und den Lenkerhof sollte ich wohl auch mal besuchen, wenn er offen ist. Ein wirklich tolles Hotel mit sehr sympathischen Gastgeber.
Mit Jan frühstücke ich noch in der nahen Bäckerei, dann mache ich mich auf den Weiterweg. Der Simme entlang geht es gemütlich nach Zweisimmen. Nach Zweisimmen steigt die Strasse wieder an, wie gehabt in teilweise extrem steilen Rampen. Aber da schiebe ich einfach, das ist kein Problem. Es ist ziemlich warm und bald rinnt der Schweiss. So halte ich in Saanenmöser gerne am Kiosk beim Bahnhof und gönne mir ein erstes Gatorade. Das tut bei diesen Temperaturen einfach gut. Es folgt die Abfahrt ins mondäne Gstaad, wo die Menschen in den Strassen rumwuseln. Entlang der Saane führt mich der Weg weiter nach Gsteig bei Gstaad. Es folgt der angenehme Aufstieg zum Col du Pillon. Jan hatte mir den Tipp gegeben, noch den kleinen See zu besuchen. «Da kannst du schnell in 5 Minuten hinfahren.» Nun, fast 2 Kilometer Anstieg sind auf dem Velo nicht in 5 Minuten gefahren – zumindest nicht von mir – aber ich besuche den See trotzdem. Es ist ganz schön beim Lac Retaud. In dem See schwimmen schon ein paar Leute. Mit gefällt vor allem die Aussicht auf Tête aux Chamois und den Sex Rouge mit dem dazwischen liegenden Glacier du Dar.
Und jetzt freue ich mich auf die Abfahrt und die Dusche auf dem Camping, der Tag war heiss. Bald bin ich unten in Les Diablerets. Der Camping liegt 3 km ausserhalb, gemäss der Website ist er offen. Ich fahre die 3 km runter, das heisst, ich muss sie am nächsten Tag wieder hochfahren. Auch auf der Strasse wird der Camping als offen ausgewiesen. Doch als ich ankomme, ist alles ausgestorben. Ich überlege mir, einfach das Zelt aufzustellen, aber auch die Waschräume sind zu. Nun, somit muss ich die 3 km heute schon wieder hoch und zurück nach Les Diablerets. Auf dem Weg rufe ich bei einem Hotel an, dass auch offen sein sollte. Nichts. In Diablerets fahre ich zum Glück an einer Touristeninformation vorbei. Die sieht zu aus, ist aber offen. Der junge Herr gibt mir ein paar Optionen für eine Übernachtung. Ich wähle die günstigste, ein B&B. Die Dame des Hauses ist zwar nicht da, aber einmal vor dem Haus angekommen, weist sie mich telefonisch ein. Zuerst am Hund vorbei, Calla. Ist sehr lieb und darf angefasst werden. Dann einfach die Türe öffnen, die ist nicht abgeschlossen, rein, die Treppe hoch und in ein Zimmer. Ganz unkompliziert. Christiane kommt erst spät nach Hause, aber ich solle mich wie zu Hause fühlen. Nun, mit einem Hund und drei Katzen ist das ganz einfach. Im Denner möchte ich noch etwas kaufen, es ist 18:15 Uhr. Doch der ist schon zu, obwohl er bis um 18:30 Uhr offen sein sollte. Nun, in Les Diablerets ist wohl nichts wie es sein sollte… Im nahem Restaurant esse ich etwas zu Abend. Keine Ahnung, ob es das Essen war oder sonst etwas, in der Nacht ist mir plötzlich speiübel. Jetzt wünschte ich mir eher ein Hotel als ein Haus mit einer knarzenden Treppe und einem Familienbad. Aber irgendwie geht die Nacht vorüber und am nächsten Morgen fühlt sich mein Magen etwas besser an.
Christiane bietet mir ein richtig gutes Frühstück an, leider kann ich fast nichts essen. Aber wir unterhalten uns richtig gut, es klappt mittlerweile auch mit dem Französischen wieder viel besser. Christiane arbeitete selbst mal zwei Jahre in Davos und ihre Tochter war zwei Jahre an der Sportmittelschule. Die Welt ist wirklich klein. Ich mache mich auf den Weiterweg. Raus aus Les Diablerets, mit tollem Ausblick auf eine weitere beeindruckende Bergwand. Bald steigt die Strasse wieder an. Es ist eine schöne Auffahrt, fast kein Verkehr und immer wieder tolle Ausblicke. So erreiche ich nach einer Weile den Col de la Croix. Mein Magen ist auch wieder etwas fitter, ich kann sogar einen Riegel essen. Ich geniesse eine Weile die Aussicht vom Pass in Richtung Waadtländer Alpen.
Runter nach Villars-sur-Ollon. Dort ist die Weiterfahrt auf der Veloroute wegen einer 11 km langen Baustelle gesperrt. Ich nehme die Umfahrung und erreiche nach einer wirklich coolen und langen Abfahrt den heissen Talgrund in der Nähe von Ollon. Irgendwo hatte ich gelesen, dass im Rhonetal normalerweise am Nachmittag ein starker Wind talaufwärts bläst. Und siehe da. Guter Rückenwind treibt mich tatsächlich voran. Zuerst nicht sehr spannend entlang der Hauptstrasse. Beim Bahnhof in Monthey gönne ich mir eine Cola. Heute habe ich richtig Lust auf das süsse Wasser und es tut richtig gut. In Massongex überquere das erste Mal die Rhone und jetzt kann ich wieder auf der Veloroute Nummer 2 fahren. Mal führt der Weg dem Fluss entlang, immer wieder muss ich aber auch auf der Hauptstrasse fahren. Immerhin hat diese hier immer einen ausgewiesenen und genug breiten Radsteifen. Der Wind treibt mich gut voran und langsam fahre ich weiter sanft hoch im Rhonetal, mittlerweile im Kanton Wallis. Links und rechts häufen sich Fruchtplantagen aller Art. Birnen-, Apfel-, Aprikosen- und Kirschbäume, Erdbeeren und Trauben mache ich unter anderem aus. Ich bin hier im Tutti-Frutti-Gebiet. Sonst ist das Fahren entlang der Rhone nach ein paar Kilometern in etwa so spannend wie das Fahren entlang des Rheins. In meinem persönlich Fall heisst das eher langweilig. Auch nach dem Knick bei Martigny bläst der Wind weiterhin talaufwärts. Ich lasse mich mittreiben, verfahre mich mehrmals und kurz vor Sion ende ich den Tag auf dem TCS Camping bei Aproz. Klar, die letzten zwei Nächte hatte ich ein Dach über dem Kopf und es viel kein Tropfen Regen, jetzt braucht sich wieder ein Gewitter zusammen. Kaum steht das Zelt, öffnen sich die Schleusen des Himmels. Aber sonst muss ich sagen, dass ich im Zelt einfach viel besser schlafen kann als in einen noch so bequemen Bett. Das liegt aber auch daran, dass die Temperaturen nachts immer noch angenehm kühl sind.
Bald erreiche ich Sion, eine interessant aussehende Stadt mit dem Schloss und den Burgen, die hoch darüber thronen. Da könnte man sicher etwas Zeit verbringen. Ich streife die Stadt nur und folge weiter mehr oder weniger der Rhone. Die Route macht einen Bogen um Sierre, auch hier sitzt auf dem Hügel eine Burg. Nach einer Weile biegt die Route von der Rhone ab und ich fahre durch das winzige Kaff Niedergesteln. Klar, mit zerfallener Burg, nettem Dorfkern und einem Wasserfall. Auch schön, diese kleinen Walliser Dörfer. Hier wird Walliser-Deutsch gesprochen. Das hört sich ja manchmal auch eher wie eine Fremdsprache an.
Am frühen Nachmittag erreiche ich Brig und dort fahre ich zum Camping Geschina. Niemand da, aber man soll sich einen Platz suchen und sich abends anmelden. Heute scheint die Sonne, ich suche mir einen Baum mit Schatten und setzte mich erst einmal hin. Wie ich da so sitze fährt ein Zürcher mit Wohnwagen vor und stellt das Ding wirklich vor meine Nase hin. Ich meine, zumindest fragen hätte er können, ob das in Ordnung ist. Anstand ist nicht jedermanns Sache. Nun, die Saltina nebenan ist so laut, da hört man von den Nachbarn nichts. Ich wasche meine Kleider und statte dem Supermarkt einen Besuch ab. Mit vielen leckeren Sachen mache ich mir einen gemütlichen Nachmittag und Abends erkunde ich die Stadt mit dem beeindruckenden Stockalperschloss. Das ist schon das Schöne an Städten oder etwas grösseren Orten, es gibt noch was zu entdecken. Und Brig ist irgendwie überraschend vielfältig. Abends melde ich mich bei der Platzwartin an, die den Freundlichkeitspreis ganz bestimmt nicht gewinnt. Eigentlich wäre ein Ruhetag jetzt nicht schlecht, doch der Blick auf die Wetterprognose lässt mich weiterfahren.
Eigentlich wollte ich über den Nufenenpass ins Tessin fahren, doch der ist noch geschlossen. Ich könnte es einfach versuchen, doch ich entscheide mich für den Simplon. Der Simplonpass ist kein Radfahrer-Pass, da er vor allem unter der Woche sehr verkehrsreich ist. Eine direkte Verbindung vom Wallis nach Italien. Doch heute ist Samstag, da sollten vor allem keine Lastwagen unterwegs sein. Die ersten 12 Kilometer kann ich fast verkehrslos auf der alten Strasse fahren. In dieser ersten Streckenhälfte werden auch schon gut Höhenmeter gemacht, die alte Strasse ist teilweise sehr steil. Nach der Ganterbrücke ist der Spass vorbei und ich biege schlussendlich auf die normale Passtrasse ein. Der Simplon hat einige Tunnels und lange Galerien. Nachdem ich vor 2 Jahren in Österreich in einem Tunnel fast überfahren wurde ist mir das etwas ein Graus. Aber ich habe mich gewappnet, mit viel Licht und Leuchtweste. Die ziehe ich mir nun zum ersten Mal über. Gibt noch etwas mehr Wärme, aber ich sollte auch etwas sichtbarer sein. Ich komme gut vorwärts, die Steigung ist angenehm und die meisten Fahrer machen einen weiten Bogen um mich. Am schlechtesten schneiden hier eindeutig die Schweizer Kennzeichen ab. Am meisten wundern mich die Fahrer, die ihre Fahrräder hinten auf die Karre geschnallt haben und dann doch mit nur ein paar Zentimetern Abstand überholen. Und wie immer kann ich auch die Motorradfahrer nicht verstehen, die bei total leerer Strasse mit gefühlten 2 Millimetern an mir vorbeipreschen. Ich bin nach wie vor der Überzeugung, die machen das absichtlich. Nun, immerhin komme ich viel besser als erwartet durch die Tunnels und Galerien und bald bin ich auf der Passhöhe. Dort oben trödle ich mich lange herum, besuche den Aufpasser des Simplons. Als Symbol der Wachsamkeit steht der Adler als Soldatendenkmal auf dem Simplonpass. Die Gebirgsbrigade 11 hatte den Auftrag, einen allfälligen italienischen (oder sowjetischen) Vormarsch über den Simplon in Wallis zu verhindern. Die Brigade gibt es schon seit 1994 nicht mehr. Was geblieben ist, ist der steinerne Adler auf der Passhöhe – er steht seit 1944 da oben.
Eigentlich dachte ich, heute nur bis nach Simplon Dorf zu fahren. Doch ich rechne meine Route nochmals etwas genauer durch und mit dem für Dienstag vorausgesagten Wetterwechsel heisst das plötzlich, dass ich doch etwas Gas geben sollte, wenn ich noch über den Lukmanier zurück will. Und dann ist da ja noch das lange Auffahrtswochenende. Da möchte ich eigentlich nicht mehr unterwegs sein. Leider konnte ich im Büro meine Ferien nicht anders legen. Na dann, zusammen packen und runtersausen. Ich fahre durch Simplon Dorf und sause weiter runter. Nach Gondo folgt die Grenze nach Italien. Mit einem Mal ändert sich der Strassenzustand von glatt zum rumplig mit Schlaglöchern. Hier bläst mir der Wind nun heftig entgegen. Ich erreiche Crevoladossola und biege nach links ab. Auf einer kleinen Strasse fahre ich durch sehr hübsche Dörfer. Doch irgendwie fühlt es sich falsch an. In Oira prüfe ich das nochmals. Yup, da bin ich zu früh abgebogen. Eigentlich hätte man hier noch wunderbar weiterfahren können, die Gegend und die Dörfer sind wirklich schön. Ein ander Mal mit mehr Zeit vielleicht. Ich kehre um und diesmal erwische ich die richtige Abzweigung. In Masera trinke ich im Schatten eines Hauses etwas. Eine ältere Dame fragt, ob ich frisches Wasser möchte. Soviel Italienisch verstehe ich. Ich lehne ab, ich habe noch Wasser. Aber ich weiss zu dem Zeitpunkt auch noch nicht, was noch folgt… sonst hätte das Angebot nämlich dankend angenommen.
Ich biege ein ins Val Vigezzo, bald steigt die Strasse wieder an. Hier weht kein Lüftchen, es ist heiss. Das Tal ist schön, eng, tief unten fliesst ein Bach. Ich bin langsam müde, die Anstiege sind happig. Doch das Zückerchen folgt jetzt. Ein 1,5 Kilometer langer Tunnel mit einer konstanten Steigung von 9%. Immerhin hat es genug Platz auf der Seite, aber mit jedem Meter wird der Lärm unerträglicher. In einem Auto nimmt man den Lärm in einem Tunnel nicht so wahr, aber auf dem Fahrrad sind vor allem die Motorräder ein Grauen. Soooo laut. Irgendwie habe ich nach einer Weile das Gefühl, dass ich nicht mehr so gut atmen kann. Wird Einbildung sein. Und dann bin ich endlich wieder draussen. Was für eine Erleichterung. Es geht weiter hoch, langsam geht mir das Wasser aus. Wie gesagt, ich hätte das frische Wasser besser angenommen. Aber dann erreiche ich doch noch Druogno. Hier soll es nach dem Dorf einen Camping geben. Doch nach der Erfahrung in Les Diablerets fahre ich zu dem Hotel, das doch offensichtlich als offen gekennzeichnet ist. Etwas ausserhalb liegt die Albergo Al Boschetto schön im Grünen. Ich spreche Spanisch und Portugiesisch, aber kein Italienisch. Für die Anfrage nach einem Zimmer für eine Nacht für eine Person reicht es. Mein Velo darf ich in einen leeren Saal stellen. Sehr sympathisch. Nach einer sehr wohltuenden Dusche gönne ich mir im Restaurant eine grosse Pizza. Die ist extrem lecker! Es ist Samstag Abend und das Restaurant ist bald komplett voll. Kein Wunder, das Essens sieht wirklich sehr lecker aus und meine Pizza ist es absolut mit ihrer ganz dünnen Kruste. Ich lasse den Abend noch auf meinem kleinen Balkon mit Blick ins Grüne ausklingen.
Zum Frühstück gibt es süsse Teilchen, die mich an die argentinischen Facturas erinnern. Dazu Cappuccino und Brot. Ich bestelle von der grossen Liste noch ein Joghurt, man könnte noch viel mehr haben. Ich war und bin kein Frühstücker, aber auf Radtouren gebe ich mir doch Mühe, gut zu essen. In Malesco wollte ich eigentlich in Richtung Centovalli abbiegen. Doch ein Schild gibt die Strasse als gesperrt an wegen einer kaputten Brücke. Soll ich es versuchen? Ich winke einem Mountainbiker zu, er rät mir sicherheitshalber den Umweg über Finero zu fahren. Das seien 20 km mehr. Nun, das hatte ich so nicht geplant in meinen sowieso schon eher knappen Zeitplan. Na dann. Hoch geht es nach Finero. Auf der schmalen Strasse hat es wenig Verkehr, schon jetzt begegnen mir viel sonntägliche Radfahrer. In Finero verkauft jemand Kleider am Strassenrand, es ist schön italienisch hier. Nun folgt eine lange Abfahrt durch das wirklich schöne Val Cannobina. Dichte Wälder, tiefe Schluchten, immer mal wieder ein paar Häuseransammlungen. Leider sind aber viele Häuser hier unbewohnt und dem Verfall überlassen. Immer wieder sehe ich hoch über der Strasse kleine Dörfer aus dem Wald ragen. Auch diese Gegend wäre eine genauere Erkundung wert. Bei Cannobio erreiche ich den Lago Maggiore und bald folge ich der verkehrsreichen Küstenstrasse in Richtung Locarno. Hier am See duftet es intensiv nach Jasmin. Ich überquere die Grenze zurück in die Schweiz und bald bin ich in Ascona.
Es folgt das sonntägliche Gewusel rund um Locarno und dann folgen viele Kilometer in Richtung Bellinzona. Und ich habe tatsächlich schon wieder Rückenwind. Das ist cool. Ich umfahre Bellinzona und fahre durch kleine Dörfer weiter nach Biasca. Es ist 15:30 Uhr. Ich decke mit beim Bahnhof mit Cola, Shorly und Chips ein und fahre weiter. Langsam geht es hoch, weiter durch sehr sympathische, südliche Dörfer. In Acquarossa biege ich ab in Richtung Camping. Auch hier niemand, aber auch hier darf man sich einen Platz suchen. Ein sehr schöner Camping mit viel Bäumen und viel Schatten. Natürlich braut sich auch hier ein Gewitter zusammen und ich komme gerade aus der Dusche, als der Regen beginnt. Regen und Zelt scheinen zusammen zu gehören.
Auf der alten Passstrasse steige ich weiter hoch. Bei Largario ist fertig mit Strasse, nun folgt ein kleiner Landwirtschaftsweg. Sehr schön. Wie schon auf der ganzen Tour sind auch hier die Wiesen noch nicht gemäht und voller farbiger Blumen. Toll! Bei Olivone biege ich auf die normale Passtrasse auf den Lukmanier ein. Auch hier hat es sehr wenig Verkehr. Ich gewinne langsam an Höhe, während sich der Himmel langsam verdunkelt. Weiter oben fahre ich durch eine wunderbare Hochebene. Föhrenwälder, gelbe Blumen, ein Moor und Spitze Berge. Es gefällt mir hier oben. Ich erreiche das Hospizio. Ein paar Fotos und es beginnt zu regnen. Beim geschlossenen Hotel stelle ich mich unter und ziehe mal meine Regenbekleidung an. Damit ich sie beim Fahren auch einmal gebraucht habe. Diesbezüglich hatte ich bis jetzt nämlich viel Glück.
In einem Tunnel geht es weiter hoch. Die eigentliche Passhöhe befindet sich wohl im Tunnel. In den ganzen Regenklamotten wird mir ganz schön warm, auf der anderen Seite des Tunnels regnet es nicht mehr. Nun, ich sause runter durchs Val Medel. Auf dieser Seite des Lukmaniers wird Romanisch gesprochen. Ich passiere einige Baustellen und erwische ein riesiges Schlagloch, das mich fast aus dem Sattel haut. Und in Disentis öffnen sich schlussendlich die Himmelsschleusen auch auf dieser Seite. Nach 8 Tagen durchfahren bin ich müde und für die nächsten zwei Tage ist schlechtes Wetter angesagt. Nun, ich verbringe diese zwei Tage als Ruhetage zu Hause in Chur, einfacher.
Doch fertig fahren werde ich die Tour noch und so verbringe ich die Nacht auf dem Camping in Disentis. Sehr nettes Personal und eine grosse Zeltwiese erwarten mich. Hier könnte man im Medelser Rhein nach Gold schürfen, was wohl einige Camping-Besucher tun. Ebenfalls trifft ein anderer Radler ein. Vinz aus Zürich. Gleicher Beruf, gleiche Leidenschaft fürs Velofahren. Wir unterhalten uns gut.
Der Blick auf das Kloster Disentis ist auch an diesem Morgen grau, es ist kühl und der Himmel wolkenverhangen. Bald muss ich wegen einer Strassensperre wieder einen Umweg fahren. Auf Schotterwegen folge ich mal näher, mal weiter entfernt dem Vorderrhein. Hier oben ist das noch etwas spannender und abwechslungsreicher. Immer wieder steigt die Strasse an, um dann wieder über einen schmalen Pfad nach unten zu führen. Und wie auch im Rhonetal bläst der Wind im Rheintal talaufwärts. Ich passiere Ilanz, es folgt eine längere Steigung, nun mit Blick auf die Ruinaulta. Diese umfährt man oben rum. Bis nach Valendas steigt die Strasse an, dann folgt eine rassige Abfahrt und nochmals ein kurzer Anstieg auf der engen, schmalen Strasse hoch über dem Rhein.
Schliesslich die Abfahrt nach Bonaduz. Dort blüht auf den Feldern der Mohn und ich statte der Kapelle Sogn Mang einen Besuch ab. Diese habe ich zum Fotografieren im Winter sowie nachts schon oft besucht. Heute dominiert das Tageslicht, mittlerweile scheint die Sonne, und das Rot des Mohns. Ein schöner Anblick und ein schöner, farbige Abschluss dieser kleinen Tour. Am frühen Nachmittag erreiche ich mit nun doch starkem Gegenwind Chur. Heute mit dem Fahrrad. Nun ist auch die letzte Etappe gefahren und ich kenne nun noch ein bisschen mehr Schweiz. Langsam aber sicher wird es jetzt wirklich Zeit für etwas anderes…. mal sehen, wohin mich mein Fahrrad im nächsten Jahr bringen könnte. Ideen und Anregungen nehme ich gerne entgegen!
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