14.–21.12.2024. Luosto, Finnland. Eine kurze, spontane Reise bringt mich in den hohen finnischen Norden, nach Luosto. Eine Woche, in der der Winter das ganze Programm zeigt: eisige Kälte, Schnee, Nordlichter und Stille.

Der hohe Norden fasziniert mich schon sehr lange. Da die Nordlichter dieses Jahr aufgrund besonders starker Sonnenaktivität vermehrt zu sehen sind–wir konnten sie sogar mehrmals in der Schweiz beobachten–entschliesse ich mich sehr spontan, nach Finnisch Lappland zu reisen.

Dezember ist zwar nicht der beste Monat für die Nordlichter und mit einem Reisedatum rund um den vollen Mond sind die Nächte auch nicht wirklich dunkel. Aber aus Arbeitssicht ist diese Woche die einzige, die irgendwie passt.

Vor Abreise fühle ich mich irgendwie noch gestresst, freue mich nicht wirklich auf die Zeit in Finnland. Die Gedanken sind noch bei der Arbeit, es gäbe noch einiges zu tun, zudem habe ich eine neue Mitarbeiterin, die erst gerade angefangen hat. Hätte ich einfach Ferien, hätte ich diese bestimmt verschoben. Da ich aber weg fliege, kann nicht verschoben werden. Irgendwie auch gut. Das habe ich schon Ende Oktober bei der Reise auf die Kanaren festgestellt. Zudem sollte Self-Care ja vermehrt ein Thema in meinem Leben spielen.

Die Anreise nach Finnland benötigt ihre Zeit. Die Schlange am Flughafen Zürich ist lange, denn auch mit Online-Checkin muss man das Gepäck am Schalter aufgeben. Aufgrund von winterlichen Verhältnissen startet der Flug mit der Finnair dann verspätet in Richtung Helsinki. Auch der Weiterflug nach Rovaniemi verzögert sich. Im Flugzeug kann ich die Augen kaum noch offen halten. Ich bin müde. Sehr müde sogar. Der momentan stattfindende Hormon-Sturm wirkt sich vor allem auf meinen Schlaf aus. Ich schlafe seit frühster Kindheit schlecht, aber jetzt habe ich oft Phasen, in den ich nächtelang kein Auge zumache. Dazwischen immer mal wieder eine Nacht mit ein bis zwei Stunden Schlaf. Das hängt an und nun schlägt diese Müdigkeit voll zu.

Warten in Helsinki

In Rovaniemi habe ich nach Landung genau noch 10 Minuten Zeit, um den Bus zu erwischen. Ich rufe wie empfohlen die Bus-Firma an, doch der Typ am Telefon ist eher erstaunt über meinen Anruf:“Wenn du Glück hast, wartet der Bus, sonst musst du halt den nächsten nehmen.“

Das wäre auch mein Plan gewesen. Ich renne aus dem Flughafen raus und werde sofort von einem eiskalten Wind begrüsst. Der Bus steht zum Glück immer noch da, heute haben viele Flüge Verspätung und auf einige wird eine halbe Stunde gewartet. Ich muss sofort Schal und die warme Jacke anziehen. Eine Weile geht vor dem Bus nichts, dann werden die Koffer eingeladen. Im Bus drinnen ist es schön warm, die Aussen-Anzeige zeigt -12℃ an. Der Bus fährt ab und die Anzeige klettert langsam runter. Kurz nach Rovaniemi überquert der Bus den nördlichen Polarkreis. Auf Land habe ich den zuletzt auf dem Fahrrad auf dem Dempster Highway auf dem Weg nach Inuvik überquert. Auch im Bus fallen mir die Augen immer wieder zu. Nach ca. 1 Stunde und 15 Minuten kommen wir in Luosto an. Mittlerweile zeigt die Anzeige -21℃.

Ich checke im Santa’s Aurora Hotel ein und esse im Zimmer noch mein Sandwich. Die Uhren werden hier eine Stunde vorgestellt, daher ist es danach gerade Zeit, um schlafen zu gehen. Ich bin so müde, dass ich wieder mal ganz passabel schlafe.

Das heimelige Santa’s Aurora

Und seine Glas-Iglus

Als ich am nächsten Morgen um 07:30 aufstehe ist es noch dunkel. Nun, bis auf all die Lichter, die die Strassen von Luosto erleuchten. Ich frühstücke gemütlich. Frisches, knuspriges Brot und finnische Pfannkuchen mit Zimtzucker. Sehr lecker. All den Fisch lasse ich beiseite. Das ist etwas früh am Morgen und auch sonst nicht wirklich meins.

Das kleine Dorf Luosto liegt im Pyhä-Luosto Nationalpark. Vor zwei Milliarden Jahren gab es hier noch Berge, doch die Eiszeiten haben die hohen Erhebung wegerodiert. Heute sind nur noch die Tunturis oder Fjälls übrig. Nicht viel mehr als kleine Hügel. Der Tunturi Ukko-Luosto ist gerade mal 514 mMeter hoch. Luosto hat 200 Einwohner, dabei handelt es sich meist um pensionierte Finnen, die nun in ihren Blockhäusern leben. Dazu kommen natürlich noch all die Touristen. Nebst viel Natur gibt es in Luosto ein Mini-Skigebiet und ein Amethyst-Bergwerk.

Ich packe mich warm ein, es ist mittlerweile noch kälter draussen. Ich trete vor die Tür, atme tief durch die Nase ein, spüre wie die Nasen-Härchen einfrieren. Das erinnert mich an meine Kindheit. Ich wuchs in den Bergen auf und anno dazumal waren Temperaturen auch noch so tief im Winter. Das fühlt sich gut an! Beim Laufen knirscht jeder Schritt im Schnee und sehr schnell fühle ich mich wohl, die anfängliche Skepsis und die Gedanken an die Arbeit sind bald weg.

Mein erster, kalter Eindruck von Luosto

Ich möchte eigentlich einfach mal durch Luosto laufen, lande aber gleich auf der Loipe hinter dem Hotel. Dieser folge ich, bis ein Schneeschuh-Pfad abbiegt. Es hat im Moment noch sehr wenig Schnee, der Pfad ist auch ein guter Winterwanderweg. Dem folge ich bis zu einer Treppe. Eigentlich ein Sommerwanderweg, aber den Fusspuren nach zu urteilen stiegen schon andere Leute die Treppe hoch. Ich folge. Je höher ich steige, desto besser wird die Aussicht über die endlosen finnischen Wälder. Die Farben am Himmel sind sanft, der Vollmond leuchtet hell am Himmel. Die Sonne wird erst um 11:24 aufgehen. Auf diese kurzen Tage und langen Nächte habe ich mich gefreut und gespannt darauf gewartet. Ich geniesse die Aussicht, doch es wird bald sehr kalt. Ich gehe wieder zurück und kaufe in dem kleinen Supermarkt ein paar Snacks ein. 

Die morgendliche Aussicht wird immer besser

Voller Mond, sanfte Farben

Winter-Fenster

Panorama-Blick von der Treppe in Richtung Luosto

Dann statte ich dem Kontiki-Büro einen Besuch ab. Ich hatte einige Zeit nach Hotels und Flügen gesucht, doch so kurz vor Reisebeginn war nicht mehr viel frei. Und meine Such-Zeit war etwas limitiert. Darum habe ich mich für eine Reise mit Kontiki entschieden, dem Spezialisten für Reisen in den hohen Norden. Da war noch ein Zimmer in meinem favorisierten Hotel zu haben und mit einem Knopfdruck ist Hotel, Flug und Bus gebucht. Und so quasi als mein eigenes Weihnachtsgeschenk gönne ich mir den Einzelzimmer-Zuschlag. Wie ich in den Tagen hier gehört habe, buchen viele Leute ihre Ferien im hohen Norden schon ein Jahr im Voraus. 

Bei Kontiki werde ich freundlich von Pascal begrüsst. Er erklärt mir gleich, was man alles tun kann. Hier könnte man auch einen Winteranzug und Winterschuhe mieten. Aber wie man es sich denken kann, für den Winter bin ich ziemlich gut ausgerüstet. Ich erkundige mich nach dem Wegzustand und nach der Lawinensituation. Ausflüge buche ich keine. Ich lerne gerne über die Kultur und Menschen der Länder, die ich besuche, aber ich tue das gerne in meinem eigenen Tempo mit viel Zeit. 

Zudem weist mich Pascal auf den am Abend stattfindenden Apéro hin. Der wird tiptop in der sehr guten Kontiki-App angezeigt, aber ich habe noch nicht alles angeschaut. Ebenfalls wollte ich Schneeschuhe mieten, doch wie ich selbst schon festgestellt habe, sind die meisten Wege auch gut zu Fuss machbar. Das bestätigt Pascal. Doch gut zu wissen, dass jeder Kontiki-Reisende während der Zeit in Luosto ein paar Schneeschuhe haben könnte.

Um 12:52 geht die Sonne schon wieder unter. Ich laufe nochmals zu der Treppe und schaue mir auch die Farben des Sonnenunterganges an. Danach laufe ich noch lange durch das schöne und lang anhaltende Licht der Dämmerung.

Sonnenuntergang-Stimmung bei Vollmond

Wieder warm eingepackt geselle ich mich zum Grüppchen der anderen Koniki-Reisenden, im Moment sind das noch nicht sehr viele, und zusammen laufen wir zu einer naheliegenden Kota, einer Grillhütte. Draussen sowie drinnen in der Hütte brennt schon ein Feuer. Einige haben Würstchen mitgebracht, die auf die typischen Grillgabeln gespiesst und über dem offenen Feuer gegrillt werden. Sieht man in Finnland ein Feuer, darf man sich wohl einfach dazugesellen und seine Wurst über dem Feuer mitbraten. Boris und Pascal geben uns einige Informationen mit auf den Weg. Ebenso werden Apéro-Häppchen gereicht, doch diese sind (wieder) gut durchgefroren. Mittlerweile zeigt das Thermometer -29℃. Gut tut der heisse Beerensaft bei diesen Temperaturen. In der Kota ist es etwas wärmer, aber nur ein bisschen.

Apéro-Zeit in einer Kota

Beim heutigen Frühstück fragt Stephi–sie und ihre Kollegin waren am Vorabend auch beim Apéro–ob sie sich zu mir an den Tisch setzen darf. So lerne ich Stephi und Mona kennen. Ich habe absolut kein Problem alleine zu sein, aber ein bisschen Gesellschaft ist doch sehr nett. Vor allem beim Essen. Wir sprechen über die Pläne, die jeder für den Tag hat. Die beiden haben ein ziemlich volles Programm mit Rentierschlittenfahrt, Besuch der Amethyst-Mine, Schneeschuhtour etc.

Ich habe keinen einzigen Ausflug gebucht. Ich bin ein sehr schlechter Kunde, wenn es um die Ausflüge geht. Doch als ich später wieder durch die schöne Winterlandschaft laufe, heute bei leichtem Schneefall, reicht mir das vollkommen. Was ich jetzt brauche, ist einsame Winterstille. Und diese finde ich hier. Ich laufe zum Lampivaara Café, der letzte Abschnitt auf dem Schneeschuh-Pfad ist etwas strenger, denn hier sinke ich immer wieder ein. Das Café ist sehr gemütlich, ich hole mir einen Kaffee und einen Kardamon-Bun. Dieser ist so lecker, dass ich gleich noch einen zweiten esse. Interessant ist, dass es nur laktosefreie Milch sowie Hafermilch gibt. So gibt es übrigens im Supermarkt auch glutenfreies Brot in allen Varianten, ebenso laktosefreie Produkte jeglicher Art.

Das Lampivaara Café

Kardamon-Bun im Lampivaara Café

Ich mache mich auf den Rückweg. Zuerst laufe ich fälschlicherweise fast in die Mine rein, das Areal befindet sich gleich beim Lampivaara Café. Dem Zaun entlang geht es weiter. Es folgt ein Wegweiser, der Schneeschuh-Pfad biegt scharf rechts ab. Irgendwie denke ich, der Weg sollte gerade aus weitergehen. Ich laufe eine Weile gerade aus durch den Schnee, kehre aber bald wieder um. Ein Blick auf die Karte sagt mir, dass dies die Langlauf-Lopie ist und via Ukkolaavu hinter dem Ukko-Luosto nach Torvisen Maja führt. Da will ich nicht hin. Ich folge dann doch dem Schneeschuh-Pfad. Der führt bald auf und ab durch den Wald, bald steige ich auf einen kleinen Hügel, den Pikku-Luosto. Dort oben weht ein eisiger Wind, die Aussicht ist bei dem Schneefall nicht gerade gut.

Auf dem Pikku-Luosto mit Blick auf den Lampivaara

Es ist kalt und windig auf dem Pikku-Luosto

Nach dem kalten Tag tut es gut, wieder im warmen Hotelzimmer zu sitzen. Die Zimmer sind typisch skandinavisch schlicht, aber extrem gemütlich eingerichtet. Bald habe ich einen Lieblingssessel. Den würde ich am liebsten nach Hause mitnehmen, so bequem ist er. Und was wäre Finnland ohne einen Sauna-Besuch. Diese steht gleich im eigenen Badezimmer. Sehr praktisch. Es dauert eine Weile, bis ich die beiden Drehknöpfe richtig einstelle, aber dann ist der Ausklang des Tages einfach perfekt.

Ich esse im Bistro des Hotels Luostotunturi zu Abend. Da ich Hunger hatte, bin ich früh dran, 17:30. Wie ich später lerne, keine gute Zeit, um gemütlich zu Abend zu essen. Ich bin von Familien und vielen kreischenden Kindern umgeben.

Vor Weihnachten kommen viele Familien hierher, im Moment vor allem aus England und Spanien. Wie mir erzählt wurde, kommen diese Familien für drei Tage, um Santa Claus zu finden. Der ist ja in Rovaniemi zu Hause. In einem vollgepackten 3-Tages-Programm suchen die Familien nach Santa und am dritten Tag finden sie ihn.

Mein Vegiburger ist soso lala, die Pommes reichlich. Sehr reichlich. Ich muss danach noch einen Verdauungsspaziergang machen. Ich laufe um den nahen See, den Ahvenlampi, wo es wieder schön ruhig ist. Ich laufe bei einer gedeckten Feuerstelle vorbei, das Feuer brennt, kein Mensch da. Später fragt mich eine spanische Familie, ob ich eine Feuerstelle gesehen hätte. In Finnland ist es wohl so, dass man ein Feuer für den nächsten brennen lässt, damit alle ihre Würste braten können. Bei uns sollte man Feuer ausmachen, wenn man die Feuerstelle verlässt. In Hütten gilt aber auch in Finnland eine andere Regel, dort sollten die Feuer oder Öfen aus sein, wenn man die Gebäude verlässt.

Vorsorglich schaue ich noch nach einem Platz, wo man die Nordlichter gut sehen könnte. Beim Auroralampi finde ich eine gute Stelle. Der volle Mond leuchtet hell mit einem Winter-Halo. Kamera und Stativ habe ich dabei, irgendwie denke ich auch, es bewegt sich etwas am Himmel. Doch ich mache kein Bild und laufe zurück zum Hotel. Dort angekommen, sehe ich erst den Nordlicht-Alarm.

Beim Kontiki-Büro steht eine Kamera auf dem Dach, die alle 5 Minuten ein Bild macht. Diese Bilder werden an einen Server geschickt und wenn grün entdeckt wird, wir der Nordlicht-Alarm ausgelöst.

Also ziehe ich schnell wieder alle Kleider an und lauf nochmals zurück zum Auroralampi. Die beste Zeit habe ich wohl verpasst, die Nordlichter sind nicht mehr so stark. Aber mit dem vollen Mond ist der Anblick trotzdem speziell. Nachdem lange nichts mehr am Himmel passiert, gehe ich wieder zurück ins Hotel.

Vollmond mit einem Winter-Halo und ein scheues Nordlicht

Der zweite Alarm kommt vor 23:00, doch auch den verpasse ich. Ich habe mein Handy nicht immer bei mir und schaue auch nicht sehr oft drauf. Und meine Smartwatch spricht nicht mehr mit meinem Handy. Irgendwie hat mich Garmin komplett abgemeldet. Das Problem löse ich später, jetzt mache ich, dass ich schnell wieder rauskomme. Ich stehe mitten im Dorf, als die grüne Lady für ein paar Minuten gleich über mir tanzt. Doch hier muss sie auch mit den hellen Strassenlaternen konkurrenzieren. Ich laufe nochmals zum See, aber bis auf ein bisschen Flackern passiert diese Nacht nicht mehr viel. Um 02:00 gehe ich wieder zurück, es wird kalt.

Nordlichter in Luosto-Downtown

Nordlichter bei den Souvenir-Läden

Ich nenne es das Zündholz

Ich frühstücke wieder mit Mona und Stephi. Das wird für diese eine Woche zur Gewohnheit werden. Wie auch mein Frühstück selbst. Knuspriges Brot, finnische Pfannkuchen mit Zimtzucker und manchmal türkischer Joghurt mit Heidelbeeren. Wir nehmen uns immer viel Zeit für das Frühstück. Weil es erst sehr spät hell wird, verspürt man auch keine Eile. Ferien, wie sie sein sollten.

Ich bearbeite noch eine Weile meine Bilder, dann mache ich mich wieder auf den Weg. Draussen herrscht eine wunderbare Morgenstimmung, der Himmel leuchtet in hellem Orange und Pink-Tönen. 

Ich laufe hoch zur Ukko-Luoston Maisematupa, einer wunderbar gelegenen Aussichtshütte. Die Morgenstimmung hält an, doch ich komme lange nicht über die Baumgrenze. Der Blick von der Hütte aus muss traumhaft sein. Kurz vor der Hütte kommen mir Mona und Stephi entgegen. Die beiden waren cleverer und sind früher los. Als ich bei der Hütte ankomme, zieht langsam Nebel auf. Bald sehe ich keine 10 Meter weit. Nun, Nebel ist wohl auch der falsche Begriff. Ich vermute, dass es der weggeblasene Kunstschnee von der nahen Skipiste ist. Die wird derzeit heftig künstlich beschneit. Dies wird mir später bestätigt. 

Die Hütte ist in Sichtweite

5 Minuten später laufe ich durch den Nebel

Ankunft bei der Ukko-Luoston Maisematupa

Winter-Details

Wenn Winterstille sichtbar wird

Zeit für einen heissen Tee

In der sehr heimeligen Hütte trinke eine Tasse heissen Tee aus meiner Thermosflasche. Eine treue Begleiterin in diesen Tagen. Sonst ist niemand hier. In der Hütte gibt es auch eine kleine Ausstellung über die Lichtphänomene des Nordens. Ein Ofen wäre auch vorhanden. Dann folge ich dem Schneeschuh-Pfad in Richtung Torvisen Maja. Es sind schon Leute vor mir hier durchgelaufen, so ist der Weg einfach zu finden. Sonst wäre dem wohl nicht so, denn er ist nicht gekennzeichnet. Ich laufe durch eine wunderbare Winterlandschaft, kann mich kaum sattsehen. Die Bäume sind noch nicht so tief verschneit, wie man es von den typischen Winter-Lappland-Bildern kennt. Dafür hat es noch zu wenig Schnee. Aber auch so ist der Anblick wunderschön.

Wandern durch ein Winterwunderland

Dann sehe ich weiter vorne orange Baumspitzen. Die müssen von der Sonne beschienen werden. Diese habe ich bis jetzt noch nicht gesehen, weil sie hinter dem Ukko-Luosto kurz auf- und untergeht. Aber nun erblicke ein einen feuerroten Ball tief am Horizont. Gewaltig, diese Farben. Ich lasse mich lange von den verschiedenen Anblicken hinreissen, kann mich kaum sattsehen. Und dann ist sie weg, die Sonne.

Leuchtende Baumspitzen

Feuerrot geht die Sonne unter

Ich laufe weiter durch den Wald und erreiche das Torvisen Maja Café. Das Torvisen Maja ist das älteste Café in Luosto. Es hat keinen Strom und auch keinen Wasseranschluss. Aber mit Karte kann man bezahlen. Drinnen ist es sehr gemütlich mit all den Lichtlein, aber eher kühl. Wärme spendet der Kamin und ein Gasofen. Und ein heisser Kaffee. Dazu esse ich einen feinen Schoko-Kuchen. Es sitzen noch zwei finnische Touristinnen im Café, sonst ist es leer. Matti, der Betreiber ist sehr gesprächig und erzählt viel. Seine Frau Krista, die all die Köstlichkeiten herstellt, steht meist ruhig in der Küche. 

Torvisen Maja, das älteste Café in Luosto

Tervetuloa, herzlich willkommen!

Matti und Krista im charmanten Torvisen Maja Café

Life is good

Nach der guten Stärkung mache ich mich auf den Weiterweg. Wieder hoch zum Wegweiser, dann folge ich weiter dem Schneeschuh-Pfad. Dieser ist nun auch ausgesteckt. Doch es ist nur eine Spur im Schnee, mit den Schuhen sinke ich immer wieder ein. Hier wären Schneeschuhe definitiv von Vorteil. Ein anstrengender Rückweg. Langsam wird es auch dunkel, doch mit dem hellen Schnee sieht man den Weg noch lange.

Die weissen Haare wachsen schnell

Im Kunstschnee-Nebel vom Luosto Skigebiet

Am nächsten Tag besorge ich mir im Kontiki-Büro doch noch Schneeschuhe. Heute will ich zur Wetterstation auf dem Ukko-Luosto hochsteigen, da könnten sie wirklich nützlich sein. Ich folge dem Weg in Richtung Lampivaara Café, dann biege ich auf den Sommerwanderweg ab. Früher führte wohl auch ein Schneeschuh-Pfad über den Grat, auf einigen alten Karten ist er noch eingezeichnet. Mittlerweile ist es kein Winterpfad mehr. Aber ich folge Fussspuren und den Kennzeichnungen des Sommerwanderwegs. Mit den Schneeschuhen geht das deutlich besser. Im Tal zieht langsam Nebel auf. Was für eine magische Stimmung!

Im Tal zieht Nebel auf. Magisch!

Aufsteigen gibt warm, die Schichten fallen

Besser mit Schneeschuhen

Ich steige weiter hoch, es wird kälter. Weiter oben sehe ich wieder die Sonne, hier ein kleiner, roter Ball. Wärmekraft hat sie keine, aber der Anblick ist einfach wunderbar. Noch weiter oben sind die Spuren vom Wind verweht, dieser bläst hier oben ganz gut.

Die Sonne, ein winziger Punkt

Filigrane Eis-Kunst

Ein Winter-Paradies

Blick in Richtung Luosto

Was für eine magische Stimmung!

Es geht weiter hoch

Schneeschuh-Wandern in absolut wunderbarer Kulisse

Kannst du die Kälte spüren?

Gut einpacken! Mit dem Windchill-Faktor wird es sehr kalt!

Die Ukko-Luosto Wetterstation. Fast geschafft!

Die Sonne ist weg

Ich kann mich kaum sattsehen, an all den tollen Anblicken. Einfach absolut magisch! Die Sonne geht unter und ich steige noch weiter hoch zur Wetterstation. Dann mache ich mich an den Rückweg. Mit dem nun heftigeren Wind wird es eiskalt, die Kamera-Linse beschlägt immer wieder und friert ein. Auch der Rest der Kamera ist gut gefroren, zoomen ist nicht mehr möglich. Langsam gibt auch Akku Nummer 2 auf. Den dritten habe ich im Hotel gelassen. Kälte ist definitiv kein Freund von Akkus jeglicher Art.

Das letze Bild, bevor beide Akkus leer sind. A happy me!

Heute Abend gibt es wieder einen Alarm, keinen Nordlicht-Alarm, sondern einen Feueralarm. Laut tönen die Sirenen durchs Hotel, ich begebe mich wie alle anderen Gäste raus zur Rezeption und ins Freie. Bald wird der Alarm als Fehlalarm bestätigt. War wohl eine Dusche, die ihn ausgelöst hatte.

Nach der kurzen Aufregung und der langen Schneeschuh-Wanderung habe ich Hunger. Früh esse ich im Restaurant Punakettu, dem roten Fuchs, zu Abend. Gnocchi mit Spinat. Ich bin kein grosser Fan von Fleisch und Fisch, die Auswahl an vegetarischen Gerichten ist nicht sehr gross. Die Gnocchis sind soso lala. Bis jetzt überzeugen mich die Restaurants noch nicht. Nach den Essen laufe ich wieder etwas durch die Winter-Landschaft. Bei der nahen Kota findet ein Essen statt. Stephi und Mona sind dabei und es muss sehr lecker sein. Ich bestaune nur die Lichter. 

Stimmungsvolle Kota

In der Nacht hat es ein bisschen geschneit. Nach einem weiteren langen gemütlichen Frühstück mache ich mich wieder auf den Weg in Richtung Ukko-Luoston Maisematupa oder Ukko-Luosto Aussichtshütte. Diesmal mit den Schneeschuhen. Es schneit immer noch leicht und auf dem Weg liegt eine dünne Schicht frischer Schnee. Eine Person ist schon vor mir hoch. Ich vermute, dass es Stephi war, sie hatte beim Frühstück davon gesprochen. Denn Mona probiert heute die Skipiste aus.

Der prägnante Baum vor der Hütte

Zum Zweiten, Ukko-Luosto Aussichtshütte

Ich mache wieder eine Pause in der schönen Hütte, dann laufe ich wieder durch die verschneite Landschaft in Richtung Torvisen Maja Café. Ich folge der Spur, einmal verliert sie sich, ich laufe weiter geradeaus. Irgendwann treffe ich wieder auf die Spur. Da der Weg nicht signalisiert ist, kann man ihn leicht verlieren oder nicht finden.

Winter-Wandern bei leichtem Schneefall

Soll ich den Schnee wachsen lassen?

Im Café treffe ich tatsächlich auf Stephi, die sich gerade mit der Fischsuppe wärmt. Ich gönne mir heute den fetten Donut. Auch der ist sehr lecker. Dazu gibt es natürlich einen Kaffee. Gemütlich sitzen wir vor dem Kaminfeuer und Stephi erzählt, dass sie sich fast verirrt hätte. Mit der Langlauf-Loipe nimmt sie den direkten Rückweg. Ich verweile noch eine Weile im Café und mit zwei anderen Schweizern beginnt eine Diskussion mit Matti über die Weg-Signalisation. Da der Weg im Nationalpark liegt, dürfen sie ihn selbst nicht ausschildern. Und anscheinend sind drei verschiedene Parteien für die Markierung der Wege zuständig. Etwas viel, denn wir sprechen nicht von sehr vielen Wegen. Wer weiss, wann sich das ändern wird? Für Matti und Krista hoffentlich bald, denn das Torvisen Maja Café ist wirklich einen Besuch wert und der Weg von der Ukko-Luosto Aussichtshütte ist wunderschön. 

Die leckeren Donuts

Beim warmen Kaminfeuer

Kamin, Donut und Kaffee

Ich laufe wieder über den unteren Schneeschuh-Pfad zurück. Dieser ist ja interessanterweise signalisiert. Langsam wird es wieder dunkel. Bei der Tikkalaavu Schutzhütte mache ich noch eine kleine Tee-Pause.

Auf dem Heimweg

Tee-Pause in der Tikkalaavu Schutzhütte

Abends esse ich mit Stephi und Mona im Hotel zu Abend. Bei mir gibt es Randen-Risotto und Lachs. Das ist sehr lecker. Von den drei bis jetzt besuchten Restaurants gewinnt das hoteleigene eindeutig. Wenn ich das gewusst hätte… Eigentlich wollte ich auch Rentier probieren, das steht in Finnland ja auf jeder Speisekarte. Doch Mona sagte, es schmeckt am ehesten wie Reh. Und ich mag kein Wild. Die Finnische Küche hat auch russischen Einfluss, das erklärt die Randen. Draussen schneit es nun schön, daher gehe ich nach dem Essen noch auf einen Spaziergang im frischen Schnee. Dieser ist noch flockig leicht und ich bahne mir meine eigene Spur. Einfach herrlich!

Abend-Spaziergang im Schnee

Die Glas-Iglus vom Santa’s Aurora

Es schneit die ganze Nacht und um 05:00 werden die Strassen geräumt. Bei uns in den Bergen geschieht das meist früher am Morgen und aus Neugier schaue ich mal aus dem Fenster. Da brettert ein Traktor, vorne mit Pflug, hinten mit Schleuder, mit vollem Karacho durch die Strassen. Schnell ein paar Parkplätze freigeräumt, schnell durch die Strassen gefegt. Das Tempo beeindruckt mich. Das geht bei uns doch etwas gesitteter zu und her.

Am letzten Tag möchte ich nochmals zur Ukko-Luoston Maisematupa, und zwar zur blauen Stunde. Da die Tage ja hier sehr kurz sind, ist die blaue Stunde von ca. 14:30 bis 15:00. Ich laufe also erst später los. Am Morgen bringe ich noch die Schneeschuhe zurück, da ich wahrscheinlich erst nach Büroschluss um 16:00 wieder zurück sein werde. Doch Boris meint, ich solle sie behalten, ich kann sie einfach später ins Gestell vor dem Büro zurücklegen. Das ist gut, denn der Weg ist nun tief verschneit, ich sehe keine Spur mehr, auch der Weg ist nicht sichtbar. Ich dachte, ich erinnere mich an ihn, doch bei all dem Neuschnee ist das nicht der Fall. Zum Glück ist der Weg mit blauen Markern an den Bäumen gekennzeichnet. Ich muss den ganzen Weg zur Hütte spuren und komme gut ins Schwitzen. Mit dem Schnee wurde es auch viel wärmer.

Unter der Hütte windet es ziemlich stark. Teilweise wurde der Schnee verblasen, ich laufe auf Steinen, dann wieder versinke ich fast bis zur Hüfte in den Verwehungen. Heute hätte ich tatsächlich die Gamaschen brauchen können. Mitgenommen hatte ich sie ja. Nun, so landet immer mal wieder Schnee in meinen Schuhen.

Auf dem Weg nach oben

Zum Dritten, Ukko-Luosto Aussichtshütte

Mein Baum, heute mit mehr Aussicht

Die letzten Schritte zur Hütte

Tee trinken in der Hütte

Der schöne Ofen und ein Teil der Ausstellung

Ich trinke noch einen Tee in der Hütte, dann stapfe ich draussen durch die Schneelandschaft. Hinter der Hütte leuchten bald die Lichter der Skipiste. Um die kommt man irgendwie nicht herum. Doch die Stimmung ist trotzdem schön mit der dezenten Beleuchtung in der Hütte. Darum hier eine kleine „Blaue Stunde Ode“ an die Ukko-Luoston Maisematupa, weil’s so schön ist. 

Als ich ankam, hatte jemand das Licht brennen lassen. Dieses lösche ich nun und mache mit auf den Weg zurück. Zum Glück hatte ich den Weg beim Hochgehen gespurt, die Markierungen würde ich bei der einsetzenden Dunkelheit nicht mehr sehen.

Auf dem Rückweg

Bei der Tikkalaavu Schutzhütte mache ich eine letzte Teepause. Schön war’s.

Ein letztes Mal Tikkalaavu

Die drei Damen essen wieder im Hotel-Restaurant, beim mir gibt’s nochmals das Gleiche wie am Vorabend. Derweil erfahre ich von Monas abenteuerlichem Tag. Sie war heute im Lampivaara Café. Wie ich ist sie auf dem Rückweg der Langlauf-Lopie gefolgt. Doch sie ist nicht wieder umgekehrt. So landete sie auf der anderen Seite des Ukko-Luosto. Man würde dort auch zum Torvisen Maja Café laufen, das ist aber ein sehr langer Weg. Vor allem auf frisch verschneiter Piste. Mona ist dann über den Berg gelaufen und die Skipiste runter. Das war sicher der abenteuerlichste Tag, den es in Luosto zu erleben gab. Doch zum Glück kam auch Mona heil wieder im Hotel an. Die Abenteuer-Medaille geht definitiv an Mona, denn sie ist gute 10 Jahre älter als ich und auch ein gutes Stück kleiner.

Wir schreiben den 21. Dezember 2024. Wintersonnenwende und kürzester Tag des Jahres. Heute ist hier oben der einzige Tag, an dem die Sonne nicht über dem Horizont erscheint. Um 09:15 sitzen wir alle drei an der Rezeption bereit und warten auf den Bus, der uns abholt. Das dauert eine Weile, doch dann fahren wir in Richtung Rovaniemi. Heute bei -3°C. Es ist deutlich wärmer geworden seit unsere Ankunft vor einer Woche. Da der Flug erst Abends um 17:45 abhebt, können wir entweder das Santa Clause Village oder das Arktikum besuchen. Ich entscheide mich für das Aktikum, ein Museum über Lappland. Die Ausstellungen befassen sich mit Kultur, Geschichte und dem modernen Leben in der Arktis. Zudem ist es ein architektonisch spannendes Gebäude. Nach dem Museum laufe ich noch eine Weile durch Rovaniemi. Doch da ist mir nach der Ruhe in Luosto zu viel los.

Im Arktikum in Rovaniemi

Am Flughafen heisst es dann nochmals warten. Doch dann geht alles sehr schnell. So schnell habe ich ein Boarding noch nie erlebt. Kaum am Gate, fährt auch schon der Bus zum Flugzeug. Nun, es ist der erste Edelweiss-Flug der Wintersaison. Voll ist er gekommen, mit 28 Personen fliegt er wieder zurück. Und wir bekommen alle ein Upgrade in die Business Class. Da der Flieger sehr leer ist, müssen die Sitzreihen verschoben werden, alle müssen über den Flügeln sitzen. Sieht witzig aus. Bald gibt Essen, mit Tischtuch, richtigem Besteck und Dreigang-Menü. Ein klasse Ausklingen einer fantastischen Reise.

War ich vor Beginn der Reise irgendwie nicht begeistert, hat sich das schon am ersten Tag geändert. Wunderschön war es, und wir haben in einer Woche viel Winter bekommen: einkalte Temperaturen, Schnee, scheue Nordlichter, wunderschöne Dämmerungsstunden. Dazu gab es sehr nette Gesellschaft und schöne Momente. Danke also auch an Mona und Stephi, es hat Spass gemacht mit euch beiden!

 

Fazit:

Lusto ist ein kleiner Ort, gleich hinter dem Hotel beginnt die Natur des Nationalparks. Eine perfekte Lage. Wie man lesen konnte, habe ich einige Orte mehrmals besucht. Mit Langlauf-Skiern gäbe es viel mehr Möglichkeiten. So bin ich nach einer Woche gesättigt, auch wenn es wunderschön war. Die Bäume waren noch nicht tief verschneit, das wäre ja das klassische Lappland-Bild, aber auch so gab es viel Winter. 

Von Kontiki wird man vor Ort super und charmant betreut. Auch wenn ich den Service nicht wirklich in Anspruch genommen habe. 

Das winterliche Lappland hat mich in seinen Bann gezogen. Was für ein absolut wunderbarer Ort. Besonders für jemanden wie mich, der die Kälte und die langen Nächte mag. In dieser Woche war alles dabei: eisige Kälte von -30 Grad Celsius, intensive Sonnenuntergänge, Vollmond, gemütliche Cafés, Kotas, lange Wanderungen, scheue Nordlichter, nette Menschen, jede Menge Süssigkeiten und schliesslich eine Ladung Schnee. Ein Winterparadies. Ich habe mich definitiv in den Winter in Lappland verliebt und werde sicher wiederkommen!