18.–21.09.2024. 259 km. 2941 Höhenmeter. Schweiz. Diese kleine Herbst-Tour führt mich in die Innerschweiz und an einige Seen. Über den Pragelpass, der mit seinen 18% gut fordert, erreiche ich den wunderbaren Klöntalersee. Dem Walensee entlang geht es einmal mehr wieder ins Rheintal und nach Hause.
Route: Olten–Aarburg–Zofingen–Dagmersellen–Sursee–Sempach–Rothenburg–Luzern–Küssnacht am Rigi–Weggis–Vitznau–Gersau–Brunnen–Schwyz–Muotathal–Pragelpass–Klöntal–Glarus–Niederurnen–Wiesen–Walenstadt–Sargans–Bad Ragaz–Landquart–Chur
Hier eine grobe Karte der Route:
Zum dritten Mal heisst es Olten–Chur. Wie es scheint, führen viele Radwege von Olten nach Chur. Ich könnte es zu meinem Ziel machen, so viele Weg wie möglich zu fahren. Was meint ihr? Wie schon im letzten Blog-Beitrag erwähnt, ist Olten ein Ort, den ich mit Zug und Fahrrad sehr gut erreichen kann. Und wegen sehr frühem Schneefall in diesem September gibt es diesen Herbst keine Wandertour, sondern eine kleine Radtour. Mein Ziel: es locker nehmen und an Seen zelten.
Nach Olten folge ich der Aare nach Aarburg, dann biege ich nach Südosten ein. Die Bise bläst immer noch kräftig, das heisst für mich heute Seitenwind. Die Temperatur ist schön kühl, so mag ich es zum Radfahren. Der Himmel ist bewölkt, immer wieder kommt die Sonne durch. In Sursee werde ich plötzlich von einem E-Radfahrer verfolgt. Der Typ fährt mir nach, dann ruft er, sich solle anhalten. Ein neugieriger Radfahrer, denke ich mir. Er stellt sich als Mario vor und möchte was trinken gehen. Grundsätzlich lehne ich das nicht ab, aber Mario ist gleich von Beginn an etwas zu aufdringlich. Dann will er meine Telefonnummer, damit wir uns schreiben können. Die gibt es aber nicht, auch keinen Nachnamen. Mehrmals fragt er, ob ich denn keinen Pfefferspray hätte. Das hielt ich bis anhin nicht für nötig, aber falls noch mehr Marios auftauchen würden, könnte ich mir das wieder überlegen. Nun, der arme Kerl ist wohl mal vom Dach gefallen. Das tut mir leid, aber ich mache mich aus dem Staub.

Blick auf die Aare und Aarburg

Einfahrt nach Aarburg
Vom Sempachersee sehe ich nicht viel, das Ufer ist von Privatgrundstücken umgeben. An der Vogelwarte Sempach vorbei steure ich den Camping in Sempach an. Der Camping liegt direkt am Sempachersee. Dieser hat auch noch Badetemperatur, doch ich ziehe einen Kaffee vor. Lange bin ich die einzige Person auf der Zeltwiese.

Ankunft in Sempach

Wenn sich der Kaffee in die Landschaft integriert
Gegen Abend tauchen aber doch noch zwei Bikepacker auf. Als ich die beiden so sehe, kommt mir in den Sinn, dass ich die Ohropax vergessen habe. Obwohl die Wiese ziemlich gross ist, stellen die beiden Jungs ihre Zelte gleich neben meinem auf. Ich laufe noch eine Weile dem See entlang. Die Sonne wirft ihre letzten Strahlen auf die Berge und ich freue mich auf den kommenden Tag und darauf, diese Berge von nahem zu sehen. Langsam wird es wird ziemlich kühl. Ich laufe zurück und verkrieche ich mich in meinem warmen Schlafsack. Bald sägt es neben mir. Und wie. Der eine Typ schnarcht die ganze Nacht lautstark durch. An schlafen ist da nicht zu denken, obwohl ich mir alles Mögliche in und um die Ohren stecke.

Alpenglühen und schneebedeckte Berge

Sonnenuntergang am Sempachersee

Zeit fürs Zelt
Da ich es gemütlich angehen will, stehe ich nicht um 6:00 Uhr auf. Langsam sollte die Sonne aufgehen. Zelt und Schlafsack sind nass, ein bisschen Wärme würde nicht schaden. Ich stecke den Kopf aus dem Zelt. Nun, mit Sonne wird das nichts werden. Es ist grau. Nebelgrau. Ich frühstücke und packe dann zusammen. Als ich nach 9:00 Uhr losfahre, ist der Schnarcher immer noch nicht aufgestanden.
Auf der Veloroute 3 verlasse ich Sempach. Hügelig geht es in Richtung Luzern. Dort erwartet mich ein richtiger Kulturschock. So viele Touristen habe ich schon lange nicht mehr auf einem Haufen gesehen. Ich geselle mich eine Weile dazu, schaue mir die Kapellbrücke an, lauf etwas dem See entlang. Eine Frau fragt mich auf Englisch, ob ich auf Pilgerreise bin. Ferien-Pilgern, nenn ich das. Meine ehemalige Arbeitskollegin Yasmin arbeitet mittlerweile in Luzern. Ich denke mir noch so, dass es sich wohl schlecht macht, wenn ich an der Hotel-Rezeption einfach nach ihr frage. Der Zufall will es anders, sie läuft nämlich gerade an mir vorbei. Das sie gerade auf dem Weg zum Bahnhof ist, schwatzen wir nur ein paar kurze Minuten. Ich hoffe, dass sie den Zug noch erwischt hat…

Luzern und die Kapellbrücke

Das KKL und tief hängender Nebel
Ich habe bald genug von dem Gewusel und verlasse die Stadt wieder. Bald klettere ich steil den Berg hoch. Im Meggerwald gibt es einiges zu entdecken, dann folgt die Abfahrt nach Küssnacht am Rigi. Die Aussicht von hier oben über die Berge und den Vierwaldstättersee wäre sicher klasse, aber der Nebel hängt immer noch tief. Ich sehe nicht viel. Die Rigi, die Königin der Berge, bleibt in den Wolken versteckt. Ich fahre „Gäge Wäggis zue“. Der Ort liegt in einer Ausbuchtung des Sees, überall stehen Palmen. Das mediterrane Flair erinnert mich eher an das Tessin.

Fundstücke im Meggerwald

Nebelaussichten

Zwei Ballerinas in Weggis

Die Gondelkabine von Weggis

Wer ist der Star?

Entlang des Vierwaldstättersees nach Vitznau

Fahrt mit Seeblick

Kunst in Gersau
Ich folge weiter dem Wasser, vorbei an mächtigen Felsen und Villen. Ich erreiche Brunnen, nach Luzern der zweitwichtigste Ort am vielarmigen Vierwaldstättersee. Hier gibt es zwei Campingplätze. Der eine steht gleich neben der Strasse, der andere ist näher am See. Dort stelle ich mein triefend nasses Zelt wieder auf. Von der Sonne gibt es immer noch keine Spur, aber das Zelt trocknet trotzdem. Den Schlafsack hänge ich eine Weile auf, dann kommt er ins mittlerweile aufgewärmte Zelt.

Auf dem Camping in Brunnen
Gegen Abend lichten sich die Wolken dann doch noch und endlich sehe ich etwas von dem schönen Bergpanorama. Mit Daunenjacke–es ist schon wieder ziemlich kalt,–laufe ich dem See entlang in den Ort. Es folgt ein farbiger Sonnenuntergang, dann sehe ich ich noch Weile zu, wie die Schiffe nach Hause kommen. Wieder zurück auf dem Camping ist das Gras schon wieder nass, ebenso mein Zelt. Herbst kann etwas herausfordernd sein, mit den grossen Temperaturgefällen und der damit zusammenhängenden Kondensation.

Blick auf den Kleinen und Grossen Mythen

Die Seepromenade von Brunnen

Sonnenuntergang in Brunnen

Finales Rot von einem grauen Tag

Die Schiffe kehren heim
Ich wache wieder mit triefnassem Zelt und Schlafsack auf. Doch heute scheint die Sonne, wenn auch noch nicht auf mein Zelt. Ich packe zusammen und fülle noch meine Wasserflaschen auf. Mit Blick auf den kleinen und Grossen Mythen fahre in Richtung Schwyz. Irgendwo muss ich mich verfahren haben, denn plötzlich lande ich wieder am Wasser. Am Lauerzersee. Da wollte ich nicht hin, also wieder umkehren.

Radeln mit Blick auf den Kleinen und Grossen Mythen bei Schwyz

Die kleinen Dinge im Wald
Nach Schwyz steigt die Strasse an. Ich möchte etwas trinken. Hm, die Trinkflasche ist nicht da. Erst jetzt merke ich, dass ich die auf dem Zeltplatz stehen liess. Zum Glück habe ich noch die grosse Nalgene-Flasche, etwas zu trinken gibt es also. Als Trinksystem wird das aber nicht taugen. Bei der Stoosbahn halte ich, aber in dem Shop gibt es keine gute Trinkflasche zu kaufen. Die Strasse nach Muotathal zieht sich hin, es ist kurz vor 12:00. Ich google kurz, in Muotathal hat es einen Volg. Diese Läden schliessen oft über Mittag, daher gebe ich jetzt ziemlich Gas. Kurz vor 12:00 erreiche ich den Ort und den Laden. Hier finde ich eine gute Trinkflasche, aber keine Ohropax und der Laden hätte durchgehend offen gehabt. Na ja. Netterweise gibt mir die Kassiererin noch eine kleine Schokolade mit auf den Weg.

Schöner Wasserfall auf dem Weg nach Muotatathal
Ich erreiche das Hölloch. Das wäre bestimmt einen Besuch wert. Mit 210 km erforschter Länge ist das Hölloch eines der längsten Höhlensystem Europas. Weltweit steht sie auf Rang 11. Hier gibt es sogar zwei- oder dreitägige Höhlentouren, bei denen man in der Höhle schläft. Das muss ich mir merken, das wäre was für mich. Aber nicht heute. Ich will heute über den Pragelpass. Seinen grossen Nachbarn, den Klausenpass kenne ich schon. Vom Pragelpass weiss ich nichts, nur dass es kein sehr hoher Pass ist. Gleich nach dem Hölloch steigt die Strasse sehr steil an. Ich denke mir noch nichts dabei. Später wird die Strasse schmäler und steigt auf 18% an, um dies auf den nächsten zwei Kilometern durchzuhalten. Uff, das geht in meine Kniescheiben. Normalerweise fahre ich solche steilen Strassen im Zickzack hoch, doch die kurvige Strasse ist nicht sehr übersichtlich und es hat doch gut Verkehr. Für einmal sind die Motorradfahrer ganz ok, die fahren auch langsam. Aber einige Autofahrer blochen die Strasse hoch oder runter, als ob es keine Morgen gäbe. Sicher Einheimische, die diese langsamen Radler einfach nur doof finden.

Kleine, enge Strasse auf den Pragelpass

Schöne Ausblicke laden zum Verschnaufen ein

Der Septemberschnee liegt immer noch

Es wird flacher
Eine Gruppe Rennradler überholt mich, aber auch denen klebt die Zunge am Asphalt. Das ist beruhigend. Die Steigung geht zurück auf 14%, erreicht auf kürzeren Aufschwüngen aber immer wieder mal 18%. Ja, irgendwann steige ich ab. Mit Laufen bin ich gleich schnell wie mit Fahren. Es wird langsam kühl, am Strassenrand liegt immer noch der September-Schnee. Dann wird die Strasse flacher und ich erreiche tatsächlich die Passhöhe auf einer schönen Hochebene. Der Pragelpass muss wirklich hart verdient werden. Jetzt bin ich schlauer! Den ganz ehrlich und naiv gesagt: ich hatte keine Ahnung. Dort oben steht eine kleine Kapelle und eine Beiz. Ich verweile eine Weile, bis es zu kalt wird.

Geschafft! Oben auf dem Pass angekommen!

Ausblick vom Pragelpass

Vorbei am Mieserenstock
Wo es steil raufgeht, geht es wohl auch steil runter. Die Trasse bleibt schmal, bis nach Richisau gibt es auch hier 14%-ige Passagen. Dann eröffnet sich der Blick auf den Klöntaler See. Mein heutiges Ziel. Auf dem Camping Vorauen hat es eine riesige Zeltwiese nahe am Wasser mit tollem Blick auf die Berge. Es steht erst ein Zelt da, weit weg von dem stelle ich meinen nassen Fetzen wieder auf. Auch der Schlafsack bekommt nun ganz viel Sonne. Schön!

Auch die Abfahrt wartet mit Ausblicken

Blick auf den Klöntalersee

In Vorauen

Endlich Zeit zum Zelt und Schlafsack trocknen
Auch hier könnte man noch baden gehen. Es ist Freitag, der Platz füllt sich langsam. Das hört auch nicht auf, als es schon dunkel ist. Immer mehr Zelter karren ihr Hab und Gut auf den Platz. Bald habe ich rechts italienische und links deutsche Nachbarn. Die zwei deutschen Motorradfahrer unterhalten sich an ihrem Lagerfeuer bis um 2:00 Uhr morgens. Je später die Stunde, desto absurder werden die Geschichten, die der eine zum Besten gibt. Ich bin ja immer noch Ohropax-los. Irgendwann stehe ich mal auf, es ist eine schöne Nacht, hell scheint der Mond. Zeit, um ein paar Fotos zu machen.

Abendessen zubereiten

Der Camping Vorauen

Sie Sonne geht unter

Vollmond-Idylle und laute Nachbarn
Die beiden sind aber auch früh am Morgen schon wieder munter. Ich auch, doch in der zweiten Nachthälfte bin ich urplötzlich fast verblutet. Das Vergnügen des weiblichen Körpers im mittleren Alter. Nicht sehr angenehm auf einem Zeltplatz, aber wir haben in fünf Jahren Fahrradreise ja schon ganze andere Dinge überstanden. Ich fahre los und geniesse die Ausblicke auf den schönen See.

Blick auf den Klöntalersee

Die gewaltige Felswand

Blick auf den See von Rodannenberg
Dann fahre ich runter nach Glarus und der Linth folge ich bis nach Niederurnen. Die Wettervoraussichten sind immer noch gut, eigentlich wollte ich noch einen Tag anhängen und Richtung Appenzell fahren. Doch der Pragelpass hat meinen Kniescheiben zugesetzt, mein Unterleib schmerzt und zudem weiss ich nicht, wie lange ich noch fast verbluten werden. Zudem ist jeden Morgen in nassem Zelt und Schlafsack aufzuwachen nur bedingt angenehm. Und da heute Samstag ist, könnte es auf Zeltplätzen laut und voll werden. Ich mag es gerne etwas gemütlicher und leiser. Daher biege ich nicht nach Links, sondern nach Rechts ab. Bald folge ich wieder einmal dem Walensee.

Exit in Richtung „nach Hause“

Blick auf den Walensee

Die Fahrradtunnels vom Walensee

Farbtupfer am Boden
Dort sonnen sich Hunderte Eidechsen auf dem warmen Asphalt. Ich gebe mir grösste Mühe, keine zu überfahren. Ebenfalls sind tausende von Flugameisen unterwegs, immer wieder muss ich durch diese Schwärme durch. Teilweise bin ich komplett mit Insekten übersät. Einfach den Mund immer schön zu behalten. Weiter der Seez entlang nach Sargans. Dort folgt wie immer die Stunde der Wahrheit, ich fahre hoch auf den Rheindamm. Uuuuund: ich habe Rückenwind. Tataaaa! Das ist schön. Ich freue mich, denn das heisst, dass ich bis nach Hause „fliegen“ kann. Normalerweise.

Ein Feld mit Herbstzeitlosen

Radeln im Seeztal

Blick zurück auf die Churfirsten

Auf der Zielgeraden auf dem Rheindamm
Wieso der Wind in Landquart plötzlich aus der anderen Richtung bläst, weiss ich nicht. Aber er tut es. Ich nehme das persönlich, das macht der Wind extra, um mir eins auszuwischen. Klar. Weil ich aufgegeben habe. Oder wie auch immer. Ich kämpfe mich gegen den Wind nach Hause, wo ich schlussendlich mit 100 km auf dem Tacho ankomme.
Fazit: Schön war’s. Die Innerschweiz ist definitiv einen Besuch wert. Brunnen hat mir sehr gut gefallen. Und wer sich gerne quält, dem kann ich den Pragelpass wärmstens empfehlen. Der Camping am Klöntalersee ist wunderschön, aber ein nächstes Mal würde ich die Ankunft da nicht auf das Wochenende legen. Aber ich habe es gemütlich genommen und dreimal an einem See zelten. Mission sozusagen erfüllt!
Hinterlasse einen Kommentar